Pilch schrieb:
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> Nostalgie hat meiner Meinung nach nichts mit
> Abstinenz bzw. längerer Nichtverfügbarkeit zu
> tun.

Ich hatte es ja bereits in verschiedenen Threads zum Ausdruck gebracht, daß die Nostalgie natürlich eine sehr facettenreiche sowie höchst individuelle Angelegenheit ist. Vor allem darf man nicht vergessen, daß der Begriff Nostalgie heutzutage in einem Kontext verwendet wird, der mit der ursprünglichen Definition kaum noch etwas zu tun hat. Eigentlich ist es im aktuellen Sprachgebrauch sogar eher zum kurzfristigen Modewort mutiert, wie z.B. auch die Bezeichnung Retro.

Wenn ich (Jahrgang 1957) an meine Kindheit und Jugend zurückdenke, sprach damals kein Mensch von Nostalgie oder Retro. Die Erwachsenen, vornehmlich die Altersklasse der Großeltern, schwelgten gelegentlich in "sentimentalen Erinnerungen", wenn sie wehmütig von "alten Zeiten" plauderten. Und bevor ich selber nicht mindestens 40 Jahre auf dem Buckel hatte, waren nostalgische Anwandlungen für mich nahezu unbekannt... dies brachte erst das fortschreitende Alter mit sich.

> Da gibts aber reichlich Gegenbeispiele: […]

Weder Hörspiele, noch Plattensammler und auch keine frühen Video-Mitschnitte, die Du hier nanntest, würde ich als Gegenbeispiele erachten, sondern als Bestätigung, daß eine permanente Verfügbarkeit einen ganz anderen Stellenwert im Nostalgiefaktor bedeutet. Ich will Dir gern ein konkretes Beispiel geben: Ich selbst hatte seit meiner frühen Jugend Schallplatten gesammelt und im Laufe der Jahre ein durchaus beachtliches Archiv aufgebaut. Als nun ab Ende der 80er Jahre die CD zunehmend das Vinyl ablöste im Musikmarkt, war ich natürlich bemüht meine Sammlung nun auf den neuen Tonträger umzustellen. Ein teures Vergnügen übrigens sowie eine langjährige Jagd auf die entsprechenden Silberlinge. Doch letztlich ein eher emotionsloses Unterfangen, weil ich ja "meine Musik", an der so viele jugendliche Erinnerungen hängen, dennoch ständig zur Verfügung hatte.

Ganz anders hingegen die nostalgische Begeisterung, als vor knapp 10 Jahren der große DVD-Boom begann und in der Folgezeit nun erstmals auch TV-Serien angeboten wurden, die seit 40 Jahren nicht mehr im Fernsehen gezeigt wurden. In dem Bereich gab es also zwischenzeitlich keine permanente Verfügbarkeit, um so größer die unbeschreibliche Freude des Wiedersehens, an welches man kaum noch zu hoffen wagte. Eine langjährige "Abstinenz" und "Nichtverfügbarkeit" macht ja gerade den enormen Reiz aus. Denn ohne diese "Rezeptur" würde das Phänomen Nostalgie für viele Menschen wohl gar nicht erst funktionieren...

Gruß
Stahlnetz


Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann