Norbert schrieb:
-------------------------------------------------------
> Was soll an diesem im Grunde genommen belanglosen
> Filmchen namens Reifezeugnis so legendär sein?
Die Folgen mit Kommissar Finke werden von vielen Tatort-Fans als Klassiker geschätzt. Es gab nur sieben Finke-Tatorte, alle von Herbert Lichtenfeld geschrieben, davon sechs von Wolfgang Petersen inszeniert. Die sind alle gekonnt inszeniert, "Jagdrevier" zum Beispiel als eine Art norddeutscher Western, in dem sich Klaus Schwarzkopf und Jürgen Prochnow duellieren, oder "Kurzschluss", wo Günter Lamprecht als Dorfpolizist der Versuchung erliegt, die Beute eines Bankräubers an sich zu nehmen.
"Reifezeugnis" sticht natürlich zunächst mal wegen des Verhältnisses zwischen Lehrer und Schülerin heraus. Ich glaube nicht, dass das 1977 am Sonntagabend um 20:15 Uhr als belanglos empfunden wurde. Schon allein dieses Thema dürfte, mit der entsprechenden Bebilderung in den TV-Zeitschriften, viele Zuschauer angelockt haben ("Reifezeugnis" soll mit 25 Mio. die zweithöchste Zuschauerzahl aller Tatort-Folgen gehabt haben, hinter "Rot-rot-tot" mit Curd Jürgens - siehe [
www.digitalfernsehen.de] ). Und die Hauptrollen waren mit Nastassja Kinski, Christian Quadflieg und Judy Winter auch perfekt besetzt.
Ich vermute mal, dass die Einschaltquoten auch bei den ersten Wiederholungen noch vergleichsweise hoch waren, wobei man natürlich schwer sagen kann, welche Rolle die Nacktaufnahmen dabei gespielt haben. Aber die Figur Sina wurde ja im gesamten Film als verführerische Lolita dargestellt, auch im bekleideten Zustand. Und Judy Winter als scheinbar überlegene, kühl-verständnisvolle Ehefrau war als Gegenpart eigentlich genauso interessant.
Irgendwann hat sich dann der etwas herausgehobene Status von "Reifezeugnis" unter den Tatort-Folgen verselbstständigt, und der Film wurde durch die enorm vielen Wiederholungen zur Legende. Allein von 2011 bis 2023 wurde er fast 20-mal gezeigt, sogar bei Arte. Der Name Wolfgang Petersen ist dabei sicher auch nicht ganz unwichtig.