Ich habe gerade einen Artikel aus "Der Welt" zur ersten Folge "Let's dance" gefunden, das muß man gelesen haben :kaputtlachen: :kaputtlachen:
Quote
Dirty Dancing mit Simonis
Stilvolle Unterhaltung: Mehr als sieben Millionen Zuschauer für RTL-Tanzshow
von André Mielke
Berlin - Heide Simonis schwebte nicht. Sie wirkte eher, als hätte ein hundsgemeiner Turniertänzer sie gerade von der Parkbank weg entführt und mit gezogener Waffe gezwungen, in seinen Armen 90 Sekunden übers Parkett zu walzen.
Die frühere Ministerpräsidentin hatte am Montag ihren ersten Auftritt in der RTL-Tanzshow "Let's Dance". Der langsame Walzer, so hatte ein Jury-Mitglied früher am Abend erklärt, sei "eigentlich ein Genußtanz". Wir hätten eher auf etwas in der Richtung "Ästhetik des Widerstands" getippt. Aber bestimmt ist es bald überstanden. In den sieben folgenden Sendungen fliegt das jeweils schwächste Paar aus dem Wettbewerb. Kein Problem. Frau Simonis hat ihren Dienst als PR-Zugpferd für die neue Show ja längst getan.
An ihrem Auftritt hatte es im Vorfeld einige Kritik gegeben. Aber wie man auch immer ihre Darbietung bewertet: Das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und Schleswig-Holsteins wurden in keiner Weise beschädigt. Es ist rätselhaft, warum es für eine ausgediente Landesmutter ehrenrührig sein sollte, wochenlang zu trainieren, um die Kulturtechnik des Tanzes halbwegs zu beherrschen, das Ergebnis einer staunenden Menschheit vorzuführen und die Gage obendrein einem guten Zweck zu widmen.
Als dann der Profitänzer Hendrik Höfken und seine sperrige Debütantin schnaufend vor der Jury standen, da sprach Moderator Hape Kerkeling: "Frau Simonis, Sie können jetzt ganz entspannt sein. Bei uns wird nämlich öffentlich abgestimmt."
Das war lustig, und auch sonst ist "Let's Dance" eine ausgesprochen launige Veranstaltung. Der Show geht es sichtlich um den Spaß am Tanz und nicht darum, ihre prominenten Eleven vorzuführen. Das Ganze geschieht in geschmackvollem Ambiente und unter Mitwirkung des renommierten Tanzorchesters von Pepe Lienhard. Wer sich bisher leidenschaftlich über die Verrohung der Fernsehsitten erregen konnte, der möge hiermit zur Kenntnis nehmen, daß RTL auch anders unterhalten kann, nämlich mit Stil.
Das Show-Konzept wurde selbstverständlich eingekauft: aus Großbritannien, woher auch sonst? Bei der BBC war das Format unter dem Titel "Strictly Come Dancing" ein großer Erfolg. In den USA erzielte es als "Dancing With The Stars" ebenfalls sehr gute Quoten. Auch in Deutschland sieht es bestens aus. Die erste Show hatte gut sieben Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 23,4 Prozent. Das mag auch daran liegen, daß mit Hape Kerkeling der für eine derartige Veranstaltung bestmögliche Moderator verpflichtet wurde, ein Mann mit charmanter Ironie, der seine kleinen Gemeinheiten so galant verkaufen kann wie sonst keiner.
Davon abgesehen muß man nicht eingefleischter Anhänger der Ex-Hochspringerin Heike Henkel oder von so genannten Stars wie Wolke Hegenbarth, Sandy Mölling oder Wayne Carpendale sein, um sich an deren motorischen Talenten erfreuen zu können. Sie machten den Spitzentänzern neben sich keine Schande. Und jene, bei denen es nicht ganz so funktionierte, legten eben alle Kraft in den Gesichtsausdruck. Axel Bulthaupts Kampfgrinsen taugte als Waffe gegen den internationalen Terrorismus, und mimisch befand sich Ex-Zehnkämpfer Jürgen Hingsen immer noch beim Speerwerfen.
Die Punktwertungen der Juroren schienen bisweilen einem rätselhaften dramaturgischen Kalkül zu gehorchen, waren aber nicht halb so kryptisch wie ihre Formulierungen. Mal fanden sie "die binnenkörperliche Bewegung" in Ordnung, dann war es ihnen wieder "zu flachfüßig", beziehungsweise "nicht so Bantu-Neger-mäßig" (wie bitte?), denn: "Der Cha-Cha-Cha, der wird richtig tief in den Boden getanzt."
Schauspieler Jochen Horst kommentierte den Kampf gegen seinen Körper so: "Zum Schluß gab's einen Moment, wo ich merkte, daß ich den Rhythmus hatte ... aber der war sofort wieder weg."
Artikel erschienen am Mi, 5. April 2006