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Re: Zeitreise ins Jahr 1985
Morlar schrieb:
------------------------------------------------------- > > Die 80er Jahre (und alle Jahrzehnte davor) waren > trotzdem keine heile Welt wie in damaligen > beliebten Familienserien, in denen es höchstens > Problemchen gab, die am Folgenende dann aber auch > schon gelöst waren. (Mir kommt gerade "Ich > heirate eine Familie" in den Sinn.) Ich weiß > nicht, wie du darauf kommst, dass Menschen damals > allgemein "netter" waren. Nein, eine "heile Welt" waren die 80er Jahre sicher nicht. (Wie ich hier schon schrieb, war es ja die Zeit des Kalten Krieges.) Ich würde auch nicht unbedingt sagen, dass die Menschen in der Bundesrepublik damals "netter" oder "gutherziger" waren. Vielleicht waren sie aber in ihrem Verhalten insgesamt weniger egoistisch und weniger selbstdarstellerisch als in den folgenden Jahrzehnten. Oder mit anderen Worten: Das Phänomen der Ellenbogenmentalität hat sich meinem Empfinden nach seit den 80er Jahren bis heute immer mehr verstärkt, und zwar in allen gesellschaftlichen Schichten und Milieus. Um das genau zu analysieren, bräuchte man natürlich sozialwissenschaftliche, psychologische Studien, die solche Parameter im Langzeitverlauf erhoben haben. Man könnte aber auch eine Analyse der Medienangebote und Medieninhalte in den verschiedenen Jahrzehnten vornehmen und dabei der Annahme folgen, dass diese den jeweiligen Zeitgeist widerspiegeln, aber gleichzeitig den Zeitgeschmack (zumindest teilweise) auch selbst prägen bzw. beeinflussen. Höchstwahrscheinlich wird ein Ergebnis sein, dass die Entwicklung immer mehr in Richtung "Individualismus" geht und die Medienlandschaft zunehmend vielfältiger, aber eben auch komplexer wird. Das erscheint mir jedenfalls logisch, da heutzutage jede/r die Möglichkeit hat, einen eigenen YouTube- oder sonstigen Social-Media-Kanal mit individuellen Inhalten zu betreiben. Alleine dieser eine Faktor deutet schon darauf hin, dass es in unserer modernen Welt immer schwieriger wird, sich auf einen gemeinsamen Kurs zu verständigen, da es so viele Strömungen und Meinungen (und immer mehr Subkulturen) gibt, die alle gehört und berücksichtigt werden wollen. Im Prinzip finde ich Vielfalt gut, da sie sehr gewinnbringend sein kann. Das funktioniert aber nur dann, wenn jede/r einzelne einsieht, dass er/sie nur eine/r von vielen ist und die ganz persönlichen Wertvorstellungen nicht das Maß aller Dinge sein dürfen. Dazu kommt noch die zunehmende Kommerzialisierung der Medienlandschaft seit dem Aufkommen des Privatfernsehens, die meiner Wahrnehmung nach zu mehr Oberflächlichkeit und zu einem "Mehr Schein als Sein" geführt hat. Diesen Punkt führe ich an dieser Stelle aber nicht weiter aus. Darüber könnte man sicher wieder lange diskutieren. > Sogenannte Streber, Schwächlinge, Schüchterne, > körperlich und sonst wie Auffällige, waren und > werden immer Gefahr laufen, besonders in der > Schule Opfer von Spott und Gewalt zu werden. Das > hat wenig mit Zeitgeist als mit der Natur des > Menschen zu tun. Das sehe ich anders. Zu anderen Zeiten, die sicher auch nicht die besten waren und in denen der Unterricht viel strenger war und es vor allem galt, Gehorsam zu zeigen, waren die gemobbten Schüler/innen ganz andere Personentypen. Oder anders gesagt: Diejenigen, die mich während meiner Schulzeit gemobbt haben, wären damals mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit selbst die Gemobbten gewesen. In der heutigen Zeit ist wieder alles anders. Heute hätte ich es wahrscheinlich als jugendlicher Schüler, was Mobbing betrifft, einfacher als seinerzeit (in den späten 90er Jahren). Mein Asperger-Syndrom wäre sicherlich bereits in meiner Kindheit diagnostiziert worden und ich hätte dann Anspruch auf sozialpädagogische Betreuung und Hilfestellungen während der Unterrichtszeit. Wahrscheinlich würde man sogar peinlichst darauf achten, dass ich nur nicht wegen meiner Diagnose gemobbt werde. Aber ehrlich gesagt finde ich es ziemlich traurig, dass wir in Zeiten leben, in denen solche Maßnahmen überhaupt nötig sind, um Mobbing von Sonderlingen zu vermeiden. Mir wäre es am liebsten gewesen, einfach in einer intakten Klassengemeinschaft mit anderen Schüler/innen zu sein. In meiner Grundschulzeit (für mich die schönste Zeit meines bisherigen Lebens) war das auch noch der Fall. Hier hatte ich kaum Probleme mit Mobbing. Diese kamen erst in der Jugendzeit, als es "in" war, sich in Cliquen zusammenzuschließen und voneinander abzugrenzen. Das war eben nicht mein Fall; ich wollte im Prinzip mit allen friedlich auskommen, sowohl mit meinen Klassenkameraden als auch mit den Lehrkräften (respektieren und respektiert werden sozusagen), aber paradoxerweise wurde ich stattdessen gemobbt. > Du schreibst vom Milieu des Gemobbten, ich möchte > noch kurz das des Mobbers eingehen. Von zwei > damaligen Peinigern wusste ich schon damals, dass > sie selbst Opfer elterlicher Gewalt waren. Und als > Erwachsener kam ich ins Gespräch mit einer Frau, > von der ich bis dahin niemals gedacht hätte, dass > sie eine jugendliche Mobberin war. Und auch sie > hat exzessive Gewalt im Elternhaus erlebt. Das > Mobben war für sie eine Art Ventil. (Sie hat aber > an sich gearbeitet, Therapie etc.). > > Worauf ich hinaus will: körperliche "Züchtigung" > der Kinder war zumindest in den 80ern zwar immer > mehr verpönt, aber dennoch eine verbreitete > Erziehungsmethode, natürlich nicht automatisch > verbunden mit Gewaltexzessen. Heutzutage kommen > Kinder, so schätze ich das jedenfalls ein, viel > weniger in Kontakt mit häuslicher Gewalt. Im > Prinzip müsste das Schulmobbing daher abgenommen > haben. Zahlen dazu fand ich leider nicht. Dein Einwand ist berechtigt. Stimmt, wenn es jemand nötig hat zu mobben, können solche Gewalterfahrungen im Elternhaus eine Ursache dafür sein. Deine Schlussfolgerung, das Schulmobbing müsse demzufolge abgenommen haben, kann ich aber so nicht nachvollziehen. Denn neben Gewalt in der Erziehung gibt es sicher viele weitere Parameter, die mobbendes Verhalten begünstigen. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass auch nur ein/e einzige/r von den Schüler/innen, die mich seinerzeit gemobbt haben, von solchen Gewaltexzessen betroffen waren. Die Hauptgründe dafür, dass ich Mobbingerfahrungen in meiner Schulzeit gemacht habe, dürften also andere sein. In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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