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NEUN LIVE in der Krise
geschrieben von: Oli, 14.11.01 00:39
Mitmachen statt Zugucken
Nur Anrufer zählen: Transaktionsfernsehen auf der Suche nach neuen Einnahmequellen

Bei Neun Live ist eine Stelle frei: Der Anrufsender sucht einen neuen Programmdirektor. Muss theoretisch ein ziemlich entspannter Job sein. Denn Einschaltquoten können ihm egal sein. Wer Transaktionsfernsehen, dazu gehören neben dem Call-In-TV auch die Shoppingsender, veranstaltet, den interessiert nur eins: Wie viele Zuschauer zum Hörer greifen, um sich per Telefon an einem gebührenpflichtigen Gewinnspiel zu beteiligen, eine Pfanne oder eine Reise zu bestellen.

«Wir versuchen nicht, herkömmliches Fernsehen zu machen», betont Neun-Live-Geschäftsführerin Christiane zu Salm. Wer mal in den im Mai gestarteten Mitmach-Sender (vormals tm3) hereinzappt, kann das bestätigen. Wenn etwa in der Gameshow «Alles auf Rot» ein Foto mit drei Elefanten eingeblendet wird und der Moderator dann vom Kandidaten wissen will, ob der große Elefant vorn, in der Mitte oder hinten stand, fiebern selbst Quiz-Fanatiker nicht zwingend mit. Zumal nur kleine Beträge, 100, 200 Mark zu gewinnen sind.

Dennoch werden dem Nischen-TV erstaunliche Wachstumschancen vorhergesagt. So ließen sich laut einer Studie der Berliner Beratungsfirma GoldMedia mit Call-In-TV in fünf Jahren 200 Millionen Euro umsetzen, der Jahresumsatz der Verkaufskanäle könnte sich bis dahin auf eine Milliarde Euro glatt verdoppeln. Angesichts wegbrechender Werbeerlöse ist beim klassischen Privatfernsehen mit derlei Zuwachsraten nicht zu rechnen.

Doch um in die schwarzen Zahlen zu kommen, muss Neun Live noch kräftig zulegen. Sechs Millionen Zuschauer wählten im Oktober die 01 379-Nummer, zwölf Millionen müssten es sein. «Das schaffen die so nie», unkt ein Branchenkenner. «Die müssen erst mal mit guten Programmen locken, dann kann man zum Telefonieren verführen.» Genau daran hapert es. Auch Frau zu Salm ist mit dem Programm noch nicht zufrieden, die Formate würden weiterentwickelt, neue geplant - ein Polit-Voting, eine Astro-Show. Anrufer, die nicht zum Moderator durchkommen, sollen künftig mit Alternativ-Angeboten bei Laune gehalten werden. Schließlich kostet jede Einwahl 96 Pfennig (nachts 1,21 Mark), von denen der Sender die Hälfte kassiert.

«Wir müssen Interaktivität zum Erlebnis machen», hat sich die Ex-MTV-Chefin vorgenommen. Dafür sorgen sollen auch «originelle» Moderatoren wie «Big Brother»-Alida, die die Show «La Notte» präsentiert. Oder Porno-Queen Dolly Buster, die dort von Mitte Dezember an erotische Literatur liest. «Trash ist lustig», findet Frau zu Salm, die auf der hauseigenen Homepage eine «Neun-Live-Hasser»-Seite einrichten ließ. Die Fans von Neun Live gehören eher zu den weniger einkommensstarken Teilen der Bevölkerung, Hausfrauen, Rentner, Arbeitslose, auch Studenten. Das ermittelte die GfK. Am Vormittag ist die Hälfte der Zuschauer älter als 50, nachmittags verjüngst sich die Klientel. Doch um bestimmte Zielgruppen brauche der Call-Kanal onehin nicht zu buhlen: «Wer anruft, ist egal, er muss nur über 18 sein» - Minderjährige dürfen laut Gesetz nicht um Geld spielen.

Der Marktanteil liegt derzeit bei 0,3 Prozent, angestrebt sind 0,5 Prozent. In diesem Jahr wird der Sender, der wie der Verkaufskanal Home Shopping Europe zu Georg Koflers HOT Networks gehört, bei einem Nettoerlös von 40 Millionen Mark Verluste von unter 60 Millionen einfahren. Wobei er sich nur zur Hälfte aus den Telefongebühren finanziert. Der Rest stammt aus den Provisionen für die in der Sendung «Sonnenklar» verkauften Reisen sowie - dann doch - aus Werbung. Wobei sich zumindest im Abendprogramm Markenartikler zugunsten 0190-Spots eher rar machen.

