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"Promis unter Palmen"-Mobbing: Staatsanwaltschaft ermittelt, Sat.1 entzieht sich Verantwortung
geschrieben von: TV Wunschliste, 30.04.20 13:00
Am Mittwochabend ging der traurige Höhepunkt von "Promis unter Palmen" über den Sender. Was bereits als Spoiler im Vorfeld die Runde machte, erwies sich als die Wahrheit: Bastian Yotta gewann nach seinem miesen Verhalten als Mobbinganführer das Format und wurde mit 100.000 Euro belohnt. Trotz des geballten Negativechos hat Sat.1 das Finale unverändert ausgestrahlt - und hat dennoch Ärger am Hals.

Wie wir bereits am Montag berichteten, wurde die umstrittene fünfte Folge, in der das heftige Mobbing gegen Mitbewohnerin Claudia Obert gezeigt wurde, vom Netz genommen und ist weder in der Sat.1-Mediathek noch bei Joyn oder maxdome verfügbar. Vom Sender erhielten wir die Auskunft: "Die Folge ist bis auf Weiteres aufgrund eines aktuellen Prüfverfahrens nicht abrufbar." Dennoch strahlte Sat.1 in der Montagnacht eine Wiederholung der Folge aus. Inzwischen steht fest, dass die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) die Überprüfung eingeleitet hat. Die zuständige Landesmedienanstalt LMK prüft, ob Verstöße vorliegen - "auch zu Gesichtspunkten des Jugendschutzes". Darüber hinaus berichtete die BILD am Mittwoch über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin gegen Sat.1 und die Produktionsfirma EndemolShine Germany - wegen "Förderung und Ausstrahlung von massivsten menschenverachtenden Verhaltensweisen".

Hinter der erstatteten Anzeige stehen der Berliner Verein "Liebe wen Du willst" und der Schauspieler und Anti-Mobbing-Trainer Carsten Stahl, die sich in der Öffentlichkeit klar gegen Mobbing stellen und von Sat.1 forderten, das Finale des Formats "aus Respekt vor vielen Opfern von Gewalt, Mobbing und Hetze" nicht auszustrahlen - dies geschah natürlich nicht. Die Lage bezüglich Mobbing ist ohnehin schon sehr prekär. Wenn Kinder und Jugendliche dieses Verhalten als Beispiel nehmen, haben wir in Deutschland ein echtes Problem, so Steve Hildebrandt, Vorsitzender des Vereins.

Bastian Yotta, Carina Spack und Matthias Mangiapane haben Mitbewohnerin Claudia Obert derart gemobbt, dass sie daraufhin die Flucht ergriff und das Format verließ. Seitdem kocht das Internet und die Mobber wurden im Internet von empörten Zuschauern an den Pranger gestellt. Die 23-jährige Influencerin Carina Spack verlor im Zuge der Aufregung einen lukrativen Werbedeal. Doch das Hauptproblem ist in Wirklichkeit nicht Carina Spack - auch nicht Bastian Yotta, Matthias Mangiapane oder Désirée Nick - sondern die Tatsache, dass Sat.1 und EndemolShine diesen Menschen ganz gezielt und mit voller Absicht eine Plattform zur Hauptsendezeit geboten haben.
Sat.1


Sat.1 ist sich jedoch keiner Schuld bewusst - bis heute gab es keinerlei Entschuldigung oder Fehlereingeständnis. Nach dem Aufruhr veröffentlichte der Sender in der vergangenen Woche ein lächerliches Statement, in dem es lediglich hieß, dass man den Promis nicht vorschreiben würde, wie sie sich als erwachsene Menschen zu verhalten haben. Es sei kein Teilnehmer zu Schaden gekommen, zudem seien Betreuer und Psychologen vor Ort gewesen. Dies reichte den meisten empörten Zuschauern jedoch nicht - da es am Kern des Vorwurfs vorbeiging, dass Mobbing ohne jede Einordnung oder Distanzierung zum Zwecke der Unterhaltung dargestellt wurde.

Zur Erinnerung: "Promis unter Palmen" war mitnichten eine aktuelle Produktion - sie wurde im November 2019 voraufgezeichnet. Es wurden gezielt kontroverse und problematische Kandidaten engagiert, die nicht mit krawalligem und prolligem Verhalten sparten. Dies haben die Protagonisten in der Vergangenheit bereits in anderen Formaten unter Beweis gestellt. Natürlich wurde Désirée Nick engagiert, um als "keifende Diva" aufzutreten, Ronald Schill als "alternder Lustmolch", Claudia Obert als "dauerbeschwipste Unternehmerin" und Bastian Yotta als "sexistischer Moralapostel ohne Moral". Eine klar kalkulierte Zusammenstellung des Casts also, der letztendlich nicht originell war. Doch der Sender feierte seinen "Trash-Traum" und suhlte sich im Quotenerfolg.

Aber: Sat.1 hat die Situation und die Reaktionen völlig falsch eingeschätzt. Der Sender war überzeugt davon, den absoluten Premium-Trash-Höhepunkt abzuliefern, den alle feiern würden - doch das Gegenteil trat nach Folge 5 ein. Der Sender hätte im Vorfeld überlegen können, wie man mit dem Vorfall umgehen sollte und Einordnung, Hilfe, Distanzierung anbieten können. All das geschah nicht. Zwischen Dreh und Ausstrahlung des Formats lagen vier bis fünf Monate. Genügend Zeit bestand also, um sich derlei Gedanken zu machen - doch die Verantwortlichen von Sat.1 wollten es genau so senden und haben sich beim Sichten des explosiven Materials vermutlich diebisch die Hände gerieben und feixend auf den Moment der Ausstrahlung dieses Meisterwerks hingefiebert.

