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Die neuen Fernsehlacher
geschrieben von: Oli, 02.12.01 15:45
Die neuen Fernsehlacher

Schock bei den Zuschauern: RTL II kündigt sein Revolutionsformat DIE NEUEN FERNSEHMACHER falsch an: Versprochen wurden neue, langweilige Showkonzepte von Kreativen, dabei handelt es sich um eine rabenschwarze Comedy-Show!

Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag – alle vier Tage standen in dieser Woche ganz unter dem Stern des RTL-Ablegers RTL II. In gigantischen Trailern mit Längen von bis zu drei Minuten kündigte uns Aleksandra Bechtel schon seit Wochen an, dass diesen Montag, diesen einen, doch so unscheinbaren Montag alles anders werden würde: Ein revolutionäres TV-Format würde Deutschlands TV-Landschaft in einem Zuge wegpusten, alles, was Rang und Namen hatte, habe dies dann seine letzten Tag gehabt. Demokratischer würde Fernsehen nie wieder sein, könne es gar nicht, denn alles, wirklich alles würde gegen das verblassen, was uns RTL II nun zeigen würde, ob der freiheitlichen Mitbestimmung durch das Volk, durch uns alle, durch die, die täglich konsumieren mussten, was uns vorgesetzt worden war, bisher jedenfalls. Denn ab Montag würde Deutschland selbst bestimmen können, was gesehen wird und was nicht. Wir alle waren sehr gespannt, in froher Erwartung, nun endlich – wenn schon nicht in der Politik – zumindest in der Welt des Fernsehens entscheiden zu dürfen.

Großes, demokratisches, seriöses Fernsehen haben wir also erwartet, zumal ja die Majestät des deutschen Fernsehens höchstselbst, Franky Boy, u.a. Erschaffer des legendären WETTEN DASS... und des Smash-Blockbuster-Riesen-Hits NA ALSO?!, für das neue RTL II-Flaggschiff verantwortlich zeichnete.

Offensichtlich jedoch hat man bei RTL II irgendetwas falsch verstanden und das Konzept der Show nicht ganz durchschaut. Und so hat man uns, den Zuschauer, wieder einmal auf die falsche Spur geführt – denn in Wahrheit sind DIE NEUEN FERNSEHMACHER kein ernsthaftes Showformat, sondern Comedy at its best.

Kaum zu glauben, was sich Frank da hat einfallen lassen: In insgesamt acht Folgen präsentiert eine Vertreterin der Schweine im Weltall mit kecker Loren-Frisur acht scheinbar vollkommen unbekannte No-Names, die lustige Ideen für originelle Showkonzepte hatten. In jeder Folge darf einer dieser No-Names seine originelle Idee präsentieren und anschließend – wie wir wahrscheinlich zum ersten Mal – die Umsetzung seiner originellen Idee genießen. Insgesamt acht solcher Ideen bekommen wir geballt in zwei Wochen zu sehen. Am Ende darf darüber abgestimmt werden, welche der acht Formate in Serie realisiert wird.

So heißt es bei RTL II, in Trailern, Pressemitteilungen und auch einschlägigen Fernsehmagazinen.

Is´ aber alles ganz anders. Denn tatsächlich ist DIE NEUEN FERNSEHMACHER Comedy-Show, gesellschaftskritisches Fernsehen und Satire gleichzeitig.

Hinter Aleksandra Bechtel verbirgt sich beispielsweise Elstners Sohn mit lockig-flockiger Ringelfrisur. Recht überzeugend schlüpft er in jeder Folge in die Rolle der übergewichtigen Bechtel, wirft sich blumig in dezenten Brauntönen in Schale und kokettiert mit seinem – Verzeihung ihrem Bäuchlein.

Auch die sgn. neuen Fernsehmacher sind nicht echt. Hinter sieben der acht Protagonisten verbergen sich junge Talente berühmter Schauspielschulen in Berlin, Köln und München. Mit der achtteiligen Show legen sie ihre Abschlussprüfung im Seminar „Interpretation und Spiel normalsterblicher Fernsehzuschauer“ vor. Und das ja, wie man sieht, recht überzeugend. Absoluter Höhepunkt bei allen bisher am Zuge gewesenen Schauspielern – Verzeihung No-Names ist dabei immer die „Laudatio“, die jeweils derjenige No-Name, dessen Showformat in der jeweiligen Folge vorgestellt wird, kurz vor Start seines Piloten halten muss – Verzeihung durfte.

Zwar ähnelten sich die bisherigen vier „Laudatio“s – jeder No-name tat so, als habe er vor lauter Aufregung den schier kaum fassbaren Text der Laudatio von ungefähr maximal zwei Sätzen schlichtweg vergessen –, doch gilt insbesondere für Fachleute sowie die zahlreichen Prüfer vor Ort die Umsetzung dieser schwerwiegenden Szene – der jeweilige Protagonist muss einem Millionenpublikum das schicksalhafte Versehen und Vergessen gestehen – als guter Prüfstein für zukünftige Lauterbachs und Verres´.

