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Re: Was ist ein "Sitzkellner"?
Zunächst lasst mich gestehen... auch ich habe trotz langem Recherchierens keine Antwort gefunden. Doch lest selbst (es ist etwas Zeit erforderlich):
Bei meiner (Google-)Suche nach dem Begriffe "Sitzkellner" stieß ich auf den bekannten Schreiber Franz Stelzhamer, welcher in Nr. 137 des 6.Jahrgangs des "Humoristen" von M.G.Saphir, erschienen am Montag, den 11.Juli 1842, in "Das Frühstück im Freien" als Schlußkapitel des Beitrag "Federzeichnungen" folgendes formulierte: "Ich frühstücke - besonders an schönen, lauen Frühlingsmorgen und angenehm kühlen Sommertagen - gern im Freien. Komme ich noch früh genug, so habe ich über den Genuß der Morgenpracht noch meine Unterhaltung mit den verliebten Paaren gemeinerer Klasse, die in Ermangelung eines besseren Aequivalents - Freundlichkeiten und Kaffee gegen einander aus- und eintauschen, während welcher ergötzlichen Wandelschaft manch Eines nicht vergißt, das Andere mit bedeutsamen Wort und Wink über die Zukunft bald rosenroth zu färben, bald lohgelb zu gärben. Mir fehlt es aber auch nicht an Unterhaltung, wenn ich mich ein wenig verschlafen habe und später komme: statt der verliebten Hausknechte und Küchennymphen, karessirenden Stubenmädchen, und Helden aus der Barbierstube, statt flattirender Sitzkellner und zimperlicher Vorstadtschönheiten, treff ich dann nicht selten interessante Fremde, redselige Franzosen voll Lebendigkeit, eingesteifte, melancholisch-schweigsame Engländer, wohlbestallte Landbeamte, welche sich nach dem Frühmahle ihrer leidenreichen Jugend erinnern, die sie hier als Bettelstudenten in Noth und Elend vervegetirt haben.[...]" (Interpunktion und Rechtschreibung original) Der Autor sieht also die "Sitzkellner" (welche er mit dem Attribut "flattirend" versieht) zugehörig zu anderen Individuen "gemeinerer Klasse". Um sicherzugehen wollte ich mich über die Bedeutung des Wortes "flattirend" informieren und fand... nahezu NICHTS! Genauer ein einziges Indiz das die Bedeutung von "flattirend" doch wohl tatsächlich negativer Art ist, nämlich in der Leichenrede für den Ritter Heinrich von Stein zu Niederstotzingen, seines Zeichens herzoglich württembergischer Rath und Oberpfleger der Herrschaft Heidenheim, k. k. Kriegsrath und Oberst sowie des schwäbischen Kreises Generallieutenant, ein äußerst geachteter Mann, welchen Herzog Ludwig von Württemberg nur seinen Vater zu nennen pflegte. Die im Jahre 1605 im Druck erschienene Leichenrede rühmt an ihm: „er war in Worten gravitätisch, in Gebehrden ernstlich, im Werk heroisch, in keinem Weg weder scurrilisch noch flattirend, er konnte nicht fuchsschwänzen. Er hat auch seine Unterthanen nicht geschunden, ausgesaugt oder sie für Weidenbäume gehalten, die man für und für behauen müsse." (Quelle: wikisource.org, Beschreibung des OberamtsHeidenheim/Kapitel B 2 - Rechtschreibung original) Zusammenfassend denke ich bei dem Sitzkellner an eine Art Oberkellner, also einen mit gewisser Verantwortung betrauten Angestellten im gastronomischen Gewerbe. Ich könnte mir vorstellen das - ACHTUNG SPEKULATION! - es in einem Gasthaus zwei Sorten von Kellnern gab: Untergeordnete ungelernte Subjekte welche Speis und Trank an die Tische schleppten und die Bestellungen auf (Kassen)-Zettel vermerkten welche dem Gast beim Abschied ausgehändigt wurden. Diese Rechnungen wurden dann vor dem Verlassen des Wirtshauses beim neben dem Eingang positionierten (?) Sitzkellner beglichen. So brauchte der Spelunken-Inhaber nur einen einzigen vertrauenswürdigen Mitarbeiter da die "Laufkellner" mit der Abrechnung nichts zu tun hatten. Wenn allerdings der Sitzkellner nicht ganz ehrenhaft, also sozusagen "flattierend" war konnte es schon zu Unregelmäßigkeiten kommen: "Der Sitzkellner des Gasthofes „Stockhammer“ in Salzburg, Peter Gramlinger, wird wegen der Erhöhung des Preises für ein Stamperl Schnaps von 20 Groschen auf 20 Pfennige zu einer Strafe von 20 RM verurteilt." (2.7.1938) Dieser Verbrecher (wahrscheinlich Kommunist) hätte nach damaligem offiziellem Umrechnungskurs von 1 Reichsmark = 1.5 Schilling das Stamperl Schnaps mit maximal 13 Pfennigen berechnen dürfen! Den ergaunerten Betrag von 7 Pfennig hat er sich wahrscheinlich selbst eingesteckt. Allerdings war so etwas damals wohl Volkssport in der frisch "heimgekehrten Ostmark" wie die Salzburger Journaille vermeldete: 16.4.1938: Die Obsthändlerin Franziska Härtl aus Salzburg wurde wegen Preistreiberei angezeigt. Sie forderte für ein Kilo Äpfel den Preis von 70 Groschen, hatte diese selbst für 45 Groschen eingekauft. Wegen „Schädigung des Fremdenverkehrs“ wurde sie von der Polizeidirektion abgestraft und gleichzeitig Anzeige wegen Preistreiberei erstattet. 2.6.1938: Leopold Rainer, Inhaber des Gasthofes „Deutscher Hof“ in Salzburg wird zu einer Ordnungsstrafe von 200 RM verurteilt, weil er für ein Frühstück S 2,20 verlangt hat. 4.7.1938: Wilhelm Benecke, Inhaber der Sebastians-Drogerie in Salzburg, Linzergasse 53 wird wegen Preisüberschreitung von 3 Pfennigen für 7 dkg Putzbenzin zu 30 RM Strafe verurteilt. 5.7.1938: Frau Zenta Ebner wird zu 50 RM Strafe verurteilt, weil sie den festgesetzten Höchstpreis für ein Häuptel Kochsalat um 2 Pfennig überschritten hat. Im Wiederholungsfall droht eine Geschäftssperre von unbestimmter Dauer. (Quelle: Die Stadt Salzburg im Jahr 1938 - Zeitungsdokumentation von S. Göllner) Aber es war nicht alles schlecht damals! "Die Salzburger Verkehrspolizei überwacht in einer Schwerpunktaktion die Befolgung der Verkehrsregeln durch Radfahrer. Verkehrssündern wird strafweise der Ventilschlauch entfernt." (17.6.1938) Ich würde mir wünschen das dem Idioten der hier jede zweite Nacht mit seinem Motorrad die 120 Meter bis zur Kreuzung mit Vollgas fährt durch die Polizei die Räder enfernt werden!!! In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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