Wikki schrieb:
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> Ich finde es unverschämt, Menschen zum Verzeihen
> zu drängen.

Es ist im Grunde auch schon ein Widerspruch in sich, jemanden zum Verzeihen aufzufordern, also quasi zu sagen: "Du musst dieser und jener Person verzeihen." Ein rein verbal geäußertes Verzeihen, das nur unter solchen Umständen zustande kommt, also gewissermaßen erzwungen wird, ist kein echtes (authentisches) Verzeihen und somit ziemlich wertlos. Echtes Verzeihen geht nur über eine emotionale Perspektivenübernahme. Diese lässt sich jedoch nicht erzwingen. (Das Gleiche gilt übrigens auch für Entschuldigungen.)


> Als die beste Hilfe dabei, mit sich ins Reine zu kommen,
> wurde empfohlen, die Beweggründe des Anderen zu
> den erforschen und dabei festzustellen, dass z.b.
> der Vergewaltiger selbst in seiner Kindheit
> vergewaltigt wurde.

Im Prinzip finde ich es nicht verkehrt, die Beweggründe eines Täters zu erforschen. Aber das sollten besser außenstehende Personen tun. Gerade Vergewaltigung ist wirklich ein hartes Thema. Wenn jemand Opfer einer Vergewaltigung wurde, dann ist es schon eine ziemliche Zumutung, dem Opfer zu sagen, es möge doch bitte versuchen, die Beweggründe des Täters nachzuvollziehen. Dadurch wird sich das Opfer eher noch mehr traumatisiert fühlen, als es ohnehin schon der Fall ist.

Glücklicherweise war ich nie ein Opfer von solch extremer körperlicher Gewalt. Aber wie ich hier in anderen Beiträgen bereits ausgeführt habe, habe ich in der Schulzeit durch das Mobbing viel psychische Gewalt erfahren. Da ich sehr sensibel bin, hat mich das wahrscheinlich auch deutlich mehr belastet, als es bei anderen Menschen der Fall gewesen wäre. Einer meiner Lehrer hat damals sogar die Auffassung vertreten, ich solle doch mal die Beweggründe der Mobbenden nachvollziehen. Mein braves, angepasstes Verhalten würde das Mobbing doch geradezu provozieren. Das war für mich sehr schlimm, denn es zeigte mir, dass von mir ein Verhalten erwartet wurde, das absolut nicht meiner Natur entsprach, obwohl ich doch niemandem etwas getan hatte. Es war quasi die bloße Existenz meiner Persönlichkeit, die andere störte. Das konnte ich damals kaum fassen. Gerade weil mir solche Gedanken kamen, habe ich das Mobbing als besonders verletzend wahrgenommen und war daher auch noch für viele Jahre fremden Menschen gegenüber sehr misstrauisch.

Dass ich heute dazu in der Lage bin, auch die Perspektive der Mobbenden zu übernehmen und ihnen verzeihen zu können, habe ich dem weiteren Verlauf meiner Biografie zu verdanken. Erst indem ich selbst die Erfahrung machte, dass Menschen, denen ich aufgrund bestimmter Äußerungen sehr misstraute (bzw. befürchtete, dass sie mich mobben wollten), im Grunde ihres Herzens doch nicht so waren, wie ich anfangs dachte, verstand bzw. fühlte ich nach und nach, was damals in den Mobbenden vor sich gegangen sein muss.