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TV-Erinnerungen an gute, alte Fernsehzeiten
"Wolken über Kaprun" - Serien- und DVD-Reviw
geschrieben von: Pete Morgan, 18.12.10 03:52
Es ist die Zeit, als die Welt und das Leben in kleinen alpenländischen Gemeinden noch nicht vom Fortschritt und der Moderne überrollt worden sind. Es ist die Zeit, in der die Menschen im Dorf das, was sie zum täglichen Leben brauchen, im örtlichen Gemischtwarenladen einkaufen; es ist die Zeit, als der Landarzt mit einem klapprigen uralten Automobil, das bei jeder Bewegung ächzt und stöhnt, die engen Gebirgsstraßen zu seinen Patienten hinauf schnauft und dabei so sehr die Ruhe weg hat, dass er erst mal beim Bergbauern das Zwicken in der Galle untersucht und ihm wegen zu viel Schnapsgenusses die Levithen ließt, während weiter unten eine Bäuerin in den Wehen liegt und den Herrn Doktor viel nötiger gebraucht hätte; es ist die Zeit, als die Volksschule am ort noch von einer einzigen Lehrerin geleitet wird und die Kinder trotzdem einiges fürs Leben gelernt haben, und in der das Dorf nur einen einzigen gendaramerie-Inspektor mit Fahrrad hat, der für Ruhe und Ordnung sorgt; es ist die Zeit, wo der seltene Besuch im Dorfkino noch etwas ganz Besonderes ist und man ansonsten allenfalls Abwechslung beim abendlichen Schafkopf-Spiel im Wirtshaus findet. Ein schöne Zeit ist es, eine ruhige Zeit - eine Zeit der Harmonie und des Friedens, die nur von einer gelegentlichen Rauferei oder einem gar zu strengen Vater, der seinem Sohn eine Tracht Prügel verpasst, gestört wird. Und der einzige Fortschritt, den es in jener Zeit in der Gegend rund um das Dorf gibt, ist ein Jahrhundertbau - das gigantische Stausee-Kraftwerk von Kaprun, das sich eingebettet zwischen schneebedeckten Gipfeln dreitausend Meter hoher Gebirgsriesen majestätisch über dem Dorf erhebt...

Und in dieser Zeit, kurz nach der Fertigstellung des Kraftwerks, spielt die Serie "Wolken über kaprun". Als langjähriger Fan des deutschen und österreichischen Heimatfilm-Klassikern, der schon als kleiner Junge mit dem Begriff "Kaprun" vertraut war, kam ich letztlich doch nicht umhin, mir die Pidax-Veröffentlichung des deutsch-österreichischen Serienklassikers "Wolken über Kaprun" zuzulegen. Erzählt werden in 13 knapp halbstündigen Episoden die Erlebnisse des Ingenieurs Thomas Reuterer, der in dem Bergdorf St. Johann den so genannten Kontrollpunkt Michael des Staukraftwerks Kaprun beaufsichtigt. Reuterer lebt in einer weit vom Dorf abgelegenen Hütte und stellt die einzige Verbindung zwischen dem Dorf, dem Kraftwerk und einer Bergstation dar, die per Seilbahn mit seiner Hütte und dem Kraftwerk verbunden ist. Um zwischen dem Dorf und seiner Hütte zu pendeln, benutzt Reuterer stets einen bei jeder Witterung offenen amerikanischen Jeep. Sein einziger Mitbewohner ist sein treuer Schäferhund Rex, ein ehemaliger Lawinenhund der Gendarmerie.

Er ist schon ein harter Bursche, der Ingenieur Reuterer, dem die Dorfbewohner anfangs etwas argwöhnuisch gegenüber stehen, hat er doch auch eine recht ruppige und aufbrausende Art und fährt leicht aus der Haut, wenn's mal nicht so geht wie er es sich wünscht. Aber das ändert sich sehr bald, denn bereits in der ersten Episode der Serie wird Reuterer unfreiwillig aufgrund dramatischer Umstände, bei denen er sein Leben aufs Spiel setzt, zum Helden der Dorfgemeinschaft und gewinnt so den Respekt der Dorfbewohner - und das Herz der Volksschullehrerin Maria Konrad, die allerdings mit Reuterers draufgängerischer Art und Risikobereitschaft nicht zurecht kommt und deshalb den letzten Schritt zur Verlobung doch nicht so recht wagen will.

