Nachteule80 schrieb:
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> Also, ich will mal so sagen, ich halte es nicht
> für möglich, Emotionen auf Kommando an- und
> abzuschalten. Ich kann nicht einfach sagen: "So,
> jetzt werde ich mal wütend!" Oder traurig oder
> fröhlich oder sonstwas. Gefühle kommen doch
> immer ungefragt, die kommen einfach hoch.

An- und abschalten kann man Gefühle sicherlich nicht, aber mit Training und festem Willen können es die meisten Menschen schaffen, sie zu kontrollieren, was ich insbesondere bei negativen Emotionen wie Wut für sehr relevant halte. Anstatt empfundene Wut an seinen Mitmenschen auszulassen oder in zerstörerisches Handeln umzusetzen, gibt es auch andere Möglichkeiten, sich abzureagieren.


> Und umgekehrt weiß man, dass bestimmte äußere
> Reize bestimmte Gefühle auslösen werden, auch,
> wenn ich das nicht will. Wenn ich irgendwo ein
> trauriges Erlebnis hatte, werde ich den Ort in
> Zukunft meiden, weil ich weiß, sobald ich da
> hingehe, kommt das traurige Gefühl wieder hoch.

Demnach scheint es so zu sein, dass es durchaus Regeln gibt, die definieren, ob ein bestimmtes Gefühl spontan bei einem hochkommt oder nicht. Da dies aber offenbar von den jeweiligen persönlichen Lebenserfahrungen abhängig ist und jeder Mensch eine ganz individuelle Biografie hat, kann man diese Regeln höchstens pro Individuum beschreiben, nicht aber für eine größere Gemeinschaft.

Dennoch erlebe ich es so, dass es Situationen gibt, in denen nahezu alle Menschen in meinem Umfeld wie von einem kollektiven emotionalen Klima erfasst, quasi "angesteckt" werden, nur ich eigenartigerweise nicht. Es muss etwas mit diesen automatischen, unbewussten Prozessen zu tun haben, die bei mir lt. Asperger-Diagnostik nicht in dieser Intensität stattfinden. Anders kann ich es mir nicht erklären. Ich habe dann auch selbst eine Vorstellung davon, was kollektiv gefühlt wird, kann es also "erkennen", aber eben selbst nicht in der Situation "nachfühlen". Mein persönliches Empfinden verhält sich gegenüber dem kollektiven Empfinden in solchen Situationen gewissermaßen konträr bzw. ich erlebe mich dann wie eine Art emotionalen Gegenpol.

Wenn beispielsweise alle um mich herum ausgelassen sind und fröhlich herumalbern, dann reißt mich diese Stimmung nicht wirklich mit, sondern macht mich eher traurig, weil ich diese Fröhlichkeit selbst nicht spüren und daher nicht mitlachen kann. Ich habe aber auch schon Situationen erlebt, in denen alle um mich herum wie in eine Art Schockstarre verfallen sind, völlig demotiviert wirkten, was mich dann dazu veranlasste, meine Introvertiertheit zu überwinden und selbstbewusst ermutigende Dinge zu sagen, die ich normalerweise nicht sagen würde. Denn eher war es in der jüngsten Vergangenheit so, dass ich an mir gezweifelt habe und von den Menschen um mich herum ermutigt werden musste, an mich und an meine Fähigkeiten zu glauben.

Ich beziehe mich hier ausdrücklich auf Situationen, die sich auf die Anwesenheit von einer höheren Anzahl von Menschen (mindestens 10, eher deutlich mehr) beziehen. In Gesprächen mit wenigen Menschen ist das nicht unbedingt so. Da kann auch ich durchaus von den Emotionen einer einzelnen Person "angesteckt" werden. Mit kollektiven Emotionen funktioniert das aber scheinbar im realen Alltag bei mir nicht.



> Bei dir klingt es nach Kontrollverlust und
> nach einem Ausmaß, dass man damit überfordert
> wäre und nicht damit rechnet, so als ob man einen
> plötzlichen Schlaganfall hätte und einem auf
> einmal die Gliedmaßen nicht mehr gehorchen.
> Ein Nicht-Autist muss aber immer damit rechnen,
> dass bestimmte Situationen irgendwelche Gefühle
> auslösen, das ist man aber von kleinauf gewöhnt
> und fühlt sich davon nicht beängstigt.

Es ist tatsächlich so, dass ich im realen Alltag die oben beschriebenen Situationen deutlich öfter erlebe als noch vor einigen Jahren, also immer häufiger den Eindruck habe, dass Menschen, denen ich begegne, die Kontrolle über ihre eigenen Emotionen verlieren, es selbst aber nicht so wahrnehmen bzw. erst im Nachhinein. Ich fühle quasi dann, dass alle etwas anderes fühlen als das, was ich fühle. Besonders angenehm ist das nicht, aber ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt und fühle mich dadurch ebenfalls nicht beängstigt.