Der Urlaubs-Shop «Sonnenklar» wiederum laufe so gut (geplanter Umsatz 2001: 60 Millionen Mark), dass Neun Live neben angemieteten «Sonnenklar»-Fenstern bei TV.Berlin u.a. im Mai 2002 einen Reisekanal auf Sendung bringen will.

Dabei sind mit TV Travel Shop und Liberty TV erst in diesem Jahr zwei elektronische Reisebüros gestartet, und Konkurrent Via 1 musste aufgrund der Buchungsflaute nach dem 11. September sogar Konkurs anmelden. Dennoch sagt die GoldMedia-Studie dem Reise-TV bis 2006 einen Umsatz von 640 Millionen Euro vorher.

Schon länger im Bereich Transaktionsfernsehen aktiv ist der ebenfalls zu HOT Networks gehörende Kanal Home Shopping Europe, 1995 als H.O.T gestartet. Auch hier interessiert sich niemand für die Einschaltquoten. Haushaltsartikel, Schmuck, Fitnessgeräte und Heimwerker-Bedarf vertreibt der Sender via Bildschirm. «Wir verstehen uns als elektronisches Versandhaus», so Sprecherin Silke Brinkmann.

Zuweilen werden auch Promis als Promoter eingespannt, so wirbt Karsten Speck für Trimm-Dich-Bedarf. Eine Christine-Kaufmann-Pflegeserie entwickelte sich gar zum Renner. 476 Millionen Mark hat der Sender 2000 umgesetzt, 2001 rechnet man in München mit einer prozentual zweistelligen Zuwachsrate. Den «Sprung nach vorn» erklärt sich Silke Brinkmann auch durch die auf Sat.1 und Kabel 1 geschalteten HSE-Fenster, die dem Sender 30 Prozent der derzeit 3500 Neukunden pro Tag bescherten.

Insgesamt 1,6 Millionen Deutsche haben im Laufe eines Jahres bei HSE geshoppt. Einen «entscheidenen Erfolgsfaktor» für die Verkaufskanäle hat GoldMedia ausgemacht: «Die Deutschen sind Versandhandelsfreaks.» In keinem Land der Welt wird pro Kopf so viel mit Order-Ware umgesetzt. Dennoch macht der Anteil der übers TV vertriebenen Waren im Vorjahr erst 2,1 Prozent des gesamten Versandhandelsumsatzes aus. Was damit zusammenhängen könnte, dass der Durchschnittskunde laut GoldMedia bis zur ersten Bestellung 50 Stunden zugeguckt haben muss. Das ist harte Arbeit. Wenn, wie zum Beispiel bei HSE gesehen, zwei unbegabte wie fröhliche No-Names «Biene Maja» anstimmen, um ein teures E-Piano zu verhökern.

Aber, wie sagt Caroline Biermann vom 1996 gestarteten Düsseldorfer Konkurrenten QVC (Tochter des gleichnamigen US-Anbieters), der in diesem Jahr 400 Millionen Mark umsetzen will und damit auch zugelegt hat: «Unterhalten dürfen wir nicht.» Denn die Verkaufskanäle sind als Mediendienste lizenziert.

Gaststar in der QVC-Testküche ist denn auch nicht Biolek oder Lippe, sondern ein neuer Superbräter mit Sichtkochmöglichkeit, dessen Gar-Ergebnisse die QVC-Moderatorin alle zwei Sekunden «Ist das lecker!» stöhnen lassen.

150 Mark geben die Kunden bei HSE im Schnitt pro Bestellung aus. Das Klischee vom frustrierten Shopping-Junkie widerlegt die Sender-Statistik (allerdings von 1999): Die meisten Käufer leben in einer festen Beziehung, verfügen über ein mittleres bis gehobenes Einkommen, 50 Prozent wohnen in einem Einfamilienhaus.

Sowohl bei HSE wie auch bei RTL Shop ist die Mehrzahl der Besteller weiblich (60 Prozent). 69 Millionen Mark hat der im Februar gestartete Sender, der mit eigens dafür produzierten Fenstern auch bei RTL und Vox präsent ist, bislang mit Produkten von der Miederhose bis zum PC umgesetzt.

In fünf Jahren will RTL Shop jährlich 300 Millionen Mark erzielen. Dazu beitragen könnte auch Erotik-Fachfrau Erika Berger, die in ihrer wöchentlichen Show im Nachtprogramm entsprechende Hilfsmittel feilhält.

Derweil soll das Transaktions-Konzept nun auch etablierten Sendern bei der Suche nach neuen Erlösquellen helfen: Der geplante Viva-2-Nachfolger Viva plus setzt vor allem auf interaktive Angebote.

Quelle: Berliner Morgenpost online

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  NEUN LIVE in der Krise
Oli 14.11.01 00:39 1716 
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Spenser 15.11.01 22:48 234 


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