Man muss die ganze Angelegenheit sicherlich noch differenzierter betrachten.
Es scheint ja jetzt zumindest hinreichend bewiesen zu sein, dass der Doktortitel nicht rechtmäßig erworben war. Deshalb hat er auch den Titel recht zügig aberkannt bekommen.
Das war aber immer noch nicht die Bestrafung. Die wird jetzt noch über das Rechtssystem folgen, wobei man ihm da erst noch beweisen muss, dass er mit Vorsatz gehandelt hat, also bewusst und willentlich die Quellen verschwieg. Angesichts der erdrückenden Beweislage, mehr als 70% der Gesamtseitenzahl ist offenbar 'abgeschrieben', könnte es vielleicht sogar zu so einem Urteil kommen.
Auch wenn der Doktortitel ein Auswahlkriterium bei der Besetzung von Jobs sein mag, befähigt er zu gar nichts. Wenn er sich ein Staatsexamen oder andere Prüfungen unrechtmäßig erschlichen hätte, dann wäre das was anderes. Man kann das als nicht vergleichen mit den Fällen, in denen sich Postboten als Ärzte ausgegeben hatten. Als Rechtsanwalt hat er sich auch nie ausgegeben.
Die Aberkennung mag vielleicht wie eine Abstrafung daherkommen, ist aber noch längst nicht die rechtliche Konsequenz, die sich daraus ergeben kann, auch wenn eine gewisse Rufschädigung damit verbunden ist.
Darüber hinaus ergibt sich die moralisch-ethische Bewertung der Vorkommnisse und seiner Person. Immerhin warb da Jemand um die Gunst der Bürger mit einem besonders hohen Anspruch an Moral, der sich quasi als Leitbild für die Gesellschaft inszenierte, was auch nach einer Bewertung nach ähnlichen Maßstäben geradezu schreit.
Nach meiner Meinung macht diese Verquickung der beiden Ebenen die Diskussion auch so merkwürdig angespannt. Gegner wie Befürworter Guttenbergs vermischen das ständig, auch im Bundestag konnte man das sehen.
Wo die strafrechtlichen Konsequenzen seines Handelns im konkreten Fall noch relativ eindeutig zu bewerten sind, ist das bei den moralischen Ansprüchen an seine Person schon etwas schwieriger und verlangt nach einer persönlichen Einschätzung, die naturgemäß nur weitaus subjektiver sein kann.
Meiner Meinung nach hat die Angelegenheit um den Doktortitel jedenfalls System und passt in Guttenbergs 'Strickmuster'.
Bereits zu Beginn seiner Tätigkeit als Wirtschaftsminister wurde er nicht müde immer wieder herauszukehren, was für ein feiner Kerl mit viel Kompetenz er sei. Tenor war ja, dass er aus der freien Wirtschaft käme und so für den Job geradezu prädestiniert sei. Das hatte sich schon damals als Luftnummer erwiesen, weil er entweder im Vorstand einer Firma war, in der seine Familie schwer involviert ist und sich der Tätigkeit kaum gewidmet hatte. In einem anderen Fall war es ein Drei-Personen-Betrieb, dessen einzige Funktion die Verwaltung des eigenen Vermögens war.
Wer mit solchen Tätigkeiten seine besondere Kompetenz fürs Amt heraus kehrt, ist in meinen Augen ein ziemlicher Blender.
In das gleiche Strickmuster passt eben auch die Situation um den Doktortitel.
Klappern mag ja seit jeher zum Handwerk in der Politik gehören. Jetzt hat es eben einen Politiker erwischt, der dieses 'mehr Scheinen als Sein'-Prinzip halt zu sehr strapaziert hat.
Da ich selbst in den 70ern geboren bin, maße ich mir an, das auf die ganze Generation zu beziehen, die im Prinzip sehr oft gelernt hat, dass sich immer Diejenigen durchsetzen, die 'Vitamin B' haben, am meisten blenden und die eigentliche Qualifikation fast schon in dem Hintergrund rückt.
Guttenbergs 'Blenderdasein' ist also gar nicht so ungewöhnlich. Das macht die Vorgehensweise leider nicht legitimer oder moralisch weniger bedenklich, wohl aber gewöhnlicher.
Trotzdem möchte ich Menschen mit solchen Handlungsmustern und Denkweisen nicht in einem so hohen und verantwortungsvollem Amt wissen wie dem eines Ministers, weil ich die moralischen Ansprüche, die ich an mich Selbst stelle, in einer Person wie Guttenberg nicht verwirklicht sehe. Daraus ergibt sich für mich, dass die Leute, die in weiter im Amt behalten wollen, sich entweder gar nicht bewusst sind, was da überhaupt vor sich geht, oder aber eine solche Art von 'Blendertum' und Vorgehensweise, in der der Zweck jedes Mittel heiligt, noch befürworten. Da weiß ich echt nicht, was bedenklicher sein soll.