Eine interessante Diskussion, die zeigt, wie schwierig das Thema ist.

Wie viele Deutsche, habe auch ich als Kind die Vergangenheit als etwas unheimlich erlebt.
Und als ich die Türe zum Gespensterzimmer aufmachte, konnte ich den Horror buchstäblich sehen.

Ja, spät habe ich erfahren, dass mein deutscher Großonkel im KZ war und anschließend die schlimmsten Massenmorde an der Ostfront miterleben musste.

Ja, ich denke an diesen stolzen politischen Mann und seine wunderbare Frau und frage mich, wie sie das alles später verarbeiten konnten.

Ja, mein Opa hat in einem "jüdischen Betrieb" seine Lehre gemacht und daher hat meine deutsche Familie die perverse Politik der Nazis anders erlebt und verarbeitet, als andere denen es offenbar egal war.

Ja, diese Chefin meines Opas konnte ihre Kinder 1935/36 nach "Überseh" retten, Sie selber wurde im hohen Alter von Amsterdam nach Auschwitz deportiert und starb vermutlich schon "auf dem Transport" dorthin.

Was fühle ich, wenn ich Fotos dieser Frau sehe, die in einem eleganten Spitzenkleid und schicker Hochsteckfrisur im Jahre 1912 vor ihrem Ladenlokal steht und mich anlächelt?

Was denke ich, wenn ich mir bewusst mache, dass ihre heute wertvollen Grundstücke in meiner Heimatstadt, den Nachfahren der Familein gehören, die durch ihre Vernichtung reich wurden und nie die "Stunde Null" erleben mussten, wie andere Deutsche die durch Vertreibung und Vergeltung die Hölle erlebten?

Daher kann ich verschiedene Emotionen gut verstehen.

Was mich sehr bedrückte war der Fall: Lenie Riefenstahl.

Dieser Frau war die grausame Politik der Nazis. meiner Meinung nach egal, sie war machtorientiert und dominant.
Sie war in der Nazizeit sehr wohlhabend und hatte paradiesische Arbeitsbedingungen bei der UFA, weil sie zum engsten Kreis von Hitler und Goebels gehörte.
Im Ausland wurde dieser Zusammenhang, auch später, häufig ignoriert.

Sie konnte, und hat Kollegen sehr geschadet und akzeptierte das System, so wie es war.
Es gab nur zwei Themen, bei denen sie Emotionen zeigte, wie ich glaube, wenn man ihre schlechten Arbeiten aus den 30iger Jahren ansprach und wenn, man das Kunstverständnis von Adolf Hitler erwähnte.

Als moderne, kultivierte Frau der 20iger Jahre, war sie absolut entsetzt über die kitschigen Heimatbilder und bombastischen Übermenschen, die ihr da plötzlich als höchstes deutsches Kulturgut verkauftt werden sollten, da konnte sie das Regime nicht mehr akzeptieren und nachvollziehen.
Andere, sehr negative Aspekte dieses Staates waren ihr vermutlich eher nicht so wichtig.

Die Sendung, "Je später der Abend" mit Hansjürgen Rosenbauer vom 30. Oktober 1976 ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich diese Profiteurin des NS- Regimes später als Opfer darstellte.

Die arme Frau Riefenstahl, die so gebüßt hatte und so unwissend war, sie war doch wie alle Deutschen, naiv, gutgläubig.
Sie schaffte es so leicht durch ihren unbestrittenen Charme, teile des Publikums auf ihre Seite zu ziehen und die Opferrolle einzunehmen.

Kaum jemand den ich kannte, der in der Nazizeit das Schlimmste erlebt hatte, hat dies später in die Öffentlichkeit getragen. Häufig wurden diese Menschen von ihrer Umwelt verachtet oder zumindest mit Argwohn oder Misstrauen gesehen.
Es waren oft stille Menschen, nachdenkliche, philosophische Persönlichkeiten, die ich noch erleben konnte.

Die Filme aus der Zeit sind teilweise, es wurden in der Nachkriegszeit und später oft nur die besten Produktionen gezeigt, gut gemacht, stecken selber voller Widersprüche und entsprechen, manchmal eben nicht dem Menschenbild, dem Kunstbegriff oder dass was die Nazis der Bevölkerung permanent darlegten und ideologisch einhämerten.

Ich denke dabei aber immer auch an die hervorragenden deutschen Journalisten, Jazzmusiker, Fotographen, Techniker, Designer, Literaten und Filmleute, (weibliche, wie männliche), die heute niemand mehr kennt, teilweise ein schreckliches Lebensschicksal hatten und die in ihren Bereichen vor 1933 zur Weltspitze gehörten.

Was wurde damals alles zerstört!

Das zeigt, wie schwierig das Thema wird, wenn man es global betrachtet, quasi einen sehr philosophischen Aspekt bekommt.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 04.11.13 01:42.