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Raunheim 21.10.2015
Barrierefreiheit: Ute Pokorny kämpft besonders auf Bahnfahrten mit großen Hindernissen
Rollstuhlfahrer haben mit vielen Hindernissen zu kämpfen. Für Ute Pokorny fängt dies bereits auf engen Bürgersteigen an.
Von Michael Kapp
RAUNHEIM - Wer im Alltag auf Barrierefreiheit angewiesen ist, wird sich trotz vieler Anstrengungen, die heutzutage unternommen werden, um allen Menschen eine Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen, immer wieder mit unüberwindbaren Hindernissen konfrontiert sehen. Ute Pokorny ist wegen schwerer Arthrose seit drei Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen.
Auf die Straße ausweichen
„Mein Glück ist, dass ich noch ein bisschen gehen kann, sonst bräuchte ich mich gar nicht von der Stelle zu bewegen“, sagt die Frau. Wegen ihrer Körperfülle ist sie auf einen besonders breiten Rollstuhl angewiesen. In der Raunheimer Altstadt, wo die Mutter von zwei erwachsenen Kindern in einem kleinen Häuschen lebt, sind die Gehwege an einigen Stellen gerade einmal breit genug, dass sie nicht auf die Straße ausweichen muss. Da die Gehwege überwiegend abgesenkt sind, unterscheiden sich die Probleme, mit denen sich Pokorny auf dem Weg konfrontiert sieht, kaum von denen anderer Personengruppen, die sich zwischen abgestellten Müllbehältern oder rücksichtslos geparkten Fahrzeugen durchzwängen müssen.
Richtig schwierig wird es allerdings, wenn die Rollstuhlfahrerin auf die Bahn angewiesen ist. Am Raunheimer Bahnhof soll es in ein oder zwei Jahren zwar einen Aufzug zum südlichen Bahnsteig geben, aber eine Fahrt, ob in Richtung Frankfurt oder Mainz, ist genau zu bedenken. Will Pokorny nach Frankfurt, muss sie zunächst in die entgegengesetzte Richtung fahren, denn der Bahnsteig zwei in Raunheim ist wegen der steilen Treppe für sie unerreichbar. Also steigt sie in die S-Bahn nach Rüsselsheim, da es in der Nachbarstadt einen Aufzug gibt. Und dort wiederum, um in die gewünschte Richtung fahren zu können. Die erste Hürde ist bereits am hiesigen Bahnhof zu nehmen, denn Bahnsteig und S-Bahn sind nicht ebenerdig. „Also hebe ich in der Regel erst den Rolli in die Bahn, halte mich anschließend an den Haltegriffen links und rechts fest und krabbele selbst rein. Beim Aussteigen geht es umgekehrt“, beschreibt sie den Vorgang. Allerdings hat sie auch schon erlebt, dass der Aufzug kaputt war, wie etwa kürzlich, als sie von Mainz kommend wie üblich in Rüsselsheim ausstieg. Mit dem einen Aufzug nach unten und „Tataaa!!!“, der andere Aufzug, mit dem es wieder nach oben gehen sollte, ist kaputt. „Ich also wieder zurück und in die nächste S-Bahn Richtung Offenbach. An Raunheim und Kelsterbach vorbei, beide haben keinen Aufzug, bis zum Flughafen“, erzählt die Raunheimerin.
Doppelt so lange unterwegs
Vom fehlenden Hinweisschild auf dem Bahnsteig im Flughafen abgesehen, findet Ute Pokorny den Aufzug zwar, doch der ist abgeschaltet. Nach rund fünfminütiger Benutzung einer dort angebrachten Klingel, habe sich eine nette junge Dame ihrer erbarmt und an der Information Bescheid gegeben.
Dann erst sei jemand mit einem Schlüssel gekommen. Der weitere Weg von Pokorny, die angesichts ihrer Schilderung nicht weiß, ob sie nun weinen oder lachen soll, führte anschließend über die komplette Flughafenebene zum Aufzug, der sie zum Gleis in Richtung Raunheim brachte. Immerhin habe ein netter Zugbegleiter darauf verzichtet, Anzeige zu erstatten, denn das Tagesticket galt ja eigentlich nur bis Kelsterbach.
Als sie in der S-Bahn von ihrer Odyssee berichtete, habe der halbe Waggon vor Lachen am Boden gelegen. „So kam es, dass ich nach immerhin drei Stunden endlich wieder vor der heimischen Haustür stand!“. Normalweise benötigt Pokorny für die Strecke gerade einmal die halbe Zeit.