Mich überrascht halt, dass die Leute das allgemein nicht stärker ausdifferenzieren.
Mir geht es dabei auch nicht um irgendwelche politischen Überzeugungen und Affinitäten zu irgendwelchen Parteien. Ich sehe mich zwar im rechts-konservativen Umfeld der CDU/CSU nicht gerade repräsentiert, würde bei einem Mitglied einer anderen Partei aber die gleichen moralischen Maßstäbe ansetzen. CDU/CSU und FDP sind nun einmal jetzt in der Regierungsverantwortung.
Dass man in der Fragestunde des Bundestages kürzlich auch von vielen Politikern anderer Parteien ähnlich undifferenzierte Vorwürfe hören konnte, nur um das eigene Profil deutlich zu machen, war dabei sicherlich auch nicht die beste Art und Weise. Das diente leider wieder viel zu oft der eigenen Differenzierung und war zu wenig sachlich. Das muss man der Opposition vorwerfen, die in dieser Hinsicht ein schlechtes Bild abgegeben hat.
Für mich hat jedenfalls ein Mensch, der so agiert wie Guttenberg, in Regierungsverantwortung nichts zu suchen. Ich würde Jedem eingestehen, dass er irgendwelche Jugendsünden begeht, sich bessert und gewisse Standpunkte für sich neu überdenkt. Hier haben wir es wohl jedoch mit einer Person zu tun, die Zeit ihres Lebens immer den krummen und bequemen Weg gegangen ist. Dabei würde ich vielen Politikern, der sich bis in die Spitze durchgeboxt haben, mehr oder weniger stark ausgeprägte machiavellistische Züge unterstellen, weil die Parteistrukturen solche Charaktere begünstigt. Das ist eine Haltung, die man keinem Politiker durchgehen lassen sollte.
Politiker haben in ihrer exponierten Position in der Gesellschaft immer noch eine Vorbildfunktion, auch wenn man daran schon fast nicht mehr glauben kann. Gerade in einem politischen System wie unserem, mit wenig direkter Beteiligung, halte ich solche Ideale wie Glaubwürdigkeit, Moral, Anstand und Integrität im Handeln für umso wichtiger. Ich halte es für ein Kernproblem in unserer Demokratie, dass man es Politikern nicht mehr zutraut, diese Ideale überhaupt noch ansatzweise zu verkörpern, und zwar parteiübergreifend.
Auch deshalb stehen die Ereignisse um Guttenberg für viel mehr als nur für seine Person und das politische Amt, das er bekleidet. Die Frage, ob er als Minister noch tragbar ist, steht für mich also für viel mehr als nur die unmittelbaren Auswirkungen um Amt und Person, sondern betreffen für mich viel fundamentaler unser Demokratieverständnis.
Ich finde es merkwürdig, dass sich die Diskussion nicht viel stärker in diese Richtung entwickelt, weil dieses Kernproblem ja eigentlich schon seit Jahren beklagt wird. Diejenigen, die ohnehin schon resigniert haben, gehen gar nicht mehr wählen, aber es wird doch noch ein paar Leuten mehr ein Dorn im Auge sein.