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TV-Erinnerungen an gute, alte Fernsehzeiten
Serien unserer Kindheit: "Falcon Crest"
geschrieben von: TV Wunschliste, 23.08.18 12:05
Auch in dieser Woche stellt ein TV Wunschliste-Redakteur in unserer Reihe "Serien unserer Kindheit" eine Lieblingsserie vor, die er als Kind verschlungen hat. Ralf Döbele teilt seine Erinnerungen an "Falcon Crest":

Es war Dezember 1991 und meine Soap-Begeisterung machte Winterschlaf. "Der Denver-Clan" war zwei Jahre zuvor mit einem dramatischen Cliffhanger zu Ende gegangen. Zwar liefen Blake, Krystle und Alexis bereits in täglichen Wiederholungen um 9.03 Uhr im ZDF - doch als zehnjähriger Schüler war ich nicht wirklich organisiert genug, um die Folgen jeden Morgen per VHS aufzuzeichnen, geschweige denn 218 Episoden zu archivieren. Das entsprach 55 E-240er Videokassetten! Wer hatte schon derart viel Taschengeld?

Meine sehnlichsten Wünsche nach Wiederholungen von "Denver-Clan" oder der "Colbys" im Nachmittagsprogramm wurden von den Sendern weiterhin ignoriert, als ich im Gong, genauer im Sat.1-Programm des 2. Januar 1992, einen bekannten Namen entdeckte: "Falcon Crest". Ich konnte noch nicht wissen, welchen Quantensprung die Weingut-Saga für mein Verständnis von US-Serien und für mein Leben als Fanboy und Sammler bereithalten würde.

Ich erinnerte mich nicht an viel. Hier und da hatte ich ein paar Minuten der Serie am Sonntagabend im ORF erwischt. Ich wusste, es ging um ein Weingut, die Titelmusik war ganz cool und die Hauptdarstellerin sah recht bösartig aus. Eine gemeine und elegante Frau im Zentrum einer Familien-Saga? Instinktiv wusste ich, das wird was. Schließlich waren Alexis (Joan Collins) und Sable Colby (Stephanie Beacham) auch beim "Denver-Clan" meine absoluten Lieblinge gewesen. Dennoch blieb der große Knall zunächst aus. Ich schaute die erste Folge und sie war okay, brachte mich am nächsten Tag allerdings nicht erneut zum Einschalten.

Düsterer und spannender als andere Soaps

Sechs Wochen vergingen. Ich machte inzwischen auf Sat.1 jeden Donnerstag mit "Rückkehr nach Eden" einen soapigen Abstecher nach Australien. Dort legte Jilly Stewart ihrer Schwester Stephanie Harper als Geschenk schon einmal einen Aligator in den Swimmingpool. Schließlich schaltete ich direkt nach der Schule auch wieder bei "Falcon Crest" ein und was ich sah, war düsterer, schneller und spannender als das, war mir im Januar noch begegnet war. So blieb ich dran.

Falcon Crest
Die Channings und Giobertis in der zweiten "Falcon Crest"-Staffel (Bild: Lorimar)
Angela Channing (Jane Wyman) regierte mit eisener Hand über ihr Weingut, das im 19. Jahrhundert von ihrem Großvater begründet wurde. Nicht minder unerbittlich herrschte sie über ihre Familie: über ihre am Leben verzweifelnde Tochter Julia (Abby Dalton), deren geistig verwirrte Schwester Emma (Margaret Ladd) und ihren Enkel Lance (Lorenzo Lamas). Der Playboy sollte eines Tages das Weingut übernehmen, flitzte aber lieber in seinem roten Ferrari jungen Frauen hinterher.

In jeder Art von Neuankömmling sah Angela eine Bedrohung für Falcon Crest. Allen voran in ihrem Neffen Chase Gioberti (Robert Foxworth), der sein Leben als Airline-Pilot aufgab und gemeinsam mit seiner Frau Maggie (Susan Sullivan) und seinen Kindern Cole (William R. Moses) und Vickie (Jamie Rose) das Erbe seines unter fragwürdigen Umständen verunglückten Vaters antrat. Ein weiterer Gegenspieler war ab der zweiten Staffel der undurchsichtige Richard Channing (David Selby), der uneheliche Sohn von Angelas Ex-Ehemann Douglas, der sich mit aller Gewalt im Tuscany Valley und im Familienleben des Weinguts breitmachte. Richards Vergangenheit im organisierten Verbrechen würde schon bald auch die Channings und Giobertis heimsuchen.

