Deine Bedenken auf ein möglicherweise nur kurzfristiges Interesse an einem reinen Nostalgie-Kanal sind natürlich berechtigt. Bei dem inflationären Angebot des aktuellen Mediendschungels besteht solches Risko wohl permanent. Du hast in Deinem Beitrag ja schon einige treffende Beispiele benannt. Und sicherlich findet jeder nostalgisch Interessierte auch in den Inseln diverser öffentlich rechtlichen Sender etwas für seinen Geschmack. Doch sehr häufig leider nur zu äußerst "unchristlichen Uhrzeiten" weit nach Mitternacht. So z.B. erst vergangene Nacht auf dem RBB eine mehrstündige Originalreportage der damaligen Live-Sendungen zum Kennedy Besuch in West-Berlin anno 1963. Oder gelegentliche Thementage auf 3sat, bei denen es manchmal auch um die frühe TV-Ära geht. Im August letzten Jahres strahlte der Sender zum 40 jährigen Jubiläum der Einführung des Farbfernsehens sinnigerweise einen Thementag mit dem Titel "Visionen in Schwarzweiß" aus. Gezeigt wurden unterschiedlichste Programme der 60er Jahre, von Serie bis Kochsendung. Katrin Bauerfeind machte dazu spitzfindige Anmoderationen, übernahm also die Rolle der guten, alten "Ansagerin".

Doch soetwas sind die ganz großen Ausnahmen. Üblicherweise darf man schon froh sein, wenn sich überhaupt einmal die (Teil)wiederholung einer alten Sendereihe finden läßt, eine Show von einst oder was sich der individuelle Geschmack sonst noch wünscht. Die 3.Programme der ARD fungieren da meist noch als aktuell beste "Fundgrube". Ein allgemeiner Nostalgie-Kanal von ARD und ZDF wäre aber dennoch sehr willkommen, man müßte sich dann nicht erst durch ein Dutzend verschiedener Programme kämpfen, um überhaupt etwas zu finden. Die Sender täuschen sich nach meiner Überzeugung auch ganz gewaltig, wenn sie sich heutzutage nur noch auf Zahlen der Marktforschung verlassen. Solche Erhebungen stehen und fallen schon mit ihrer oftmals subjektiven Fragestellung. Und selbst die hochheiligen Einschaltquoten besagen lediglich, wie viele Geräte auf eine bestimmte Sendung geschaltet waren, nicht ob der Zuschauer sie auch mit Begeisterung gesehen hat.

Ich dachte auch lange Zeit, daß Nostalgie eigentlich nur etwas für so "alte Säcke" wie mich sein könnte, doch allein schon hier im Forum bin ich in diversen Threads so vielen Menschen der jüngeren Generation begegnet, die gleichfalls Freude an den alten Produktionen von einst hatten und sich sogar ebenfalls für deren Erhalt engagierten. Bei dem Launch eines allgemeinen Nostalgie-Kanal käme es aber wohl erheblich darauf an, wie konsequent so ein Format auch umgesetzt wird. Brüllende Trailerorgien - wie heutzutage üblich - oder sonstige Elemente des aktuellen TVs wären da sicherlich völlig unangebracht. Je autenthischer das Erscheinungserbild, je größer die Akzeptanz beim potenziellen Zuschauer. Und weniger ist bekanntlich mehr: Also kein Nonstop 24 Stunden Berieselungsformat mit Endloswiederholungen im Drei-Stunden-Takt, sondern mit regelmäßigem Sendeschluß wie früher.

Man könnte in solches Konzept die alten Tagesschau- oder heute-Sendungen genauso intigrieren wie meinetwegen die alten Werbespots von einst. Ein Nostalgiesender wie er mir vorschwebt, käme praktisch einem lebendigen Museum gleich: Einerseits dokumentiert er durch das identische Format die damalige Zeitgeschichte, auf der anderen Seite erfreut er gleichfalls auch die Zuschauer, deren alleiniges Interesse einfach nur ihrer Lieblingssendung von einst gilt. Allemal ein Kulturauftrag, wie er mit den öffentlich rechtlichen Verträgen vereinbar wäre. Vielleicht drehe ich ja mit meiner Wunschvorstellung auch nur zu sehr am Rad, aber einen Versuch sollten ARD und ZDF zumindest probieren. Wie heißt es heute auf Neudeutsch so schön: No risk, no fun ;-)

Gruß
Stahlnetz

Ein Pessimist ist ein Optimist mit Erfahrung