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Re: Böhmermann: Kanzlerin habe ihn "einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert"
Kate, dir geht es nicht um die Frage, was Satire darf und was nicht. Aber genau das ist der eigentliche Punkt.
Dieses "Schmähgedicht" war so offensichtlich dämlich, überzogen und über das Ziel hinaus geschossen, dass die eigentliche Satire nicht zwangsläufig in dem Gedicht steckt, sondern in sämtlichen Reaktionen darauf - von der Erdogan und der Kanzlerin, bis zu dir persönlich. Das ist der eigentliche Witz. Böhmermann hat an Kritik zur Entscheidung der Bundeskanzlerin nicht gespart. Er weiß aber auch, dass nur Gerichte rechtskräftige Urteile fällen und hält sich deshalb zurück. Das ist sein gutes Recht. Bei dem wenigen an Äußerungen, die bisher von Böhmermanns Seite kamen, kann man ihm nicht vorwerfen, dass er den Skandal bisher sonderlich ausgeschlachtet hätte. Klar, er dürfte sich mehr PR für sich und seine Sendung versprochen haben, und er wäre nicht auf der Fernsehbühne, wenn ihn nicht ein gewisses Maß an Narzissmus, Eitelkeit und einen Hang zur Selbstdarstellung dorthin getrieben hätte. Bis jetzt sehe ich aber nicht, dass das Überhand nimmt. Außerdem muss nicht jeder zwangsläufig zum Märtyrer werden und hohe Risiken eingehen, der über Satire gesellschaftlich etwas verändern will. Das ist zuweilen vielleicht bewundernswert, grenzt aber manchmal auch an Selbstaufgabe über jede Gebühr. Gerade deshalb finde ich die Vergleiche mit dem Handeln anderer Komiker so schwierig. Die Legitimation des Anliegens und der grundsätzlichen Intention ändert sich nicht durch die Probleme und Steine, die einem dabei in den Weg gelegt werden. Deshalb finde ich auch Anmerkungen wie "Der soll sich mal in Ankara/Mekka/wo auch immer auf den Marktplatz stellen und solche Witze reißen" etwas obskur. In eine ähnliche Schiene würde ich auch deinen Burma/Birma-Vergleich einordnen wollen. Klar ist das bei uns einfacher zu opponieren und zu kritisieren, als vielleicht in Burma, Saudi-Arabien - wie der Fall Badawi aufzeigt - oder in der Türkei, oder auch damals im Dritten Reich. Wenn aber die widrigen Umstände und der Willen zur kompletten Selbstaufgabe die Messlatte sein soll, dann wäre fast schon jegliche kritische Satire in diesem Land nutzlos. Wenn man Böhmermanns Treiben in seiner Gesamtheit etwas verfolgt, dann kann man schon erkennen, dass Selbstverliebtheit und Eitelkeit auch nicht die alleinige Triebfeder seines Schaffens sind. Der hat durchaus politische Anliegen in zentralen Fragen - auch wenn er viel Klamauk verbreitet. Dahinter sehe ich persönlich nämlich zwischen dem ganzen Klamauk schon klare Standpunkte zu Themen wie Demokratie und freiheitlich-rechtliche Grundordnung, Menschenrechte, Säkularismus - aufklärerische, humanistische Werte, und zwar ausdrücklich nicht, weil ich Böhmermann unbedingt als Projektionsfläche dafür bräuchte, sondern weil das immer dann bemerkbar ist, wenn er einen ernsteren Ton anschlägt, in seinen verschiedenen Fernseh- und Radiosendungen, wie auch in einigen Interviews, die man beispielsweise auf Youtube sehen kann. In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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