|
Re: Habe fertig!
Sorry Beverly, aber Scarlet_Velvet hat Lehramt studiert: "Autor: scarlet_velvet (IP-Adresse gespeichert) Datum: 25.04.06 15:55 Kann da auch noch was aus Eigenproduktion beisteuern. Das Literaturverzeichnis findest du am Ende: Technische Universit¬¥t Carolo Wilhelmina zu Braunschweig Seminar f¬¿r Deutsche Sprache und Literatur Abteilung: ¬Õltere deutsche Sprache und Literatur Oberseminar: Historischer Roman Dozent: Prof. Dr. H.-J. B. Sommersemester 2005 Vortragsdatum: 09.05.2005 Referentin: scarlet_velvet ;-) Donna Woolfolk Cross: ¦¦Die P¬¥pstin⌠ Der historische Roman: Historische Romane zeichnen sich laut Aust durch folgende (variabel auftretende) Merkmale aus: - Aussendung von Geschichtssignalen (Daten; Namen von Personen, St¬¥tten, Ereignissen und Epochen; kultur- und sittengeschichtliche Einzelheiten; amtliche Dokumente), die zeitliche Differenz und Distanz ausdr¬¿cken - hermeneutische sprachliche Verschmelzung der durch die Jahrhunderte getrennten Horizonte, aber: Bestrebung Figuren auf ihre Zeitweise reden zu lassen - ein Vorwort tritt h¬¥ufig auf, ist aber nicht zwingend notwendig - die erste Seite oder auch schon der erste Satz spielen eine bedeutende Rolle: 1) es werden chronologische Er- wartungen geweckt, 2) ein ¦¦zweischenkliger⌠ Satz (Geppert 1976, S. 21) schl¬¥gt eine Br¬¿cke zwischen Gege- benem und Erfundenem und verleiht so den Daten eine poetische Funktion - die punktuelle Symptomatik des Anfangs wiederholt sich am Ende (Er¬¨ffnung, Erweckung, Begr¬¿¬ìung, Ein- f¬¿hrung bzw. Schlie¬ìung, ¦¦Einschl¬¥ferung⌠, Verabschiedung, Entlassung) - das Romanfinale enth¬¿llt Art und Sinn des Geschichtsendes (gl¬¿cklicher oder tragischer Abschluss des Vergan- genen, erfreulicher oder katastrophaler Anfang des Gegenw¬¥rtigen, tr¬¨stende oder be¬¥ngstigende Dauer des Immerw¬¥hrenden oder Unabschlie¬ìbaren) - Fu¬ìnoten und Anmerkungen pr¬¥gen das Bild des historischen Romans (hervorgehend aus der Wechselbezie- hung zwischen Geschichtswissenschaft und epischer Kunst) - das Kommentierungsangebot wandelt sich im Laufe der Zeit: Glossar, Personenverzeichnis (zum Teil Unter- scheidung zwischen historischen und fiktiven Gestalten), Landkarte, Begriffslexikon, Zeittafel, Bibliographie ¦¦Der Geschichtsroman erz¬¥hlt von politischen Handlungen der Vergangenheit, die mehr oder minder mit priva-ten Handlungen einer erfundenen Geschichte verkn¬¿pft sind. Seine Handlungen sind mehrfach bedingte Prozesse und ergeben ein historisches Geschehen, in dem ¬Øffentliches und Privates, Politisches und Pers¬¨nliches, Wan-delbares und Konstantes, rationales Kalk¬¿l und leidenschaftlicher Affekt zusammenwirken. Geschichte wird dadurch zum Integral unterschiedlicher >Werte<, sie gewinnt ihre konkrete Position im Koordinatenraum von Historischem, Ahistorischem und Fiktivem. Die sogenannte geschichtliche Tat entstammt demnach keinem geschlossenen Katalog historischer Akte, aus dem sie der Erz¬¥hler abschreibt, sondern sie entsteht dadurch, dass der Erz¬¥hler eine >Leerstelle< konkretisiert, d.h. mit erz¬¥hlerischen Informationen ¬¿ber Motivation, Mittelwahl, Resultat, Wirkung und Bewertung f¬¿llt.