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TV-Erinnerungen an gute, alte Fernsehzeiten
Semesterferien - Review eines ZDF-Klassikers
geschrieben von: Pete Morgan, 20.03.11 19:18
Um es gleich vorweg zu sagen - leider fällt mein Review zu diesem Klassiker deutscher Serienkultur, den ich seit Kindertagen nicht vergessen hatte, nicht besonders positiv aus. Dies liegt allerdings nicht an Herausgeber Pidax, die alles in allem einen gewohnt ordentlichen Job gemacht haben, wenn man von ein paar Bildfehlern absieht, die mich bei einer vergleichsweise jungen und nie wiederholten Serie dann doch wundern, sondern am Inhalt und der Qualität der Produktion selbst.
Erzählt wird die Geschichte eines von seiner Arbeit besessenen Archäologen, der unbedingt den Beweis für seine These einbringen will, dass Kaufleute aus der Bronzezeit einen Handelsweg von Worms ans Schwarze Meer etabliert hatten. Darüber wird er von der gesamten Kollegenwelt belächelt und belacht, und nicht wenige sehen in ihm einen Spinner, obwohl sein Buch, in dem er die Thesen erklärt, zum Bestseller wurde. Also lässt sich der junge Professor Schulz mit einem altgedienten Kollegen auf eine Wette ein, die ihn beim Verlieren in Misskredit bringen wird, bei glücklichem Ausgang wird sie ihm allerding Ruhm und Ansehen verschaffen. In den Semesterferien macht er sich mit seiner stets zweifelnden Kollegin Ellen Taichmann auf, um mit einem alten Landrover den Handelswegen aus der Bronzezeit ans Schwarze Meer zu folgen. Unterwegs gabeln sie den bärenstarken und gutmütigen Landstreicher Paul Rogge aus Hamburg-Altona auf, der sich auf Schusters Rappen auf dem Weg ans Schwarze Meer gemacht hat, um der in Hamburg drohenden Heirat und Arbeit zu entgehen. Leider kommt er bei den beiden Archäologen gerade an die Richtigen, denn die sehen in Paul und seiner Körperkraft eine wertvolle Arbeitskraft. Und so folgt man mit Landstreicher, und einem Huhn, das für das Frühstücksei zu sorgen hat, der Route durch Ungarn, Slowenien, Jugoslawien und Rumänien ans Meer, um den letzten Beweis für Professor Schulzens Theorien zu erbringen. Dabei gerät das Trio allerdings von einem Schlamassel in den nächsten, was den glücklichen Ausgang des Unternehmens in Frage stellt...
Und dieses Unternehmen quälte sich einst denn 13 Wochen lang durch das Vorabendprogramm des ZDF, und den Zuschauer wohl gleich mit. Jugendliche Zuschauer, wie ich es damals war, mochten die Abenteuer des Trios noch ganz amüsant oder bisweilen gar spannend finden, doch bei heutigem Ansehen schreibe ich das eher meiner kindlichen Naivität von einst zu. Denn ehrlich gesagt gibt es nichts, was in der Serie vom Hocker reißen würde. Das, was da als spannend angesehen wird, ist einfach nur hanebüchener Unsinn und ungefähr genauso "aufregend" wie die Abenteuer eines Butler Parker. Gerhart Lippert ist als zerstreuter und naiver Professor die absolute Fehlbesetzung. Der Mann hat eine bildhübsche Frau neben sich sitzen, aber statt ihre Vorzüge zu erkennen, streitet er sich die ganze Zeit mit ihr - und als Raimund Harmstorff ihn drauf anspricht, meint er: "ich mag sie nämlich", und auch sie offenbart dem Landstreicher Harmstorff ihre Gefühle für Schulz, doch streitet sich munter weiter mit dem Professor. So kann das denn auch mit dem vom Zuschauer sehnlichst erhofften romantischen Happy End nix werden (man "siezt" sich bis zum Ende, obwohl so viele Abenteuer doch zusammenschweißen müssten...)
Zugegeben, Actionsequenzen gibt es genug - Gerhart Lippert stellt seine Kletterkünste unter Beweis, Anne Stegmann rennt durch einen Feierkreis und Harmstorff darf sich ein paarmal leicht prügeln. Aber diese Sequenzen sind so dilettantisch inszeniert, dass es einem die Schuhe auszieht und wohl nicht mal mehr im Kindergarten für schlaflose Nächte sorgen würde. Zudem fehlt jegliche Logik.
