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Re: Fernsehgewohnheiten 70er Jahre
Ich kann mich noch an die zwei wohl scheußlichsten Fernsehreihen erinnern, die ich immer mit anschauen musste, weil mein Dad das unbedingt sehen wollte und sich weigerte, auf was anderes umzuschalten. Und den Moment, wo er dann endlich umschalten ließ (machte er nie selber. Andere Kinder mussten Bier aus dem Keller holen. Ich musste umschalten...), wollte ich ja auch nicht verpassen... Also, das waren: DER FESTERGUCKER - eine Reihe über Kirchen, Glocken und Bauwerke im Gotischen Stil und anderen Stilrichtungen, handgeschnitzte Altäre, Deckenmalereien und sowas alles. Furchtbar öde und langweilig, aber mein Dad war halt ein Fan - und wenn er schon die Sportschau nicht sehen durfte, sollte er eben den Fenstergucker schauen. Meine vielleicht meit gehasste Sendung, obwohl ich heute vielleicht nicht mehr ganz so hasserfüllt darüber denken würde, war BAYRISCHES BILDER- UND NOTENBÜCHEL Das lief im Vier-Wochen-Turnus samstag nachmittags in der ARD. Ogottogottogott...da saß dann immer ein lederbehoster und kniebestrumpfter Laberhannes in irgendeiner bajuwarischen Baunerstuben rum und interviewte die anwesenden Familienmitglieder, fragte sie ausschließlich Dinge, die ja so gar nicht nicht interessierten ("Ja, und wennst du donn am Morrgen im Stoi bist, muasst dann bestimmt de Latern ansteckn, oda? Sunst sixt jo nix... Und singst donn gwiss a a Liedl beim Melken, oda? Damit sich de Kia frein..." Das waren dann immer solche Fragen, die getreulich und mit treudoofem Nicken mit "Ja" oder, wenn's ganz Dicke kam, mit "Jo mei..." beantwortet wurden. Daraufhin holte sich der Moderatorenseppel immer noch den Jüngsten aus der Familienrunde vor die Kamera, der geflissentlich zeigen durfte...äh...Zitat: "Jo, des is der Michl. Und der Michl zeigt uns jetz, wia ma eine Saitn auf die Gitarre spannt. Setz di nieda, Michl. Zeigst uns des Michl? Gell, des zeigst uns?" - Worauf Michel, meist etwas schüchtern: "Ja, freili, dös zeig i eich jetza..." Oma und Opa durften erzählen, wie das "früher" so war, wobei der Fernsehfritze mit stetig eingeworfenen Stichwörtern verhinderte, dass sie was vergaßen. Man war eben immer schon gut vorbereitet beim Bayrischen Rundfunk - auch in der guten, alten Fernsehzeit, als die Welt noch in Ordnung war, die Burschen schneidig, die Madeln sittsam... (ach so, das ist ja ne andere Serie). Den Abschluss und Höhepunkt (da hatte ich mir meist schon die Fingerkuppen blutig gebissen vor Verzweiflung oder lag mit irgendeinem Kissen über dem Kopf auf der Couch um nur ja ab und an darunter hervorzublinzeln, ob der Schmarrn nicht bald ein Ende hätte oder wenigstens die Saite von der Gitarre wieder abspringen würde) bildete dann das allgemeine Singen. Wer's noch nicht wusste: Alle bajuwarischen Bauernfamilien sind nämlich begnadete Sänger - der Karl Moik wäre mit Talenten nur so überschüttet worden. "Ja, des war's auch schon im bayrischen Bilder- und Notenbüchel, liebe Leut", kündigte der Moderator die erlösenden letzten Minuten an, "oba bevor mir uns jetza verabschiedn miasn (Schluchz), singt uns die Familie Biermosenleitner noch ein Schnadahipfal vom Diandl, des drunt am Marterl wart'..." Ja, und dann begannen die quälendsten Minuten dieser ganzen Sendung, denn das Katzengejammer war wirklich kaum zu ertragen. Oh je, allein bei der Erinnerung daran läufts mir eiskalt den Rücken runter... Aber danach, oh Jubel, war's nimmer lang hin bis zur 18 Uhr Serie im ZDF. Da ging dann wieder die Post ab. Immer wieder erstaunlich, welche Opfer der fernsehsüchtige Mensch zu bringen bereit ist, wenn es um "seine" Serie geht - selbst wenn es heißt, sich regelmäßig das "Bayrische Bilder- und Notenbüchel" anzuschauen... Der Lonewolf Pete In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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