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Diskussionskultur und Meinungs-/Urteilsbildung im heutigen (digitalen) Zeitalter
geschrieben von: xy, 08.04.23 21:00
Ich eröffne hiermit, u.a. auch angeregt durch diesen Beitrag von pars einen neuen Thread zu einer Fragestellung, die ich hier gerne vertiefen möchte. In der vorherigen Diskussion, die auch im entsprechenden Thread weitergeführt werden kann und sollte, ging es mehr um die Beschreibung dessen, wie der heutige Zeitgeist und die Umgangsformen der Gegenwart wahrgenommen werden. Hier soll es nun eher um

a) die Ursachen gehen, also um die Frage, warum die Gesellschaft so egoistisch bzw. kompromisslos geworden ist oder warum sie zumindest von vielen so wahrgenommen wird. (Die verlinkte ARD-Umfrage ist zwar drei Jahre alt, aber das Ergebnis dürfte heute ähnlich ausfallen.)

b) Lösungsansätze gehen, d.h. was können wir, was kann jede/r einzelne dazu beitragen, dass sich das gesellschaftliche Klima wieder bessert (= harmonischer wird).

Eine Ursache für den heute doch eher rauhen Umgangston hat sicher damit zu tun, dass sich die pädagogischen Vorstellungen in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt haben. Ich bin bereits zu einer Zeit aufgewachsen, in der es nicht mehr nur darum ging, gehorsam und autoritätsgläubig zu sein, sondern auch darum, sich als gleichberechtigtes Individuum zu verstehen und seine Meinung kundzutun. Das hat sich dann in den weiteren Jahren meiner Wahrnehmung nach immer mehr in letztgenannte Richtung verschoben. Eine zweite Ursache sind die hinzugekommenen technischen Möglichkeiten des Internets, anonym miteinander zu diskutieren, aber auch Gleichgesinnte zu finden und sich mit diesen zusammenzuschließen. Wie bereits in dem anderen Thread erläutert, hat so manche soziale Bewegung der heutigen Zeit ihren Ursprung in der Netzkommunikation genommen.

Dies hat – so denke ich – dazu beigetragen, dass die Menschen heute zwar insgesamt mutiger geworden sind, ihre Meinung offen und direkt zu äußern, dies aber leider immer spontaner und emotionsgeleiteter tun. Mit anderen Worten: Eine Meinung wird oft schon dann geäußert, wenn die meinungsäußernde Person sich noch gar nicht hinreichend informiert hat und nicht reflektiert hat, ob es wirklich angebracht ist, die eigene Meinung in dieser direkten (im Extremfall auch sehr persönlichen, beleidigenden) Form zu kommunizieren. So kommt es sozusagen zu immer mehr "unqualifizierten" Meinungsäußerungen, mit denen wir sowohl hier im Netz, aber sicher auch in der persönlichen Begegnung mit anderen Menschen konfrontiert werden. Bei den Menschen, die eine solche "unqualifizierte" Meinungsäußerung als solche durchschauen, löst dies verständlicherweise schnell Unmut und Empörung sowie eine entsprechende Gegenreaktion aus. Die Person, die die "unqualifizierte" Meinung geäußert hat, wird das aber nicht überzeugen. Sie fühlt sich vielmehr (persönlich) angegriffen und versucht nun erst recht, ihren Standpunkt zu verteidigen, selbst wenn sie vielleicht insgeheim einsieht, dass man ihre "unqualifizierte" Aussage so nicht stehenlassen kann. So entsteht gewissermaßen ein Teufelskreis, der schwer zu durchbrechen ist. Und ein solches Muster kann sich sowohl in der alltäglichen Kommunikation zwischen einzelnen Individuen als auch in der öffentlichen Kommunikation zwischen bestimmten Interessensgruppen ergeben.

Dazu kommt noch, dass Menschen, die eine "unqualifizierte" Meinung äußern, sehr selbstbewusst auftreten, weil sie ja z.T. uninformiert sind, die Schwächen der eigenen Argumentation selbst nicht erkennen und daher auch von ihrer eigenen Meinung überzeugt sind. Hingegen äußern sich sehr selbstkritische Menschen, die vielleicht viel durchdachtere, qualifiziertere und gut begründete Ansichten vertreten, nicht oder nicht so oft (eben weil sie dazu in der Lage sind, die eigene Argumentation auch zu hinterfragen und ggf. deren Gehalt anzweifeln), sodass deren Argumente im Diskurs gar nicht gehört werden, also völlig untergehen. So kommt es auch zu dem Phänomen, dass gelegentlich Meinungen und Urteile, die, nur weil sie von selbstbewussten, meinungführenden Persönlichkeiten geäußert werden, schnell die Deutungshoheit übernehmen, wenn nicht ebenso selbstbewusste Persönlichkeiten einschreiten und die entsprechenden Gegenargumente anführen.

Lösungsvorschlag: Jede/r (und damit meine ich auch mich selbst) sollte, bevor er/sie die eigene Meinung kundtut, erst einmal überlegen, ob er/sie wirklich hinreichend informiert ist und zumindest die wichtigsten Argumente gegeneinander abgewogen hat. Und wenn man sich dann dazu entschlossen hat, die eigene Meinung zu äußern, dann sollte das möglichst sachlich und in einem angemessenen Umgangston erfolgen. Man wird zwar nie gänzlich verhindern können, dass sich dann doch noch irgendjemand gekränkt oder beleidigt fühlt. Aber die Bereitschaft, dass man friedlich und lösungsorientiert diskutieren will, kann jede/r signalisieren. Es ist nur eine Frage des Wollens.

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