Damals war es nicht anders als heute: Ich denke, letztendlich bin ich "Falcon Crest" wegen den tollen Darstellern und den vielschichtigen Hauptfiguren treu geblieben. Vor allem die willensstarke Angela, die charismatische Maggie und der gewiefte Richard zogen mich in ihren Bann. "Falcon Crest" hatte aber noch viele andere Komponenten zu bieten, die ich auch heute bemerkenswert finde: Eine geniale Mischung aus Realismus und Soap-Welt; atemberaubend schöne Handlungsorte und eine große Anzahl von Außenaufnahmen; herausragende Gaststars von Gina Lollobrigida über Kim Novak bis Ursula Andress; fantastische Musik, egal ob in klassischer Form von Bill Conti und Dana Kaproff oder elektronisch vom späteren "Akte X"-Komponisten Mark Snow; und ein konstanter Drang zur Veränderung. Die Winzer-Saga erfand sich immer wieder neu und das lange Zeit, ohne ihren festen Kern zu verlieren.

Vor allem traute sich "Falcon Crest" etwas! Viele andere zeitgenössische Serien wirkten im direkten Vergleich geradezu statisch. Ein Handlungsort, wie das Gioberti-Haus, das nicht mehr benötigt wurde, sprengten die Produzenten kurzerhand in die Luft. Wichtige Nebenfiguren bissen regelmäßig ins Gras und bei Feuersbrünsten und einem Erdbeben durfte schon einmal das halbe Set in Schutt und Asche gelegt werden. Immer neue Enthüllungen über die Vergangenheit der Giobertis, die zudem (meistens) vollkommen in sich schlüssig waren, brachten mich immer wieder zum Staunen. Ein dramatisches Staffelfinale jagte das nächste.

"Falcon Crest" als Nachhilfestunde

Und so brachte mir "Falcon Crest" im Alter von zehn Jahren bei, was Staffeln eigentlich sind und dass eine US-Serie aus ihnen besteht. Kurz nachdem ich bei Sat.1 zum Stammzuschauer geworden war, fiel es mir zum ersten Mal auf: Eine Episode endete besonders dramatisch, mit einer Schießerei in Angela Channings Villa - man wusste nicht, wer der bewaffneten Julia vor den Lauf gekommen war. Am nächsten Tag erhielt ich nicht nur Antwort darauf, sondern stellte auch fest, dass die Serie plötzlich einen neuen Vorspann und überarbeitete Musik hatte. Ein Monat später noch einmal das Gleiche: ein besonders dramatisches Episoden-Ende, dieses Mal ein hinreißend inszenierter Flugzeugabsturz, und danach wieder ein neuer Vorspann und ein anderes Arrangement des Titelthemas. Mein Verständnis für den Aufbau einer Primetime-Soap und von US-Serien allgemein war fortan verankert.

Ein prägendes Erlebnis: Der neue "Falcon Crest"-Vorspann der dritten Staffel:


Ein weiteres Mal konnte ich meine Theorie dann aber nicht mehr testen, Sat.1 hatte etwas dagegen. Nach der vierten Staffel stellte der Sender die Wiederholungen von "Falcon Crest" abrupt ein - und ich saß auf dem Trockenen. In den nächsten Jahren bekam ich dann zwar meine heißersehnten Nachmittags-Wiederholungen von "Die Colbys" und "Der Denver-Clan", doch Angela und Maggie hatten ein Loch in meinem Herzen hinterlassen, das erst ab November 1994 von Sat.1 wieder gefüllt wurde.

Falcon Crest
Cover Girls der 80er Jahre: die "Falcon Crest"-Stars (Bild: TV Guide / eigener Scan)
Noch einmal wurde die Serie am Nachmittag von vorne gezeigt und dieses Mal ging es auch nach der vierten Staffel weiter. Inzwischen hatte ich durch Magazine wie MovieStar, TeleVision und das alle zwei Wochen erscheinende TV Serien noch mehr über den Aufbau und die Produktion amerikanischer Formate gelernt. TV Serien war meine Bibel, von Fans für Fans gemacht. In mehreren Ausgaben wurden deutsche Fanclubs bekannter Soaps vorgestellt, auch von "Falcon Crest". Auf einem Bild waren Mitglieder des "Knots Landing"-Fanclubs vor einer Regalwand zu sehen, die randvoll mit Videokassetten gefüllt war, allesamt feinsäuberlich ettiketiert.

Richtig etikettieren ist alles

Fortan begann auch ich mit hochtechnologischen Errungenschaften wie Microsoft Paintbrush und Lotus Ami Pro meine eigenen VHS-Labels zu entwerfen. Inzwischen reichte das Taschengeld, um reichlich Videokassetten anzuschaffen und so wanderte natürlich auch "Falcon Crest" relativ vollständig in mein Archiv. Das war gar nicht so leicht: Schulausflüge, oder Familienfeiern stellten für mich stets große Herausforderungen dar, bei denen mitunter die Timer-Programmierung streikte. Vor jedem Urlaub bekniete ich meinen Onkel, mir alles aufzuzeichnen, was ich sonst in Südfrankreich ohne Fernseher verpasst hätte.

