U56 schrieb:


> Hallo Chrissie,
>
> ein Verbot, englische Musik im Radio zu senden,
> gab es nur im Nationalsozialismus. Nach dem
> Zweiten Weltkrieg sind bis in die 60er Jahre
> hinein aber nur wenige englischsprachige Titel
> gesendet worden. Das hatte wohl damit zu tun, dass
> die jungen Leute damals nicht so viel zu bestimmen
> hatten. Die Älteren haben diese Titel als
> Negermusik bezeichnet. Gerade diese Generation
> hatte das Sagen in den deutschen Sendern. Erst als
> die Radiomacher in den 60er Jahren allmählich
> mitbekamen, dass die Jugendlichen auf
> ausländische Sender ausgewichen waren, haben sie
> zuerst spezielle Sendungen mit der neuesten
> Popmusik (oder Beatmusik, wie es damals hieß) ins
> Programm genommen. Anfang der 70er Jahre wurden
> die ersten Radioprogramme geschaffen, die
> ausschließlich Popmusik spielten. Die wurden auch
> Autofahrerwellen genannt, weil sie den ganzen Tag
> über Verkehrshinweise im Programm hatten. Die
> ersten waren in Deutschland HR 3 und Bayern 3, in
> Österreich Ö 3.
>
> Zum Vergleich mit heute habe ich das
> WDR-Radioprogramm von vor genau 50 Jahren, also
> vom 12. Juli 1964, aus der Ausgabe 28/64 von TV
> Hören und Sehen hochgeladen:
>
> [th4.bilder-hochladen.tv]
>
> Damals ist viel Instrumentalmusik gespielt worden.
> Die Sender hatten ja ihre Rundfunkorchester und
> die mussten auch ihren Programmbeitrag leisten.
> Viele englischsprachige Titel wurden ohne Gesang
> nachgespielt. Wenn man in diesem WDR-Programm von
> 1964 auch englische Titel entdeckt, kann es sein,
> dass die nur instrumental zu hören waren.
>
> Im 1. Programm präsentierte man um 19.30 Uhr "Ein
> Abend für junge Hörer". Wie man im
> Programmablauf nachlesen kann, ist dort aber fast
> nur geredet worden. Zwischendurch gab es ein
> "Rhythmisches Intermezzo", das vermutlich aber
> auch nur aus Orchestermusik bestand. Die
> Jugendlichen hatten dann wenigstens um 21.40 Uhr
> noch die Gelegenheit, die Tanzmusik im 2. Programm
> zu hören, wenn ihre Eltern es ihnen erlaubten.
>
> Viele werden diese Musik heimlich unter der
> Bettdecke gehört haben. Als Jugendlicher hatte
> man es also nicht leicht in der damaligen Zeit. Da
> war es kein Wunder, wenn dann auf einen
> ausländischen Sender umgeschaltet wurde.
>
> Gruß Ulrich


Hallo Ulrich,

da hast Du mir wirklich aus dem Herzen gesprochen. Fuer junge Leute/Teenager war es in den 60er Jahren wirklich (je nach Eltern) kein Zuckerlecken. Selbst BRAVO lesen wurde mir verboten oder ins Kino gehen, also machte ich beides heimlich (und habe es nie bereut :)).
Mit etwa 12 Jahren hatte ich ein Transistorradio und hoerte oft unter der Bettdecke vor dem Einschlafen Musik an.
Mit 14 dann das Tonbandgeraet (jahrelang vom kargen Taschengeld angespart), mit dem ich die Erkennungsmelodien meiner amerikan. Lieblingsserien aufnahm und meine Eltern mussten waehrenddessen mucksmaeuschen still sein :).

In einer Hinsicht hatte ich jedoch Glueck: Negermusik wurde es bei uns zu Hause nicht genannt, denn mein Vater mochte gleichermassen Swing, Jazz und Rock'n Roll (Beatles, Stones etc). Meine Mutter liebte Ella Fitzgerald. Wir hoerten auch viel klassische Musik an, die ich allerdings erst mit 20 zu schaetzen begann, nachdem ich "Das Maedchen am Ende der Strasse" (Jodie Foster) im Kino erlebt hatte und unmittelbar danach in ein grosses Schallplattengeschaeft in Braunschweig ging, wo ich mir das 1. und 2. Pianokonzert von Chopin (gespielt von Arthur Rubinstein) vom Taschengeld kaufte.

Alles spielte sich bei mir zu Hause im Wohnzimmer ab, ich hatte praktisch keine Privatsphaere, es sei denn, ich traf sich mit Freundinnen oder ging heimlich ins Kino waehrend ich den Nachmittagssportunterricht schwaenzte.
Sobald ich mich auf mein Zimmer zurueckzog, um mal ein Enid Blyton Buch zu geniessen, konnte ich sicher sein, dass keine halbe Stunde spaeter meine Mutter hochkam, klopfte und mich entweder an die Hausaufgaben erinnerte, oder ich sollte den Hund gassi fuehren oder ihm Essen zubereiten oder abwaschen (3 Mal am Tag musste verrueckterweise abgewaschen und sofort abgetrocknet werden!) oder schnell die Waesche vorm Regen vom Waeschestaender aus dem Garten reinholen musste.
Nie konnte etwas warten. Alles musste immer SOFORT erledigt werden oder die Welt ging unter.
Meine Mutter hatte eine Putzfrau, aber ausser Kochen tat sie nichts. Ich erledigte alles das, was die Putzfrau nicht tat :).

Daraus lernte ich viel, naemlich wie ich spaeter als Erwachsene ganz sicher NICHT leben moechte. Ich hatte bereits 1983 meinen ersten Waeschetrockner und meine erste Geschirrspuelmaschine, die nur einmal am Tag angestellt wurde und erst dann geleert wurde, wenn wirklich alles trocken war.

Und nun warte ich haenderingend auf den verbesserten Robot Staubsauger, der ohne menschliches Zutun die Boeden saugt, waehrend man sich wichtigeren Dingen zuwenden kann...

Gruss,

Chrissie