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Re: Was man als Kind vom Fernsehen dachte
Für mich war fernsehen DAS ultimative Abenteuer. Beziehungsweise der Zugang zu einer Welt voll virtueller Abenteuer, voller Spannung, voller Faszination. Hier fand ich meine "Helden", meine "Idole", von denen ich lernte und mit denen gemeinsam ich spannende Abenteuer erleben durfte. Hier war meine "heile Welt", in der das Gute immer siegte und das Böse immer verlor. Hier gab es keine blöden Kinderspiele, mit denen ich nix anfangen konnte, keine Väter, die ihre Kinder immer nur mit der Eisenbahn und Fußball spielen sehen wollten, keine doofen Schulkameraden, die nur Unsinn im Kopf hatten und die einen unbedingt dazu bringen wollten, Dinge zu tun, die man gar nicht tun wollte. Hier war "meine" Welt. Ich hab's genossen. Wenn mal nix im TV kam, das mich interessierte und woraus ich was lernen konnte, dann las ich und verschlang haufenweise Bücher. Nur langweilig durfte es nicht sein - niemals. Ich hab keine Stunde bereut, und ich erinnere mich liebend gerne an die Zeiten, als das fernsehen für meine Eltern Kinoersatz und bei uns Unterhaltung für die ganze Familie war. Was die Gewalt anging - nun, mein dad hat's mir erklärt, ich hab's begriffen, dass es nur gespielt und nicht echt war, und damit war der Fall erledigt. "Die tun ja nur so" hieß das bei uns. Und nichts anderes wars ja. Für unsere Familie war das Fernsehen das Ereignis am Wochenende. Klar, wir haben auch Gesellschaftsspiele gespielt, wir haben miteinander geredet, wir haben viel zusammen unternommen, und es kam bei uns nie vor, dass wir jeder getrennt irgendwo aßen, sondern alle nahmen die Mahlzeiten gemeinsam am Tisch ein. Und am freitag Abend, nach getaner Arbeit, oder gar am Samstag abend, war es das Ereignis, dass Muttern eine richtige Festtafel im Wohnzimmer aufbaute und wir so richtig schlemmten, gemeinsam unsere Lieblingsserien anschauten, darüber sogar redeten, uns über die guten und schlechten gesangsstars in Disco und Hitparade ausließen, und gemeinsam dann die Samstag Abend Show schauten. Wir haben vom Familie Feuerstein bis Rudi carrell alles genossen. Es hat immer Spaß gemacht. Klar, es gab auch zeiten, da liefen Serien, die nur Teile unserer Familie interessierten - dann spielten die anderen familienmitglieder nebenher eben was - sei es Karten, oder Puzzlen, oder Scrabble, oder mensch ärgere dich nicht oder was weiß ich. Es gab immer was Interessantes zu tun, das man gemeinsam tun konnte. Bei uns wurde alles, was wir taten, zum Spaß - und egal, ob es nun fernsehen beinhaltete oder nicht, es war einfach Klasse. Hauptsache man machte es gemeinsam. Deshalb gab es auch nie ein problem wegen gewalt im TV - denn mindestens ein Elternteil hat meistens mitgeschaut und meine Eltern wussten sehr wohl, was sie uns Kindern zumuten konnten und was nicht. Außerdem kommt hinzu, dass die Serien der 50er, 60er und 70er nie nur Darstellung roher Gewalt beinhalteten - im Gegensatz zu zahlreichen moderneren Serien, in denen es richtig derb zur Sache geht. Und in den Jugendserien der 50er und 60er wurden immer auch menschliche Werte und Charaktereigenschaften vermittelt - davon bzw. vom erzieherischen Charakter des Fernsehens ist man zwischenzeitlich ganz abgekommen. Für mich war und ist fernsehen immer - auch heute noch - ein besonderes vergnügen, das ich nie missen möchte und für das ich wem auch immer unendlich dankbar bin. Der Lonewolf Pete In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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