Der Thread ist schon so weit nach hinten gerutscht, dass es kaum noch Sinn macht, darin zu schreiben, aber ich hätte auch noch einen Gedankengang zur Anregung:

Ich fühle mich nicht beleidigt oder hintangestellt, wenn ich auf einer Pressekonferenz begrüßt werde mit "Liebe Kollegen" oder "Liebe Journalisten". Einfach, weil ich weiß, dass das normaler deutscher Sprachgebrauch und gleichzeitig die Vermeidung endlos langer Sprach- und Redeungetüme ist. Wer auf einer Pressekonferenz beginnt mit: "Sehr geehrte Journalistinnen und Journalisten, verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Fachpresse, liebe Kolleginnen und Kollegen" hat bei mir schon verloren, weil er meine Zeit verschwendet. Ich weiß, dass ich mit der Anrede "Journalist" ebenso gemeint bin, wie mein männlicher Kollege, wir haben im Deutschen nunmal keine geschlechterübergreifende Mehrzahl.

Frauen, die auf diese Anredeformen bestehen, kommen mir daher meist nicht wie selbstbewusste Verterinnen unseres Geschlechts vor, sondern ganz im Gegenteil: Wer anhand einer korrekten Anrede die Achtung seines Gegenübers beurteilt, leidet in meinen Augen eher unter einem starken Mangel an Selbstbewusstsein.

Mich stört, wenn ich von männlichen Kollegen oder Vorgesetzten gönnerhaft behandelt werde oder wenn mir von diesen Leuten weniger zugetraut wird als einem Mann ... wie sie mich anreden, ist mir (Höflichkeit vorausgesetzt) dagegen ziemlich egal. Der Geschäftsführer eines Mitbewerberverlags, den ich vor ein paar Tagen kennengelernt habe, hat nicht ein einziges Mal verpasst, uns alle jeweils passend mit weiblicher und männlicher Form anzureden (in der korrekten Reihenfolge, versteht sich). Was für ein korrekter und achtungsvoller Kollege ... Und in einem kurzen persönlichen Gespräch fragte er mich dann, ob die Kamera in meiner Hand meinem Mann gehöre, Frauen zögen doch eher die kleinen kompakten im modischen Style vor. So eine Spiegelreflex dagegen sei doch schon recht anspruchsvoll zu bedienen. Seine Frau würde ein solches Gerät nicht anfassen, daher hätte er ihr zu Weihnachten die neue Canon Ixus gekauft, in bordeauxrot, weil sie auch diese Lippenstiftfarbe bevorzuge ...

Das empfinde ich als diskriminierend. Hätte er sich dieses dämliche Gequatsche gespart, dann hätte er mich gern auch als "Redakteur" vom Konkurrenzmagazin bezeichnen dürfen, ich hätte mich mich beeinträchtigt gefühlt.

Warum brauche ich eine Extra-Bezeichnung, wenn ich dasselbe leiste und tue wie meine männlichen Kollegen? Zeigt das nicht eher, dass es noch immer ungewöhnlich ist, Frauen in sogenannten typischen Männerberufen ernstzunehmen?