Ein Sender, dem jedes Mittel für die gute Quote recht ist, Kandidat*innen, die Gift spucken und eine Branche, an der offensichtlich sämtliche Debatten der vergangenen Jahre vorbeigezogen sind, resümmiert die Journalistin Nora Voigt in ihrem treffenden Kommentar "Das viel zu späte Entsetzen über die Verachtungs-Show" bei Übermedien. "Promis unter Palmen" verkaufe Grenzüberschreitung als Unterhaltung und sei angesichts der Darstellung von Gewalt, Alkoholismus und sexueller Belästigung eine Bühne für Arschlöcher, eine Spielwiese für Anti-Solidarität, ein Rückschlag für die Gleichberechtigung.

Selbst die dem Trash-TV äußerst zugeneigte Spiegel-Kolumnistin Anja Rützel sieht bei "Promis unter Palmen" Grenzen überschritten und rief dazu auf, das Finale nicht zu gucken. Fernsehen darf Weltsichten ausstellen, die schrecklich sind und schmerzen - aber es steht dann auch in der Pflicht, diese schiefen Werte zu kommentieren, einzuordnen oder zu bewerten. Also: eine Haltung zu beziehen, erläutert sie ungewohnt ernst. Aber wenn die Off-Stimme nicht einschreitet, um Sexismen und Mobbing zu benennen, werden diese Gafflustfütterungen gefährlich - weil sie Verurteilenswertes ohne eine Einordnung eben vor allem auch reproduzieren.

Gegen Bastian Yotta persönlich wurde übrigens vom Verein "Liebe wen Du willst" ebenfalls Anzeige erstattet. Der Grund hierfür sind wiederum frauenverachtende und sexistische Aussagen in einem Online-Video von Yotta, das vor knapp zwei Wochen im Internet aufgetaucht ist. Gegenstand ist ein Video, in dem in verharmlosender und befürwortender Weise ein Sachverhalt geschildert wird, der den Tatbestand des sexuellen Übergriffs auf eine aufgrund Alkohol- oder Rauschmittelkonsums widerstandsunfähige Frau erfüllen könnte, so der Berliner Staatsanwalt Markus Oswald gegenüber RTL.de. Es werde nun geprüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt. Yotta selbst kommentierte: Ich respektiere diesen Weg. Die Organisation hat Gutes im Sinn und geht gegen mein altes Ich vor. Aber ich denke, sie wissen auch, dass ich mich geändert habe.

Mit Bastian Yotta als Buhmann versucht sich Sat.1 aus der Affäre zu ziehen, indem sich der Sender von dessen Aussagen distanzierte und ihn von weiteren Produktionen ausschloss (TV Wunschliste berichtete). Auch RTL versprach, künftig nicht mehr mit dem selbsternannten Fitness- und Lifestyle-Coach zusammenzuarbeiten. Dies hinderte den Sender jedoch nicht daran, Yotta gestern (29. April) in der Nachmittagstalkshow "Marco Schreyl" per Videoschalte zu interviewen. Konkurrent ProSieben sprang darauf an und twitterte "Versprochen gebrochen" - und legte nach:


Eingeschnappt reagierte RTL und antwortete: ... jetzt lasst doch mal die Kirche im Dorf. Im Talk #MarcoSchreyl sollte Yotta per Schalte zu seinen sexistischen und frauenverachtenden Videos Stellung nehmen. Dazu stehen wir auch. Wir planen sicher keine Formate mit ihm. Gegenüber DWDL führte eine Sendersprecherin aus: Nach Gesprächen mit der Redaktion und Produktion und vor dem Hintergrund, dass das Thema momentan gerade durch diverse Äußerungen von Prominenten in der Gesellschaft diskutiert wird, ist es aus journalistischer Sicht fast unumgänglich, auch Personen wie Herrn Yotta zu diesem Thema zu Wort kommen zu lassen. Um eine faire und differenzierte Diskussion zu gewährleisten, wurde Herr Yotta daher durch eine Schalte in die Sendung miteinbezogen.

Die Sender schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu und streiten darüber, wer nun der Schuldige ist, weil Yotta erneut Sendezeit erhält. Dieser Kleinkrieg verdeutlicht nur noch mehr das Grundproblem, das auch Sat.1 nach wie vor nicht zu verstehen scheint. Vor lauter Quotengeilheit entzieht sich der Sender als scheinbar Unbeteiligter jeglicher Verantwortung und freut sich lieber über die mehr als drei Millionen Zuschauer, die das "Promis unter Palmen"-Finale einschalteten (TV Wunschliste berichtete) - und das ist wie üblich das Einzige, das TV-Sender wirklich interessiert. Berechtigte Kritik wird ausgesessen - oder bei Twitter hämisch und trotzig kommentiert.


Bastian Yotta habe sich im Finale "sportlich fair" durchgesetzt und deshalb gewonnen. Eine weitere Zusammenarbeit sei hingegen nicht geplant. Kurzfristig nimmt der Sender kommende Woche das Special "Promis unter Palmen - Die große Aussprache" ins Programm - ohne Beteiligung von Yotta. Eine zweite Staffel für 2021 drohte der Sender darüber hinaus an.

30.04.2020 - Glenn Riedmeier/TV Wunschliste
Bild: Sat.1/Richard Hübner


[www.wunschliste.de]

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  "Promis unter Palmen"-Mobbing: Staatsanwaltschaft ermittelt, Sat.1 entzieht sich …
TV Wunschliste 30.04.20 13:00 517 
  Re: "Promis unter Palmen"-Mobbing: Staatsanwaltschaft ermittelt, Sat.1 entzieht sich …
pumaquibö 30.04.20 15:39 400 


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