Zwei Szenen habe ich mal rausgepickt, wo es besonders stark auffällt: In der ersten Szene begibt sich der Professor allein (!) in eine Höhle, die ihm völlig unbekannt (!!) ist und sucht nach Beweisstücken für seine Theorie. Die Assistentin bemerkt, dass es regnet und weist Landstreicher Harmstorff darauf hin, dass "solche Höhlen bei Regen Hochwasser führen können, dann kommt man da nicht mehr raus." Und es kommt, wie's kommen muss. Aber was macht unsere Assistentin wider besseres Wissen? Auch sie begibt sich in die unbekannte Höhle, die ja nun Hochwasser führt, und gerät prompt mit dem Professor in ein reißendes Sturzgewässer, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Wie die beiden letztlich rauskommen, erfährt man leider nicht.
Im zweiten Fall ist es noch krasser: Fräulein Taichmann entfacht unachtsamerweise ein Buschfeuer irgendwo in der jugoslawischen Pampa. Umzingelt von einer Flammenwand (die an mehreren Stellen genug Platz bieten würde, um hindurchzuspringen) gerät sie in Panik. Nun macht sich Professorchen auf, um vom Helikopter aus das Mädel zu retten. Er hangelt sich per Strickleiter ab und lässt sich genau in die Mitte des Feierrings fallen (!!!), um sich dabei auch noch den Arm zu brechen - nun sind sie beide gefangen! Ja, warum zum Teufel macht der Mensch denn sowas? Der Drehbuchautor und Regisseur, der sich so was ausgedacht hat, gehört eigentlich geprügelt.
Und so häufen sich die Logikfehler, von einem Gerhart Lippert, der als erfahrener Klettermaxe hingestellt wird, gleich beim ersten Abstieg aber zu blööd ist, das Seil richtig zu verknoten, bis hin zu einem Landstreicher, dem seine Gitarre so sehr ans Herz gewachsen ist, dass er sie ohne jeglichen Grund einem rumanischen Dorfältesten auf dem greisen Haupt zertrümmert... es ist einfach nur ein Irrsinn, der mich heute ungemein ärgert.
Einzig zwei Episoden, "Der Wilde vom Karst" und "Rache für Petko" sind einigermaßen spannend, und vor allem bei der zweitenanten Folge kommt so etwas wie Beklemmung auf, denn es ist tatsächlich gelungen, bei der wie Zombies wirkenden Dorfbevölkerung so etwas wie eine beängstigende Atmosphäre zu schaffen. Das war's dann aber auch schon.
Und dann noch ein Wort zu den Dialogen, die so unglaublich hölzern, naiv und manches mal dümmlich wirken, dass man sich fragt, ob man Brigitte Mira und Friedrich Schönfelder nur in Nebenrollen engagiert hat, um das Ganze nicht vollends in die Anspruchslosigkeit abdriften zu lassen. Vergleicht man das mit durchaus gelungenen Dialogen aus älteren Serien, so muss man leider sagen, dass Anfang der 70er so manches unsägliche Produkt die Mattscheibe eroberte...und "Semesterferien" gehört da sicherlich dazu. Einzig die Streitigkeiten der beiden Hauptdarsteller und die ewig wiederholten Erklärungen über archäologische Erkenntnisse fallen etwas besser aus. Leider wurde in jeder Folge wiederholt erklärt, warum man denn nun auf dem Weg ans Schwarze Meer ist, damit auch später hinzu gekommene Zuschauer den roten Faden aufgreifen können, aber sowas ermüdet auf die Dauer ebenso wie das sonstige "wissenschaftliche Gesabbel" (Raimund Harmstoff) der Professoren und der Running Gag der Serie, das ständige "Ich geh kaputt; das ist kaputt; der ist kaputt, alles kaputt; ich geh kaputt", das Harmstorff von sich gibt.

Und so bleibt letztlich eine Durchschnittsserie, in die man wegen Harmstoff und Lippert vielleicht mal reinschauen kann, die man aber garantiert nicht gesehen haben muss. Ich hatte mich auf ein Wiedersehen gefreut, wurde allerdings bitter enttäuscht, und das kommt bei mir recht selten vor.

Gern würde ich die Serie weiterempfehlen, aber mit gutem Gewissen könnte ich das wahrlich nicht tun.

Der Lonewolf Pete

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  Semesterferien - Review eines ZDF-Klassikers
Pete Morgan 20.03.11 19:18 1538 
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Stahlnetz 21.03.11 00:51 803 
  Re: Semesterferien - Review eines ZDF-Klassikers
Fatty Arbuckle 21.03.11 10:34 696 
  Re: Semesterferien - Review eines ZDF-Klassikers
Pete Morgan 21.03.11 12:28 612 


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