kleinbibo schrieb:
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> Thinkerbelle schrieb:
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> > mündlichen Deutschprüfung, in der ich
> > hochdeutsch sprechen sollte.)
>
> Dialekt, so etwas kennen wir hier in Ostwestfalen
> gar nicht, so dass ich mir gar nicht vorstellen
> kann, wie es ist, wenn man sich da umstellen muss.
> Lernt man dann schon als Kind hochdeutsch mit? Und
> wie ist das mit dem Fernsehgucken: glaubt man
> dann, die sprechen eine andere Sprache oder
> versteht man es dennoch?
Als Kind habe ich es verstanden, aber konnte es nicht sprechen. Es hört sich für mich auch nach wie vor formell an.
In der Schule lernten wir dann natürlich deutsch mit den hochdeutschen Grammatikregeln. Und auch schreiben lernten wir nur hochdeutsch - deswegen hieß das bei uns auch "Schriftdeutsch", weil wir es eben nur schrieben. In der ersten Klasse erfuhr ich dann auch, dass es "die Butter" und nicht "der Butter" heißt und "wir" und nicht "mir". Das war mir vorher nie klar, obwohl ich schon leidlich lesen und schreiben konnte als ich in die Schule kam.
Im Gymnasium wurden wir dann zwar öfter mal aufgefordert hochdeutsch zu sprechen, was wir dann höchstens 1 Satz lang taten, bis wir wieder in den Dialekt zurück fielen. Und im Landschulheim haben wir dann für die hochdeutsch sprechenden Mitschüler einen Badisch-Kurs gemacht. Von wegen Integration und so. ;-)
Ne Freundin von mir hatte ne sächsisch sprechende Mutter und einen badisch sprechenden Vater. Wenn ich sie besuchte sprach sie mit mir und ihrem Vater badisch und mit der Mutter sächsisch, und in der Schule sprach sie auch badisch, weil das die meisten taten.
Ich kam mir sehr lange ziemlich blöd vor, wenn ich hochdeutsch sprechen sollte. Das war für mich als würde ich jemanden nachäffen. Du kannst ja mal versuchen bayerisch oder sächsisch zu sprechen, das fühlt sich für dich wahrscheinlich ähnlich an.
Den Dreh raus kriegte ich komischerweise erst nachdem ich einige Jahre in England gelebt hatte und da auch Pronunciation Kurse hatte. Da lernte ich u.a. wie Engländer die Stimme heben und senken beim Sprechen - was da viel stärker getan wird als im Deutschen. Und das hab ich mir eher musikalisch als Sprachmelodie eingeprägt als als Sprache, weil man manche Dinge da einfach in ner anderen Tonlage sprach. Und da ich ja auch Gesangsunterricht gehabt hatte hab ich mir das eher wie einen Gesang erarbeitet, zusammen mit der Aussprache. Als ich nach meiner Englandzeit einige Monate in Essen lebte hab ich es da mit dem Hochdeutschen genauso versucht - als wäre das hochdeutsch sprechen ein Gesang, der einer Sprachmelodie folgt. Und das klappte, da kam ich mir dann auch nicht mehr blöd mit vor. Da "sang" ich dann einfach eine andere Sprachmelodie. Und das war dann auch auf Anhieb ohne Dialektfärbung, das hat mir sogar ein professioneller Sprachtrainer bestätigt, bei dem ich mal einen Rhetorikkurs hatte, und der normalerweise bei jedem aus der Sprache heraushören konnte wo er herkam, nur bei mir nicht. :-))
Inzwischen wohne ich seit 17 Jahren nicht mehr in Baden, und in meinem Umfeld wird fast nur hochdeutsch und englisch gesprochen. Seit meine Eltern gestorben sind komme ich auch nur noch selten ins Badische. Daher spreche ich heutzutage fast nur noch hochdeutsch wenn ich deutsch spreche. Aber wenn mich jemand aus meiner alten Heimat anruft, dann kann ich sofort wieder ins Badische umschalten.
Da ich badisch nur sprechen aber nie schreiben gelernt habe finde ich Bücher im Dialekt, auch wenn es mein eigener ist, ziemlich schwierig zu lesen, oder zumindest gewöhnungsbedürftig. Bevor ich hochdeutsch sprechen konnte waren geschriebenes und gesprochenes Deutsch für mich ziemlich unterschiedlich.