So sammelte ich mich recht erfolgreich von Staffel zu Staffel und die Welt von "Falcon Crest" wurde für mich so real und wichtig wie meine eigene Nachbarschaft. Je überraschender und drastischer die Wendungen waren, desto faszninierter war ich. Julia ersteht nach einem Feuerinferno von den Toten auf und gerät in die Gewalt eine eines Neo-Nazis? Spannung pur. Chase ertrinkt und macht den Weg frei für die Liebegeschichte zwischen Richard und Maggie? Wurde auch Zeit. Melissa Agretti (Ana Alicia) verliert den Verstand, schlägt sich als verruchte Sängerin durch und entführt Maggies Baby? Legendär! Richard ist tatsächlich Angela Channings totgeglaubter Sohn? Eine Goldgrube an Story-Potential.

Sieben Staffeln lang funktionierte der Drahtseilakt zwischen Realismus und soapigen Exzessen trotz wechselnder Produzenten hervorragend. Eine gehörige Portion Farbe und Humor verhalf der Serie ab dem sechsten Jahr sogar zu einer regelrechten Frischzellenkur - bis es schließlich doch zum Crash kam. Ein Showrunner-Wechsel ließ die achte Staffel zu einer verstaubten Enttäuschung werden, während ein weiterer Wechsel an der Spitze das neunte Jahr zu einem katastrophalen "Miami Vice"-Imitat machte. Noch heute schildern mir andere TV-Fans ihre eigenen Kämpfe mit Serien und den Moment, an dem sie aufgaben und ausschalteten. Ich aber bleibe dabei: Wenn man einmal die neunte Staffel von "Falcon Crest" überlebt hat, dann kann man im Serienuniversum wirklich alles überstehen.

Nur etikettiert ist gut archiviert (Bild: Ralf Döbele)

Ich habe sie überstanden und die neunte Staffel fand sich genauso in meiner sorgsam etikettierten VHS-Sammlung, wie die anderen Folgen auch. Dennoch waren diese letzten Nachmittage wirklich eine Qual, bis "Falcon Crest" mit einer recht versöhnlichen letzten Folge im Oktober 1995 auf Sat.1 zu Ende ging. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Leere, die ich am Tag nach dem Finale fühlte. Schließlich hatte ich ein Jahr lang mit den Giobertis und Channings gelebt, ein Jahr an meinem VHS-Archiv gearbeitet, ein Jahr lang meine Lieblingsfolgen immer wieder und wieder angeschaut und ein Jahr lang ständig mit meiner Mama über die neuesten Story-Entwicklungen gefachsimpelt - 227 Episoden lang. Ein Gefühl, das sich im Bingewatching-Zeitalter kaum noch einstellen will. Zumindest bei mir.

Die VHS-Sammlung wich nach und nach der DVD-Sammlung und anstatt monatelanger Arbeit genügte nun oft ein Ausflug zu Saturn oder MediaMarkt. Und doch: Ausgerechnet die Serie, die mir beibrachte, wie man Serien ordentlich selbst sammelt, verweigert sich bis heute meinem DVD-Regal. Nur die ersten drei Staffeln sind bislang auf Discs erschienen, die Prognosen für weitere Veröffentlichungen stehen seit Jahren schlecht. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so schlimm. Schließlich gibt es noch ganz andere Dinge, für die der geneigte "Falcon Crest"-Fan sein Geld ausgeben kann. Beispielsweise für einen Besuch auf dem Weingut Spring Mountain im kalifornischen St. Helena. Der Grund dafür dürfte klar sein.
Der Autor vor der Villa Miravalle, der Außenkulisse von "Falcon Crest" (Bild: Ralf Döbele)


Zu "Serien unserer Kindheit (1): Parker Lewis - Der Coole von der Schule"
Zu "Serien unserer Kindheit (2): Ocean Girl"
Zu "Serien unserer Kindheit (3): DuckTales"
Zu "Serien unserer Kindheit (4): Batman"


23.08.2018 - Ralf Döbele/TV Wunschliste
Bild: Lorimar


[www.wunschliste.de]

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  Serien unserer Kindheit: "Falcon Crest"
TV Wunschliste 23.08.18 12:05 1766 
  Re: Serien unserer Kindheit: "Falcon Crest"
Zoppo_Trump 23.08.18 17:36 670 
  Re: Serien unserer Kindheit: "Falcon Crest"
Don (1977) 24.08.18 00:17 703 
  Re: Serien unserer Kindheit: "Falcon Crest"
Zoppo_Trump 24.08.18 18:35 604 
  Re: Serien unserer Kindheit: "Falcon Crest"
andreas_n 24.08.18 18:45 642 
  Re: Serien unserer Kindheit: "Falcon Crest"
Plumpaquatsch 21.10.18 23:39 568 
  Re: Serien unserer Kindheit: "Falcon Crest"
Wicket 22.10.18 14:46 508 
  Re: Serien unserer Kindheit: "Falcon Crest"
U56 22.10.18 17:00 544 


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