Der achte Protagonist jedoch – wer hat´s entdeckt – ist kein werdendes Schauspielersternchen am aktuell so blassen Darstellerhimmel Deutschlands, sondern Ottfried Fischer in seiner Glanzrolle als Erfinder einer umwerfend witzigen und gleichzeitig dramatisch informativen Gebrauchtwagenverkaufssendung. Nein, Ottfried, fast hätten wir es nicht bemerkt. Allein die Dimensionen Deines Körpers ließen uns erahnen, dass Du dahinter steckst. Grandios.

Ebenfalls nicht echt, sondern als schwarzhumorige Comedy-Einlagen gedacht sind die zahlreichen Zuspieler, angefangen bei den MAZen, in denen die neuen Fernsehmacher und ihre Liebsten vorgestellt werden. Weisheiten wie etwa „Ein Künstler mit Geld ist genial. Ein Künstler ohne ein Elend.“ erinnern deutlichst an Klassiker wie Hamlet und gelten bereits heute, keine drei Tage später, als fundamentale Statements und schlichtweg genialste Zeilen, die man noch in Jahrhunderten zitieren wird. Ja, auch die Drehbuchautoren haben ihr Bestes gegeben.

Genauso wie alle Protagonisten des Formates verstecken auch die eigentlichen Hauptdarsteller des Formates, die scheinbar eingesandten Konzepte, ihren tiefsinnigen Humor sehr gut, doch offenbart sich dieser hier und da dem konzentrierten Zuschauer durchaus an versteckten Stellen. Am deutlichsten trat der in weiten Passagen klar gesellschaftskritische, manchmal regelrecht sarkastische Humor im Piloten des am Dienstag vorgestellten Konzeptes DER SUPERAUTOMARKT hervor: Die Beschäftigung mit „des Deutschen liebsten Kindes, dem Auto“, wie Bechtel alias Th. Elstner gekonnt augenzwinkernd verriet, während sie sich durch die bewusst verunglückten Strähnen und Strähnchen ihrer exklusiven Perrücke strich, darf als solches schon Beweis genug dafür sein, dass sich hinter DIE NEUEN FERNSEHMACHER reine Ironie verbirgt. Dieser Eindruck wurde unterstrichen durch einen zwergwüchsigen Moderatoren in ansehnlichem C&A-Anzug, den die Welt noch nie gesehen hat und niemals sehen wird.

In dem gut gelaunten Format traten außerdem ein rechtsradikaler Toyota-Rennsemmel-Fahrer – eindeutig als politischer Seitenhieb in Richtung CSU zu verstehen - , eine offensichtlich nur ansatzweise deutsch sprechende VW-Passat-Blondine – hier versteckt sich die Kritik am deutschen Bildungssystem – sowie ein kuschliger Schnauzbart-Typ mit seinem orangenen Audi aus dem Jahre 1736 auf. Und spätestens jetzt wird klar: Elstners neuster Coup ist reine Comedy.

Auch nicht schlecht, trotzdem gefälscht, denn von einem Profiteam aus circa 26 Showentwicklern konzipiert, darunter Jürgen von der Lippe, der mit seinem BLIND DINNER ebenfalls einen subtil komischen Ton anschlagen wollte, was bis heute allerdings nicht einmal der SAT.1-Chef selbst bemerkt hat: Die Idee zu WAS PASSIERT WENN...

Diese fundamental wichtige Frage wurde immer und immer wieder gestellt, doch beantwortet hat man sie nicht. Mehrmals holten die zahlreichen, bewusst unterbelichtet gezeichneten Protagonisten, allen voran Hugo-Egon Balder als umwerfender Hugo-Egon Balder, aus und fragten: Was passiert, wenn... Dabei zeichneten sie ein sehr sozialkritisches Bild unserer Gesellschaft, in dem sie eben diese global essentielle Frage auf scheinbar nebensächliche Gegenstände wie etwa Silikonbusen oder Rückwärtsgänge alter Autos übertrugen. Stellt der Mensch der neuen Jahrtausends nicht ständig die falschen Fragen? Und beantwortet er die wichtigen nicht immer nie wirklich?

Ebenfalls sehr klug gewählt: Die Optik des Spektakels. In dunklen Tönen gehalten erinnert uns die Deko des Sets an die Vergänglichkeit des Lebens. Stilsicher eingesetzte, spartanisch gestaltete Sessel fast ganz ohne Lehne für die Protagonisten zeigen uns, wie wenig Halt der Mensch im Leben hat. Und das gänzliche Fehlen irgendwelcher Spots, Lichter und Leuchten macht uns deutlich, wie tief Herr Elstner gefallen ist, um das, was RTL II zwei ganze Wochen lang auf Deutschland loszulassen. Der Stern, der stetig über Elstner hing, ist untergegangen. Oder besser:

Abgestürzt.

Quelle: www.tvmatrix.de

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Oli 02.12.01 15:45 817 
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Bine 05.12.01 10:57 182 


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