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Re: Homeland: Morgen gehts los
Ohne zu viel vorweg nehmen zu wollen - es ist gerade die Stärke der Serie, dass die einzelnen Figuren nicht mit zwei Sätzen zu charakterisieren sind.
Simpel gestrickte Gut- und Böseschablonen gibt es hier nicht. Jede Figur hat ihre Probleme, handelt nicht immer moralisch einwandfrei und über alles und allem erhaben, und es wird Stück für Stück mehr von der Motivation offenbart, warum sie so handelt, wie sie handelt. Beide Hauptcharaktere haben ganz offensichtlich psychische Probleme, die an therapeutischen Handlungsbedarf reichen, und funktionieren mehr oder weniger über eine Fassade, die immer wieder aufbricht. Das macht die Serie spannend und die große Handlung um Terrorismus, Machtspiele und Islamismus fast schon zweitrangig - zumindest für mich trifft das zu. Für mich ist es jedenfalls spannend, in einer Art Voyeurismus diesen "Seelen-Strip" zu beobachten, wie Menschen sich in Extremsituationen verhalten können. So etwas glaubhaft zu verkörpern - dafür haben die beiden Hauptdarsteller die Preise bekommen und ich denke auch, dass gerade dafür die Serie auch gefeiert wird. Die Serie lebt jedenfalls nicht von Action und Tempo, aber eben durch interessante und intelligente Wendungen, wie auch von den subtilen Gesten, bis hin zu den emotionalsten Ausbrüchen. Mich wundert eigentlich, dass du die Serie nicht magst, weil gerade "The Walking Dead" für mich ziemlich ähnlich funktioniert. Das ist an sich für mich nur vordergründig "Zombie-Apokalypse", sondern beschäftigt sich eher mit Moral und Ethik und wie Individuen und Gruppen handeln, wenn Normen und gesellschaftliche Konventionen wegbrechen, wobei die Serie bestimmt auch keine perfekten Helden liefert. Beide Serien loten in dieser Hinsicht Grenzen aus und regen zum nachdenken an. Homeland vielleicht noch mehr als The Walking Dead, und auch wenn die grundsätzlichen Szenarien nicht unterschiedlicher sein könnten, haben sie das doch gemeinsam. Außerdem muss man sich bei beiden Serien davon verabschieden, so etwas wie Sympathieträger zu suchen. Man fühlt mit den Figuren teilweise mit, oder hält sie zumindest in ihrem Handeln für in sich konsistent oder plausibel, würde sich aber nie mit ihnen identifizieren wollen. Vielleicht ist das auch ein wesentliches Merkmal heutiger Fernsehserien. Alles ist irgendwie roh und "gritty", keine eindeutigen Helden oder Schurken, keine simple und perfekte Welt, in der die Figuren agieren, teilweise bis hin zum übersteigerten Realismus. Das muss man bestimmt nicht immer mögen. Ich sehe mir gerade deshalb auch sehr oft alte Serien an. Dennoch lässt sich der Reiz solcher oft pessimistischer Geschichten auch nicht leugnen, bewegt er sich doch näher an der Realität als manche "Feelgood"-Serie von damals. Man muss sich darauf wohl einlassen wollen, was nicht jedermanns Sache ist. Manchmal sucht man auch einfach nur Zerstreuung und einfache Unterhaltung. Dann ist man mit Homeland aber eher schlecht bedient. In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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