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Re: War die DDR ein Unrechtsstaat?
Ich sehe das etwas anders, auch wenn ich unterm Strich wohl zum gleichen Ergebnis komme.
Meiner Meinung nach muss man schon zwischen dem formalen Staatsgebilde und der Praxis im Staat unterscheiden. Praktisch waren Partei, staatliche Institutionen und Justiz dermaßen miteinander verwoben, dass man wohl kaum von einer wirklichen Gewaltenteilung sprechen konnte. Außerdem waren die Wahlen wohl auch nicht wirklich frei und geheim. Das spricht für mich gegen Rechtsstaatlichkeit, weil ich da schon von einer Volkssouveränität ausgehe, die bei diesen Wahlen bestimmt nie gewährleistet war, und die Gerichtsbarkeit wirkte in der Rückschau auch nicht unabhängig. Überhaupt wirkt alles in der DDR dermaßen mit der SED verknüpft, dass es praktisch keine richtige Gewaltenteilung gegeben haben kann. Bleibt für mich die Frage, ob die DDR dann wenigstens formal rechtsstaatlich war, also über die Verfassung eine Gewaltenteilung gewährleistete. Das sprengt allerdings eindeutig mein Wissen über die Verfassung der DDR. Ich meine nur einmal gelesen zu haben, dass sich die SED auch in der Verfassung in ihrer Führungsrolle verankert hatte. Das spricht nicht gerade dafür, dass es formal rechtsstaatlich zuging. Den Opfern des Systems der DDR wird es natürlich herzlich wenig nutzen, wenn man so unterscheidet. Ich finde es allerdings gar nicht so unwichtig, gerade weil wohl im Dritten Reich die Weimarer Verfassung auch nie formal aufgehoben wurde, und während der NS-Zeit konnte man auch kaum von praktischer Rechtsstaatlichkeit reden, ganz im Gegenteil. Ohne das Fass der Schuldfrage noch aufmachen zu wollen, scheint diese Unterscheidung in der Gewährleistung von Rechtsstaatlichkeit doch unterschiedliche rechtliche und moralische Konsequenzen für Opfer und Täter mit sich zu ziehen. In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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