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Der Hype um Nosferatu
geschrieben von: Pete Morgan, 09.01.25 00:25
Ich muss sagen, der Hype um Nosferatu verwundert mich etwas. Jahrelang war in den Filmforen und sozialen Netzwerken kaum die Rede von Murnaus Meisterwerk aus dem Jahre 1922 und Werner Herzogs Remake mit Kinski aus dem Jahre 1979. Ich habe sogar erlebt, dass so genannte selbsternannte "Filmexperten" das Original abwertend beurteilten, weil es eben ein "Stummfilm" ist und noch dazu Schwarzweiß. Doch kaum stellt ein amerikanischer Filmemacher ein weiteres Remake fertig und bringt es in die Kinos, überschlagen sich die Filmfans/Filmexperten, und die sozialen Netzwerke fließen über vor Lobeshymnen.

Als Fan des Originals und des Herzog-Films war auch ich gespannt auf die amerikanische Umsetzung des Stoffes. Was soll ich sagen... erwartungsgemäß kann diese neue Produktion weder dem Original noch dem Remake von 1979 auch nur annähernd das Wasser reichen. Man legte großen Wert darauf, mit Licht und Schatten zu spielen, um möglichst die Atmosphäre von Murnaus Stummfilm einzufangen, doch das gelingt nur bedingt. Zwar wirkt der Film bisweilen recht düster, aber das allein reicht nicht aus, um den Film richtig gruselig zu machen. Was ihm aber wirklich Schaden zufügt, ist die Tatsache, dass man Graf Orlok als potthässliche, halb verwesenden (so wirkt er mitunter), permanent asthmatisch röchelnden Greis darstellt, dessen Röcheln wirklich nervt. Dann macht man den Fehler, Schlüsselszenen aus dem Stummfilm komplett auszusparen - man stelle sich nur vor, welch grandiose Gruselatmosphäre man hätte kreieren können mit der Einfahrt des Totenschiffes "Demeter" im Hafen - damit hätte man die Gänsehaut gehörig im Nacken kribbeln lassen können und den Grusel und die Bedrohung auf die Spitze treiben können. Man hat aber leider drauf verzichtet, ebenso wie auf die legendäre Szene, als Nosferatu nachts mit dem Sarg durch Wismar spaziert um einen Schlafplatz zu suchen. Okay, der neue Vampirgraf hätte jetzt nicht unbedingt mit ner Todenkiste durch die Stadt traben müssen, aber allein seine Präsenz, nachts einsam durch die Stadt zu hetzen auf der verzweifelten Suche nach einem Schlafplatz, vielleicht gefolgt und umgeben von Tausenden Ratten - das hätte das Unheil und Grauen doch auf die Spitze getrieben.

Leider hat man stattdessen Szenen in den Film eingebaut, die als Hommage an den Exorzist anmuten, vielleicht auch so gedacht waren, aber in dem Film völlig fehl am Platz sind und demzufolge viel Schaden anrichten. Wie bereits in "Die letzte Fahrt der Demeter" macht man den Fehler, die Atmosphäre durch den Vampirgraf selbst zu zerstören - in der Demeter wird er zu einem nackten, krabbelnden Monstrum, bei dem man sich fragen muss, wie so jemand sich nach der Landung in England in die feine Gesellschaft integrieren können soll... völlig unglaubwürdig. Da wäre es der Hammer gewesen, dem Grafen die menschliche, in dunklen Umhang gekleidete Gestalt mit Klauenhänden zu geben, die nächtens das Schiff unsicher macht. Aber nein - und genau den gleichen Fehler macht man in Nosferatu, als der Vampirgraf viel zu selten auftaucht und wenn, dann einfach durch seine Hässlichkeit Grauen erzeugen soll - das geht allerdings gehörig schief.

Auch Willem Dafoe als Gegenspieler des Vampirgrafen - er, der ja so viel über Vampire wissen soll und die Gegenmaßnahmen kennen soll - tapert die meiste Zeit hilflos durch den Film und bleibt bis zum Ende ebenfalls hilflos, ist nicht in der Lage, Orlok den Garaus zu machen - er ist nicht mal in der Lage, zu verhindern, dass Orlok auf dem Weg zu seiner Angebeteten andere Opfer findet. Schließlich muss es das Objekt der Begierde richten und den Grafen in die Todesfalle locken... höchst unbefriedigend. Klar ist das in den vorherigen Verfilmungen auch so, aber man hätte hier einen neuen Ansatz finden können, ähnlich der Van Helsing-Figur aus den Hammer-Verfilmungen, vielleicht eine Mischung aus beiden.

Somit bleibt als Fazit ein völlig überbewerteter Versuch des Remakes eines klassischen Gruselfilm-Meisterwerkes, das zwar eine ordentliche Atmosphäre hat, aber weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und dadurch weit von der Qualität des Originals entfernt bleibt. Ich kann nur vermuten, dass es sich bei den Leuten, die diesen Film so sehr in den Himmel hypen und mit Lobeshymnen überschütten, um Cineasten handelt, die das Original nie gesehen haben und auch mit Herzogs Remake nicht vertraut sind. Anders kann ich mir diese Begeisterungsstürme, als würde der Film das Rad des Gruselkinos neu erfinden, nicht erklären. Wer das Original kennt und sich selbst bei mehrfachem Ansehen richtig gegruselt hat, wird dieses Gänsehaut-Feeling bei Sichtung dieses Remakes erwarten und leider enttäuscht werden. Daran wird auch der bereits für die Heimkinoauswertung angekündigte "extended Cut" nichts ändern.

Der Lonewolf Pete

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  Der Hype um Nosferatu
Pete Morgan 09.01.25 00:25 193 
  Re: Der Hype um Nosferatu
James Finlaysons Assistent 09.01.25 05:19 93 
  Re: Der Hype um Nosferatu
jewel 09.01.25 10:13 85 
  Re: Der Hype um Nosferatu
Gantenbein 09.01.25 13:35 109 
  Re: Der Hype um Nosferatu
Ondina 10.01.25 18:14 113 


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