Hallo Thinkerbelle,

da hast Du dir ja richtig Arbeit gemacht. Da nehme ich mir doch gerne die Zeit Dir zu antworten :-)
ich schrieb:
> Er ist, im ursprünglichen (bis ins zweite Drittel
> des 20 Jahrhunderts in Gebrauch befindlichen)
> Begriff rassistisch

Du schriebst:
Er ist auch nach heutigen Maßstäben rassistisch. rassistisch.
Mir ging es aber gar nicht um "Maßstäbe" sondern um die "Wandlung der Bedeutung des Begriff"s. Heute wird unter Rassismus etwas anderes verstanden als vor - sagen wir mal - 30 Jahren. Bis in die 90er Jahre wurde der Begriff in der wissenschaftlichen Literatur fast nicht mehr verwendet, da er in der Form, in der er in der NS Zeit gebraucht wurde, nicht haltbar war, da die "Rassenlehre" eben nicht im modernen Sinne "wissenschaftlich" war. Das was heute unter "Rassismus" verstanden wird ist eher ein "kultureller Rassismus" (vgl. H. Diefenbach: Rassismus und Rassismuskritik). Begriffe wechseln halt manchmal ihre Bedeutung (das zentrale Thema eines anderen Films meiner Liste)



ich schrieb:

> und zeigt eine geschlossene,
> in sich konsistente Interpretation der
> Gesellschaft und ihrer Veränderungen nach dem
> Ende des amerikanischen Bürgerkrieges. Insofern
> ist dieser Film wirklich "gut gemacht".
> Dieser Interpretation kann nur durch Wissen
> widersprochen werden, dass man sich aus anderen
> Quellen (als diesem Film) erschließt.
> Dieses Wissen ist uns heute leicht zugänglich was
> leider nicht für alle Filme ähnlicher
> Zielsetzung gilt. Deshalb ist dieser Film für
> mich ganz besonders gut geeignet für das, was
> manchmal "Faktencheck" genannt wird.

Du schriebst:
Ich vermute du willst damit sagen, dass er ein Zeitdokument ist, der uns Einblick in die Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg gibt. Allerdings wurde der Film 1915 gedreht ….
Ich wollte sagen was ich schrieb. Der Film ist in sich selbst konsistent und schlüssig. Das bedeutet, dass man innerhalb des Filmes keine Ereignisse oder Umstände findet, die die Aussagen des Filmes widerlegen. Das bedeutet nicht, dass die Aussagen des Filmes den historischen Tatsachen entsprechen oder von mir als "richtig" bewertet werden. Es fällt dir vielleicht leichter mich zu verstehen, wenn du den ganzen Film für eine kurze Zeit als reine Fiktion betrachtest. Diese enthält keine offensichtlichen Logiklöcher.

Du schriebst:
Ob er das Meinungsbild zur Zeit seiner Entstehung zeigt ist ebenfalls fraglich, da er schon bei der Uraufführung Proteste erlebte und in manchen Städten gar nicht oder nur zensiert gezeigt werden durfte.


Filme die dem Zeitgeist folgen sind mir ein Gräuel und der Umstand, ob ein Film zensiert wird, sagt erst einmal nichts über die Qualität des Films aus. 1984 wird z.B. in China nicht aufgeführt (zumindest vor ein paar Jahren war der Besitz noch strafbar) und "Jud Süß" wurde z.B. von der Reichfilmkammer nicht bemängelt.
Du schriebst:
Zudem hat er nachweislich dazu geführt, dass der KKK, der 1870 schon aufgelöst worden war, wieder neu geformt wurde und - angetrieben durch das verdrehte Weltbild des Filmes - seither viele Morde begangen hat.
Soso – der Film hat nachweislich zum KKK Revival geführt. Sicher kannst Du das belegen. (bitte nichts von Wikipedia)

Ich schrieb:
> Das ist also ganz sicher kein Film den man einfach
> so "konsumiert", sondern einer mit dem man sich
> auseinandersetzt und insofern ein "wichtiger Film"

Du schriebst:
Aber inhaltlich steht Birth of a Nation für mich auf derselben Stufe wie "Der ewige Jude". Man kann beide Filme unter dem Standpunkt ansehen wie man mit filmischen Mitteln zu Intoleranz, Mord und Gewalt aufrufen kann, indem man es als etwas heroisches darstellt. Aber das rechtfertigt für mich nicht ihn als "wichtig" zu bezeichnen, vor allem wenn als Begründung der Wichtigkeit nur inhaltliche Aspekte nennt. Auf einer Liste der gefährlichsten Filme der Filmgeschichte würde ich ihn aber setzen, schon allein wegen der Mord- und Lynchwelle die er mittelbar oder unmittelbar ausgelöst hat.

Ich glaube, Du bemisst die "Wichtigkeit" eines Filmes einfach daran, inwieweit sich seine Aussagen mit deinen Überzeugungen decken. Das mache ich sicher auch, ist nach meiner Auffassung aber nur ein(!) Aspekt. Für mich ist ebenso wichtig, wie diese Aussagen transportiert werden. Dass ein Propagandafilm Propaganda transportiert finde ich nicht so überraschend.
Du schriebst:
Aber vielleicht war er ja für dich persönlich wichtig weil er dich abgeschreckt oder dir gezeigt hat wie leicht man dumme Menschen aufhetzen kann?

Weit gefehlt. Wenn ich sehen will wie leicht Menschen zu manipulieren sind, sehe ich mir eine (fast beliebige) Talkshow an. Allerdings habe ich festgestellt, dass auch "kluge" Menschen (oder solche die sich zumindest dafür halten) für Manipulationen und Vorurteile empfänglich sind.

Gantenbein

Man verdirbt einen Jüngling am sichersten, wenn man ihn anleitet, den Gleichdenkenden höher zu achten als den Andersdenkenden
Nietzsche