|
Re: Nach Proteststurm: BR verzichtet auf Ramadan-Logo
Die christlichen Kirchen legitimieren zwar heute keine König anderen Hochadel "von Gottes Gnaden" mehr, aber sie üben dennoch weiterhin ihren Einfluss aus und haben politische Macht.
In der jetzigen Bundesregierung sitzt keiner, der nicht kirchlich involviert wäre oder in irgendeiner Form ein Bekenntnis zur Religion öffentlich formuliert hätte. Das Christentum als politischer Akteur mag in unseren Breiten zahnlos wirken, agiert aber immer noch im Hintergrund. Die gegenwärtige Diskussion um die Sterbehilfe zeigt das deutlich auf. Tatsächlich dürften sich die wenigsten Christen aufschwingen und eine Theokratie einführen wollen, mit der Bibel als maßgeblichem Gesetzbuch. Dennoch ist Aufklärung auch in Deutschland kein Selbstläufer, es gibt immer Bereiche, in denen die organisierte Religion die Grundwerte unterhöhlt oder die Menschen in eine der Kirche genehmere Richtung bringen will. Dass das nicht mit dem Schwert, Chefinquisitoren oder Kreuzrittern durchgesetzt wird, ist natürlich eine Weiterentwicklung, aber das heißt noch nicht, das das Thema durch wäre. Das lässt sich zwar mit den Ausmaßen in den USA kaum vergleichen, aber auch in Deutschland gibt es eine religiöse Rechte, bekommen Kreationisten, Evangelikale und wörtlich bibeltreue Gruppen Zulauf - auch wenn das angesichts der Zahl der Austritte aus den zwei etablierten Großkirchen auf vergleichsweise geringem Niveau geschieht. Die sind schon längst da, und sie sind sich in einem kreationistischen Weltbild und der wortwörtlichen Auslegung der jeweiligen Schriften doch mit einem signifikanten Teil der Muslime doch ziemlich einig. Dass nur in den USA "I didn't come from no monkey!" für eine legitime Aussage hält, ist so nicht haltbar, wenn man weiß, dass sich mittlerweile schon Biologieprofs an deutschen Unis damit auseinandersetzen müssen, weil ein Teil der Studenten das für bare Münze hält. Im Gegensatz zu den Juden besteht bei den Christen und Moslems in der Tat ein gewaltiger Unterschied - der Glauben darf nicht für sich behalten werden, er muss propagiert und verbreitet werden. Der Missionierungsgedanke ist tief in beiden Religionen verankert. Allein dies birgt schon gewaltiges Konfliktpotenzial in sich, wenn sich jeder im Besitz der einzigen, echten Wahrheit wähnt. Die Christen nennen es Mission, bei den Moslems ist es die "Einladung" oder der "Ruf", wobei man die Freundlichkeit der Einladung vorsichtig ausgedrückt halt auch immer an dem unausgesprochenen "oder sonst" messen sollte, was dann auch mal unter den Teppich fällt. Bei dem was Christen, aber vor allem Muslime glauben, denen man das Etikett gemäßigt anheftet, bin ich mir nicht so sicher, ob man da immer von "zahnlos" ausgehen kann. Angesichts der religiösen Quellen begrüße ich jede Rosinenpickerei, mit der der ganze Horror der Religionen keine Relevanz mehr bekommt. So gesehen sehe ich beide Religionen mehr als Raubtier mit inaktiven Raubtiergenen an, die jederzeit wieder aktiviert werden könnten, was ich bei "Gemäßigten" für das eigentliche Problem halt. Sich eine ähnliche Entwicklung, wie man sie vom Christentum kennt, mit der Reformation und allem Drum und Dran, sollte man sich für den Islam besser auch nicht wünschen. Wo die Reformation stattfinden soll, muss es auch Reformatoren geben, und die gibt es faktisch im Islam jetzt schon. Tatsächlich erfüllen die Salafisten so ziemlich jedes Kriterium, um Parallelen zwischen Luthers "Soli" und den Salafisten ausmachen zu können, und da ist die antisemitische Grundhaltung noch ausgeklammert. Statt "Solus Christus" beruft man sich zwar alleinig auf Mohammed als letzten Propheten, aber ansonsten heißt es auch bei denen "sola gratia", "sola fide" und "sola scriptura". Der Unterschied besteht bestenfalls darin, dass man sich auch auf die überlieferten Aussagen über den Propheten beruft. Ansonsten ist das vollkommen kompatibel. Auch in der christlichen Reformation gab es Strömungen, die einen Gottesstaat unter ihren Vorzeichen errichten wollten, und die waren dabei auch alles andere als zimperlich. Hier tun sich dann die Parallelen zum IS auf. Da sollte man vorsichtig sein mit dem, was man sich wünscht. "Tiefgläubig" oder einfach nur "gläubig" - da finde ich auch die Unterscheidung schon absurd. Für wichtig halte ich einzig, dass sich Religion dem Grundgesetz und der Rechtsprechung als Regulativ klar unterordnet und keine eigenen Regeln und Gesetze schaffen will, die dem übergeordnet sein, womöglich Anderen übergestülpt werden sollen. Bei den Christen bleibt es da glücklicherweise nur bei der Behauptung, dass die Zehn Gebote das Grundgesetz in irgendeiner Form beeinflusst haben soll. Wer den Wortlaut einmal liest, wird das anders bewerten. Im Islam ist der Koran als Grundlage jedoch viel stärker Regelwerk, als religiöse Erbauungsliteratur mit Gleichnissen. Da gibt es in viel stärkerem Maße konkrete Anweisungen Unterschiede zu machen, zwischen Mann und Frau, Gläubigen, Ungläubigen, Andersgläubigen, wo die Menschenrechte etwas anders gestrickt. Zudem wird das nicht einfach nur als "göttlich inspiriert" verstanden, sondern als wortwörtlich und unverfälscht dem Propheten übermittelt. Brisant wird dadurch, dass das deutlich viel mehr Gläubige auch wirklich so glauben - auch unter denjenigen, die vielleicht als "gemäßigt gelten" oder sich als gemäßigt selbst bezeichnen würden. Im Endeffekt reicht das für mein Empfinden sogar so weit, dass ich behaupten würde, dass es zu viele "Gemäßigte" gibt, bei denen der Unterschied zu den Radikalen, Fundamentalisten und Djihadisten nur so weit besteht, dass man in sich nicht den Impetus verspürt, den ganzen "Ungläubigen" bei ihrem Weg in die Hölle nicht schon im Diesseits auf die Sprünge zu helfen. Das ist für mich die eigentliche Crux, und vor einem Rückfall in archaischere Zeiten halte ich keine der Religionen wirklich gewappnet. Ganz sicher nicht den Islam, aber auch nicht das Christentum oder das Judentum. In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
|