Ja, was hat uns denn da Pidax für ein Geschenk gemacht? Man könnte jetzt meinen, dass ich die Leute von Pidax, die diese Doppel-DVD verbrochen haben, bauchpinseln möchte, aber mitnichten - ich sag einfach, wie's ist. Und es ist - erstklassig!

Was man hier zu sehen bekommt ist mehr als 6 Stunden Heimatfilmkino für das Wohnzimmer vom Allerfeinsten. Verglichen mit heutigen Serien wie Bergdoktor und Bergwacht, die zwar auch gewisser Dramatik nicht entbehren, und in denen es auch kräftig "menschelt", komprimiert aber "Wolken über Kaprun" auf 25 Minuten Stoffe, die man auch in abendfüllenden Heimatfilmen der Fünfziger und Sechziger Jahre auf der großen Leinwand findet. Dabei wirkt das, was hier von F.J.Gottlieb routiniert inszeniert wurde, selten unglaubwürdig. Es gibt zwar einige Momente, die durchaus heute so nicht mehr denkbar wären, wie zum Beispiel die wunderbare Szene, als Reuterer eine junge Frau in der Hütte aufnehmen muss, die alsbald in den Wehen liegt, und er in seiner Verzweiflung meint: "Trinken Sie erst mal einen Schnaps, dann geht's Ihnen bessewr" - heute undenklbar, würden doch sämtliche Krankenkassen und mediziner auf die Barrikaden gehen, aber umgebracht hat's die Frau nicht, und dem Baby hat's auch nicht geschadet... aber diese Momente sind ziemlich rar. Überhaupt wird auch geraucht und getrunken, aber das war eben damals so, und ein Ingenieur, der heute ohne seine geliebte Pfeife unterwegs wäre, wäre in meinen Augen eher unrealistisch. Die Pfeife gehört eben zu Reuterer. Mit viel Liebe zum Detail werden wir Zeuge von dramatischen Abenteuern im Hochgebirge, immer begleitet von grandiosen Aufnahmen der schneebedeckten Bergwelt rings um das Kraftwerk Kaprun. Seien es Touristen in Bergnot, seien es erfahrene Bergsteiger, die in Not geraten, seien es Lawinenopfer oder sei es ein gefährlicher Schläger, der für Wirbel sorgt - Thomas Reuterer hat alle Hände voll zu tun. Und sei das nicht genug, geraten auch immer wieder Kinder aus dem Ort in einen gefährlichen Schlamassel und müssen vor dem Tode bewahrt werden...

Wie man es vom Heimatfilm kennt, erleben wir Szenen von höchster Dramatik und Spannung, untermalt von einer kongenialen Titelmusik und Hammondorgelklängen. Einzig störend wirkt, dass man zur Untermalung von dramatischen Szenen oft auch das Kreischen von Bergvögeln genommen hat - was es für Vögel sind, weiß ich nicht, aber sie nerven mitunter schon ein wenig. Das Titelthema und die von Hörnern dominierte Musik würde jedem Heimatfilm eines Luis Trenker zur Ehre gereichen. Die Geschichten sind packend, mitreißend und spannender, als es jemals eine deutsche Heimatserie der 80er, 90er oder des neuen Jahrtausends gewesen ist oder werden könnte. Dazu sind heutige Geschichten einfach zu dialoglastig, zu verschachtelt. Bei "Wiolken über Kaprun" gehts ziemlich rasch zur Sache.