⌠ (Aust 1994, Seite: 31) Die Handlung: - Johanna wird 814 im damaligen Frankenreich in Ingelheim bei Mainz geboren (Vater: aus England stammen- der, strenggl¬¥ubiger und fanatischer Pfarrer des Dorfes, Mutter: ¦¦bekehrte⌠ heidnische S¬¥chsin). - Frauen gelten als minderwertige Gesch¬¨pfe und leben als Leibeigene ihrer M¬¥nner. - Johannas Vater empfindet ihre Geburt als Strafe Gottes und verachtet sie. - Sie besitzt herausragende Geistesgaben und l¬¥sst sich heimlich von ihrem ¬¥ltesten Bruder Matthias die lateini- sche Sprache beibringen (dieser lernt sie beim Vater). - Der griechische Gelehrte Aeskulapius erkennt ihr Potential, unterrichtet sie zum Missfallen des Vaters in Philo- sophie und Logik und sorgt daf¬¿r, dass sie als einziges M¬¥dchen eine Domschule besuchen darf. - Sie erf¬¥hrt dort viel Widerstand seitens ihrer Mitsch¬¿ler und ihrer geistlichen Lehrer. - Johanna findet Unterst¬¿tzung bei dem Markgrafen Gerold, bei dem sie w¬¥hrend ihrer Schulzeit lebt, und in den sie sich verliebt. Gerolds Frau Richild will Johanna daraufhin in Gerolds Abwesenheit zwangsverheiraten. - Zu Beginn der Hochzeitsfeierlichkeiten ¬¿berfallen Normannen in Gerolds Abwesenheit den Ort und t¬¨ten alle Menschen. Nur Johanna kann sich verstecken und ¬¿berlebt. - Johanna begreift, dass sie als M¬¥dchen in dieser Welt nichts gilt. Sie ¬¥ndert ihre Identit¬¥t in die ihres von den Normannen erschlagenen zweit¬¥ltesten Bruders Johannes. - Als M¬¨nch geht sie an seiner Stelle ins Kloster Fulda, wo sie zum angesehenen Medicus wird. - Sie erkrankt an der Pest, f¬¿rchtet um ihre Tarnung f¬¿rchtet und flieht sie aus Fulda. - Johanna pilgert nach ihrer Genesung nach Rom, wo sie aufgrund ihrer herausragenden medizinischen Kennt- nisse zum Leibarzt des Papstes aufsteigt und Gerold wieder begegnet. - Nach einigen Jahren und verschiedenen schicksalhaften Begebenheiten wird sie selbst zum Papst Johannes Anglicus (Namenszusatz aufgrund ihres aus England stammenden Vaters) VIII. gew¬¥hlt. - Sie ¬¿bt ihr Amt gewissenhaft und den Vorstellungen vieler Kirchenm¬¥nner widersprechend aus. - Bei einer Rettungsaktion armer B¬¿rger vor einer Flutkatastrophe kommen Gerold und Johanna nur knapp mit dem Leben davon. In ihrem Zufluchtsort schlafen sie miteinander. - Als Johanna einige Zeit sp¬¥ter zu ihrem Entsetzen feststellt, dass sie schwanger ist, beschlie¬ìt sie, heimlich mit Gerold Rom zu verlassen, ihr Pontifikat aufzugeben und ihn zum Ehemann zu nehmen. - W¬¥hrend ihrer letzten geplanten Prozession wird Gerold von Widersachern ermordet, und Johanna erleidet auf offener Stra¬ìe eine Fehlgeburt. Sie stirbt daran, und ihre wahre Identit¬¥t als Frau wird offenbart. Donna W. Cross schlie¬ìt ihren Roman mit einem Nachwort ab, in dem sie auf die Historizit¬¥t Johannas aus ei-gener Sicht eingeht. Die Autorin definiert die Existenz der Johanna von Ingelheim als ¦¦bis ins 17. Jahrhundert allgemein bekannt⌠ und ist der ¬ïberzeugung, dass danach gro¬ìe Anstrengungen seitens der katholischen Kirche unternommen wurden, alle beweiskr¬¥ftigen Manuskripte einzuziehen und ¦¦jeden Hinweis auf P¬¥pstin Johanna zu verwischen⌠. Laut ihrer Aussage sind die meisten Geschehnisse in ¦¦Die P¬¥pstin⌠ rein fiktiver Natur, au¬ìer-dem hat sie einige historische Fakten um der Erz¬¥hlung willen ver¬¥ndert. Johannas Erwachsenenleben, der ¬¥u¬ìe-re geschichtliche Rahmen sowie die allgemeinen Lebensumst¬¥nde u. ¬¥. entsprechen jedoch laut Donna W. Cross weitestgehend der historischen ¬ïberlieferung. Historischer Hintergrund: 1) Die Quellenlage: - es existieren keine Prim¬¥rquellen (Urkunden o. ¬¥.), die Johannas Wirkungszeit im 9. Jhd. belegen - ihre erste schriftliche Erw¬¥hnung geschieht im 13 Jhd. in der ¦¦CHRONICA UNIVERSALIS METTENSIS⌠ des Dominikaners Jean de Mailly aus dem Jahr 1260 - bis ins 17. Jhd. finden sich mehr als 150 schriftliche Quellen ¬¿ber ihre Existenz (es handelt sich hierbei aus- schlie¬ìlich um Erw¬¥hnungen), z. B. in einigen Ausgaben des ¦¦LIBER PONTIFICALIS⌠ (¦¦Buch der P¬¥pste⌠) - der zweij¬¥hrige Abstand zwischen den Pontifikaten von Leo IV. und Benedikt III. wird h¬¥ufig als zeitliche Vakanz f¬¿r Johannas Regierungszeit in Betracht gezogen - ¦¦sedes/sella stercoraria⌠ = Der ¦¦Dungsessel⌠: Ein neu gew¬¥hlter Papst war gezwungen, sich (vor seinem Amtsantritt) auf einem Stuhl mit einem Loch in der Sitzfl¬¥che niederlassen. Dort wurden seine Genitalien un- tersucht (Praxis bis ins 16. Jhd.). - Laut einer schriftlichen Quelle von Felix Hemmerlein (~ 1440) wurde dieses Ritual angeblich von Johannas Nachfolger Benedikt III. ins Leben gerufen. Diese Art von Stuhl existiert noch heute, allerdings ist die fr¬¿here Funktion umstritten (Hilfsmittel f¬¿r die Genitalien-¬ïberpr¬¿fung, Toilettensitz, Geburtsstuhl, Badestuhl, Sym- bol f¬¿r Verg¬¥nglichkeit, u. ¬¥.). - Statue ¦¦Johanna mit Kind⌠ am angenommenen Entbindungsort: mehrere Interpretationen: a) Ehrung (in ihrer Hand befindet sich ein Zepter) b) Mittel zur Erweckung von Abschreckung und Abscheu c) Umdeutung einer Marienstatue zu Johanna hin - Quellen belegen die Existenz eines Gedenksteins mit Inschrift, die sich auf Johanna bezieht - bei Prozessionen wurde nach Johannas angenommener Pontifikatszeit vom direkten Weg zwischen Vatikan und Lateran (angenommener Entbindungsort) abgewichen: angeblich sei die Stra¬ìe zu eng und zu gewunden gewesen (es gab sp¬¥tere Bauma¬ìnahmen, allerdings wurde die Stra¬ìe Jahrhunderte lang ohne Klagen genutzt) 2) Stimmen der Verurteilung: - Johanna wird als diabolisch verdammt und moralisch verurteilt: hierdurch geschieht eine Entlastung des Papst- tums (es wird von seiner Verantwortung f¬¿r die T¬¥uschung freigesprochen) => Johanna galt in zweifacher Sicht als S¬¿nderin: Zum einen hatte sie als Frau den Papstthron bestiegen, zum anderen hatte sie sich unwiderlegbar unkeusch verhalten. - auf Grund des Ausschlusses von Frauen von der Priesterweihe wird Johannas Pontifikat als ung¬¿ltig betrachtet - H¬¥resie-Gedanke: Johanna wird als Ketzerin angesehen und auch damit wird ihr Pontifikat ung¬¿ltig - Anfechtung der Historizit¬¥t Johannas durch Antonius von Florenz (~ 1450): ¦¦Fiktionalit¬¥tsthese⌠ => Johannas Fiktionalit¬¥t wird auch heute noch von vielen Forschern als wahrscheinlich erachtet 3) Johannas Anerkennung: - Tolomeo da Lucca betont 1312 die T¬¥uschung Johannas, geht aber von der G¬¿ltigkeit ihres Pontifikats aus: Er weist ihr mit der Ordinalzahl als ¦¦Joannes Anglicus VIII.⌠ den vollen nominalen Status eines Papstes zu. 4) Neuere Darstellungen: - Johannas Beispiel wurde und wird h¬¥ufig herangezogen, um das Papsttum zu diskreditieren. - Seit den 60er Jahren vertreten verst¬¥rkt Feministinnen Johannas Historizit¬¥t. Sie wollen der traditionellen Ge- schichtsschreibung entgegenwirken, die gro¬ìe Frauengestalten nicht erw¬¥hnt, und sie dadurch diskriminiert. => Das Werk von Donna W. Cross ist in diesem Bereicht der Frauengeschichte anzusiedeln. Literaturverzeichnis: 1) Aust, Hugo: ¦¦Der historische Roman⌠. Verlag J. B. Metzler. Stuttgart. Weimar. 1994. 2) Mittmann, Anke: ¦¦Die P¬¥pstin Johanna. Wege und Ertr¬¥ge der Forschung⌠. Magisterarbeit. eingereicht: 17. September 2002. 3) Woolfolk Cross, Donna: ¦¦Die P¬¥pstin⌠. Aufbau Taschenbuch Verlag GmbH. Berlin. 6. Auflage 1998. Literaturempfehlung: 4) Walz, Eric: ¦¦Die Herrin der P¬¥pste⌠. Goldmann Verlag. M¬¿nchen. 2. Auflage 2003. Die Handlung: Marocia, Senatrix von Rom, steht im Jahr 963 in der Engelsburg vor Gericht. Die Geliebte, Mutter und Gro¬ì-mutter je eines Papstes wird des Hochverrats am Heiligen R¬¨mischen Reich angeklagt. Sie blickt auf einen au-¬ìergew¬¨hnlichen Lebensweg zur¬¿ck, der vom Kampf um Freiheit und Macht bestimmt wurde. Das wenig heili-ge und intrigante Leben im Vatikan, sonst stets verborgen hinter ¦¦geweihten Pforten⌠, wird in ihrer Erinnerung dem Leser offenbart..." Gru©¬ Wicket In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
|