Ich denke, dass du überschätzt, wozu akademische Titel überhaupt befähigen. Allein die Uni besucht zu haben, führt nicht magisch zur Kompetenz in konkreten Sachfragen, wenn sie so breit angelegt sind wie es eben in der Politik gefragt ist.

Was an der Spitze einer Partei, aber wohl auch an der Spitze des Landes gefragt ist, ist Führungskompetenz, und die kann kein Studium wirklich vermitteln, sondern Positionen, die man im Laufe der Karriere bekleidet. Das gilt auch - oder gerade - in der politischen Betätigung.

Gerade in Parteien, Gewerkschaften und beim Militär wird man in gehobenen Maße auf Personalführung geschult. Hier ist Führung kein Ergebnis des Zufalls oder einer vererbten Elitenbildung geschuldet, sondern der gezielten Aus- und Weiterbildung im Amt geschuldet.

Bevor jemand in Parteien in Verantwortung kommt, hat er bereits Führungs- und Koordinierungsaufgaben an den verschiedensten Stellen durch. Die großen Volksparteien unterhalten dafür einen Aus- und Weiterbildungsapparat, mit dem sie ihr Führungspersonal auf höhere Aufgaben vorbereiten.
Das durchläuft man, wenn man Bürgermeister von Würselen wird, und man hat ganz sicher die eine oder andere Weiterbildung und Seminare hinter sich, wenn man Bundeskanzler werden will.

Zudem muss man sich überhaupt fragen, welche Kompetenzen gefragt sind und eine akademische Ausbildung überhaupt gewährleistet.
"Führung" gehört jedenfalls nicht dazu, und die Tendenz zur Ausbildung zum "Fachidioten" ist auch klar. Gerade in der "Verschulung" universitärer Bildung in den letzten Jahren steht hier nicht gerade der "universal gebildete" Mensch auf der Agenda, der in irgendeiner Form dem Renaissance-Ideal oder humanistischen Idealen entspräche. Dafür sind die meisten Fachgebiete längst zu komplex.

Das erzeugt besagte "Fachidioten", und das ist noch nicht einmal schlecht, sondern angesichts der Komplexität mancher Felder eher Notwendigkeit.

"Führungskompetenz" hat allerdings mit fachlicher Kompetenz nicht immer wahnsinnig viel zu tun. Man unterschätzt das gerade deshalb, weil eben nichts wirklich greifbares gefragt ist, sondern eine Fertigkeit, mit der man richtig einschätzen können muss, wie man richtig delegiert und die Expertise anderer Leute anzapft.
Steve Jobs hätte zu keiner Zeit sein iPhone selbst zusammenklöppeln können. Ich würde bezweifeln, dass er die Expertise in der Entwicklung des Designs, der Technik, selbst der Programmierung seines ohne Zweifel genialen Wurfs hatte.
Der wusste allerdings, welche Leute er anzapfen musste, um das gesamte Projekt umzusetzen.

Führung ist nicht, wenn der Chef weiß, wie alles gemacht wird. Führung ist, die richtigen Leute um sich zu scharen und zu koordinieren, den richtigen Leuten Autorität zu verteilen, um ein gutes Gesamtergebnis zu erzielen, die dann im Einzelnen wissen, wie es gemacht wird.

Ich weiß nicht, woher du in der Bildung kommst. Entweder ist das ein Fall der Überbewertung akademischer Würden und Titel, oder es sind Standesdünkel, die der eigenen besseren Bildung geschuldet sein sollen. In jedem Fall kochen auch Politiker nur mit Wasser.
Führungskompetenz ist hier nicht bunten Titeln geschuldet, sondern der Schulung in der Politik und in der Summe der Aufgaben, die eine Person in ihrem Leben ausgefüllt hatte. Hier ist die europäische Spitzenpolitik nicht unbedingt die schlechteste Schule, um Führungskompetenzen zu erwerben.

Wie viele "von und zu Guttenbergs" braucht es noch, um zu erkennen, dass Titel allein auch nur Blendwerk sind? Da kann ich ebenfalls sagen: "Die gehen auch nur kacken!"
Das entspricht ausdrücklich nicht dem "Dunning-Kruger-Effekt". Ich maße mir nicht an, dem Schreinermeister erzählen zu können, wie man den Hobel zu schwingen hat, und Frau Merkel dürfte ich auch nichts in Fragen der Physik erzählen können, was sie nicht längst gehört hätte.

Das wird sicherlich auch für Merkels Fähigkeiten in der Führung gelten. Die sind nur nicht das Ergebnis ihrer akademischen Vorprägung - genauso wenig wie bei Schulz.