Ein Faktor, der die Serie sehenswert macht, ist natürlich die Darstellerriege. Allen voran "Traumschiff-Doc" Horst Naumann. Zugegeben, er hat den bayrischen Akzent nicht so drauf und man fragt sich manchmal, was ein Preuße verdammt noch einmal auf der Alm und in den Bergen rumzukraxeln hat, aber er ist in der Rolle einfach großartig. Nie overacting, nie zu dominierend, einfach prima gespielt, und die Idealbesetzung des rauen Ingeniers Reuterer. Doris Kirchner, die man aus zahlreichen Heimatfilmen der 60er Jahre kennt, spielt Maria, seine Angebetete, und beide spielen großartig zusammen - die Harmonie stimmt, wenn Doris Kirchner, was äußerst positiv wirkt, auch keine Schönheit ist - sie ist eine nicht unattraktive, aber eben doch eher herbe und dennoch sehr sympathische Frau (die dem heutigen Schönheitsideal in den modernen Serien so gar nicht entsprechen würde, aber dadurch umso glaubwürdiger wirkt), die sich in dieser rauen Gebirgswelrt zu behaupten weiß. Unterstützt werden die beiden von einer Reihe Darsteller, die eher nur den Liebhabern und Kennern des Heimatfilm-Kinos häufiger begegnet sein düerften, doch Namen wie Fred Bertelmann ("Der lachende Vagabund"), "Sieghard Rupp ("Kressin") oder Marianne Schönauer ("Der Kurier der Kaiserin", "Im Auftrag von Madame") sind ein Begriff. Vor allem Fred Bertelmann ist in einer Rolle zu sehen, in der er so intensiv spielt, wie man ihn im Kino selten sah - und er hat diesmal eine Unsympathenrolle, die sich erst am Ende wandelt.

Die technische Arbeit, die Pidax hier geleistet hat, ist schlichtweg phänomenal. Das Bild ist erstklassig, wenn man von ein paar kleinen Drop-Outs und Bildstrichen absieht, die aber eben alterbedingt dem Original Material zuzuschreiben sind und sich einfach nicht umgehen ließen. Aber diese wirken sich keinesfalls störend aus. Zwar sind die ganzen Nebengeräusche wie das Knirschen von Gestein oder das Trappeln von Schritten und das Knarzen von Bodendielen, die in der Originalfassung nicht so deutlich gewesen sein mögen, für eine Serie diesen Alters nun doch etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch das ist alles andere als störend. Bild und Ton sind edel und die Serie ist perfekt restauriert. Besser kann man es wohl nicht machen.

Gibt es auch was zu meckern? Ja, das gibt es sehr wohl - zum einen, dass sich die Leute von Pidax wohl doch nicht so eingehend mit der Serie beschäftigt haben, wie es hätte sein sollen, sonst hätten sie gemerkt, dass die Reihenfolge der Episoden an einer Stelle nicht ganz mit der inhaltlichen Chronologie einhergeht, und zum anderen wurden auch zwei Episoden bei der Betitelung verwechselt. Aber das sind eben Schönheitsfehler, über die ich gerne bereit bin, hinwegzusehn.
Was ich mir außerdem gewünscht hätte, ist ein Interview mit Horst Naumann, der sicher gerne ein wenig über seine Erlebnisse beim Dreh in den Alpen und über seine Zusammenarbeit mit Doris Kirchner und F.J.Gottliweb geplaudert hätte.

Für mich ist "Wolken über Kapurn" ganz großes Heimat-Heimkino, wie man es besser nicht hätte inszenieren können. Schade, dass nur 13 Episoden produziert wurden, aber die haben es in sich. Heute angeschaut, bietet die Serie für die Fans des Genres und für TV-Nostalgiker, die sich auf dieses Genre einlassen möchten, gleichermaßen pures Vergnügen. An solchen Serienproduktionen sollten sich heutige Senderredaktionem und Produzenten mal ein gehöriges Beispiel nehmen, dann wüssten sie, wie man wirklich gute und spannende Fernsehunterhaltung abliefern kann!

Bei mir hat "Wolken über Kaprun" einen Ehrenplatz in der Sammlung erhalten.

Der Lonewolf Pete

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Pete Morgan 18.12.10 03:52 1637 
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eiwennho 19.12.10 15:52 597 
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Pete Morgan 19.12.10 17:07 707 
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Daniela64 10.01.11 22:32 525 
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onlyoneman 11.01.11 00:37 523 


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