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Fußballprofi aus anderen Zeiten: Gerhard Zebrowski gestorben
geschrieben von: Kaschi, 05.05.20 23:24
Am 30. April ist Gerhard Zebrowski von Werder Bremen mit 80 Jahren gestorben.

Zebrowski war ein Flügelflitzer. Das war nichts Unanständiges damals, sondern kennzeichnete nur einen heute weitgehend verschwundenen Spielertypus, der - auf der Außenstürmerposition verharrend - mit Schnelligkeit die gegnerische Abwehr in Schwierigkeiten bringen konnte. Zu seinen Erfolgen zählte der DFB-Pokalsieg 1961 (2 Jahre vor der Bundesligagründung), die Deutsche Meisterschaft 1965 und die Vizemeisterschaft 1968. Im März 1965 stand er im Kader der Nationalmannschaft, bestritt aber kein A-Länderspiel.

In Bremen ist im vorigen Jahr ein Buch über den Ex-Profi Helmut Schimeczek erschienen (Edition Falkenberg), in dem auch Zebrowski ein Kapitel gewidmet ist. Das versuche ich hier mal in Kürze zusammenzufassen:

Gerhard Zebrowski wurde in Bremen geboren, während des Zweiten Weltkrieges (1940). Seine Großeltern waren Ende des 19. Jahrhunderts aus Polen dorthin eingewandert. Als der Stadtteil Walle bombardiert wurde, wurde er mit seiner Mutter und seinem Bruder Manfred nach Hessen evakuiert. 1946 ging es dann zurück nach Bremen. Der Vater hatte am Rußland-Feldzug teilgenommen. 1953 wurde Gerd bei Werder Bremen angemeldet. Dort durchlief er alle Altersklassen, schoss viele Tore, bis Trainer "Schorsch" Knöpfle ihn 1959 in die erste Mannschaft aufnahm. Mit 120 DM war er Vertragsspieler in der damals erstklassigen Oberliga Nord geworden. (Eine Bundesliga gab es noch nicht. Der westdeutsche Spitzenfußball wurde in 5 regional zusammengesetzten Oberligen ausgetragen mit einer kurzen Endrunde plus Endspiel um die Meisterschaft zum Saisonfinale.)

Zebrowski wurde schnell Stammspieler und trug maßgeblich dazu bei, dass Werder Bremen sich problemlos 1963 für die neue Bundesliga qualifizierte. Hinzu kam noch der erste nationale Titel: Pokalsieger 1961 gegen Kaiserslautern. Bei Vertragsverhandlungen machte er wenig "Theater" - er war offenbar froh, einfach Fußball spielen zu dürfen und sogar noch Geld dafür zu bekommen ... Mit seinem Goggo fuhr er häufig Trainer Knöpfle zum Bahnhof, der per Zug nach Hamburg zurück musste.

Auch in der Bundesliga unter dem neuen Trainer Willy Multhaup trumpfte Zebrowski auf, was 1964 zu einer Offerte aus den USA führte. Aber er blieb über die gesamte Profikarriere hinweg in Bremen, zumal sich die finanziellen Rahmenbedingungen spürbar verbesserten. Unter Multhaup wurde Werder Bremen 1965 sensationell Deutscher Meister, Zebrowski erzielte dabei 11 Tore, gehörte zu den besten Außenstürmern der Liga und klopfte ans Tor der Nationalmannschaft, die sich für die WM 1966 in England qualifizieren wollte. Multhaup ging 1965 zu Borussia Dortmund. Unter den neuen Trainern Brocker und Langner lief es für Zebrowski nicht mehr ganz so gut. In der Saison 1967/68 durfte erstmals ausgewechselt werden (ein Spieler), und oft traf es in Bremen Zebrowski. Die Zuschauer quittierten das mit Pfiffen, weshalb ihn der "Eiserne Fritz" Langner am Spielfeldrand anraunzte: "Kannste nich' humpeln?"

Werder Bremen hatte mit Bremerhaven 93 aus der damals zweitklassigen Regionalliga Nord ein Kooperationsabkommen: junge Talente aus der Umgegend sollten in Bremerhaven mit Spielpraxis an die Bundesliga herangeführt werden, dafür kamen dann altgediente Profis an den "Zolli", das traditionsreiche Stadion in der Seestadt (Zollinlandplatz). So beendete Zebrowski 1969 seine Bundesligakarriere und wechselte weserabwärts, nahm dazu seinen Beruf als Spediteur wieder auf - und spielte wieder mit seinem Bruder Manfred Fußball, der auch bei "93" gelandet war. In den 70ern wurde Gerd Zebrowski Spielertrainer in Bremen beim SV Hemelingen, Mitherausgeber der Stadionzeitung "Werder Echo" und blieb insgesamt 67 Jahre lang sehr aktives Vereinsmitglied bei den Grün-Weißen! Viele Spieler der 65er Meistermannschaft sind dem Verein bis heute eng verbunden geblieben.

Im Stadtteil Grolland wohnte er übrigens in einer Reihenhaussiedlung nicht weit von meinen Großeltern entfernt.
...
Das war die eine Fußballmeldung heute. Die andere hat Salomon Kalou von Hertha BSC produziert, mit seiner Verhöhnung von Coronaregeln über Facebook. Kalou ist 1985 in der Elfenbeinküste geboren, hat von 2000 bis 2003 in Abidjan gespielt, bis 2006 bei Feyenoord und Excelsior Rotterdam, bis 2012 bei Chelsea London, bis 2014 beim OSC Lille und seither ist er bei Hertha BSC Berlin.
So wie Zebrowskis Karriere in jener Zeit keineswegs ungewöhnlich war, so ist dieses entwurzelte, aber extrem hochbezahlte Nomadenleben wie bei Kalou heute der Normalfall.
Mir macht Fußball heute fast keinen Spaß mehr, ob mit oder ohne Corona ...

Werder Bremen 1965: Stehend von links: Jagielski, Matischak, Piontek, Steinmann, Bernard, Schütz und Trainer Multhaup; Hockend von links: Zebrowski, Klöckner, Lorenz, Ferner, Höttges.



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Kaschi 05.05.20 23:24 415 
  Re: Fußballprofi aus anderen Zeiten: Gerhard Zebrowski gestorben
U56 06.05.20 12:20 114 
  Re: Fußballprofi aus anderen Zeiten: Gerhard Zebrowski gestorben
Kaschi 06.05.20 16:58 126 
  Re: Fußballprofi aus anderen Zeiten: Gerhard Zebrowski gestorben
U56 06.05.20 22:11 199 


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