Re: Zeitgeist und Umgangsformen der Gegenwart (im Vergleich zu damals)
Hier meine Geschichte ueber mangelnde Toleranz.
Ich lebte 5 Jahre lang in einem Altbau in Hamburg-Eppendorf in der Heider Strasse, das war von 1997 - 2002, als ich gluecklicherweise auswanderte.
Ich war von drei Seiten von lauten Nachbarn umgeben, und keiner wollte Ruecksicht nehmen.
Unter mir stritt sich ein altes Ehepaar jeden Abend, wenn der Mann betrunken aus der Kneipe kam. Ich ging schliesslich runter, und bat die Beiden hoeflich darum, sich doch bitte in der Kueche zu streiten anstatt ausgerechnet unter meinem Schlafzimmer. Sie beschimpften mich und knallten ihre Tuer zu.
Wenige Wochen spaeter wurde die Stewardess aka Flugbegleiterin, die neben meinem Schlafzimmer wohnte, leider auf Innendienst auf dem Hamburger Flughafen gestellt, und nun hatte sie jeden Sonntagabend gegen 21 Uhr viel Besuch, fuer den sie kochte (ich nannte das bei mir immer "die Fuetterung der Massen" :)) und noch gegen 22 Uhr hoerte ich ihre Gaeste lobend sagen, wie gut der Nachtisch war.
Als ich sie bat, diese Treffen in einem anderen Raum, der nicht an mein Schlafzimmer grenzt, abzuhalten, reagierte sie abweisend und 5 Jahre lang hoerte ich Sonntag fuer Sonntag diese Tiraden ueber den koestlichen Nachtisch, und ging Montags nach weniger als 5 Stunden Schlaf muede ins Kinoarchiv.
Schliesslich verfiel ich darauf, Sonntags im Wohnzimmer auf dem nicht sonderlich bequemen Ausziehsofa zu schlafen, aber im Nachbarhaus wohnte dummerweise eine alte, schwerhoerige Dame, die bis Mitternacht laut Fernsehen verfolgte. Die Trennwand zwischen den beiden Haeusern war offenbar unzureichend.
Als ich ihr anbot, einen Kopfhoerer fuer ihren Fernseher zu kaufen, schlug sie das mit den Worten ab, es wuerde ihre Haare zerdruecken.
Ich war heilfroh, als ich Ende Maerz 2002 in die Maine Wildnis auswanderte, in einem Blockhaus lebte und ENDLICH kleine lauten Nachbarn mehr hatte. Der naechste Nachbar lebte eine Meile von uns entfernt.
Ich hoffe, ich muss nie in ein Altersheim, denn mein Gehoer ist leider immer noch viel zu gut. :) :) :)
Gruss,
Chrissie
xy schrieb:
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> Die Grundregel sollte einfach lauten, auf die
> Bedürfnisse und Wünsche seines Gegenübers
> Rücksicht zu nehmen. Wenn jede/r in seinem
> persönlichen Alltagsleben das Gefühl hätte, als
> Individuum respektiert und toleriert zu werden,
> würde es zu solchen Forderungen, die
> Allgemeinheit dazu zu verpflichten, dieses oder
> jenes nicht mehr zu tun bzw. zu sagen, gar nicht
> erst kommen.
>
> An der heutigen Zeit wird hier oft gelobt, dass
> die Rechte von Minderheiten gestärkt worden sind.
> Bezogen auf die geänderte Rechtslage stimmt das
> für viele Minderheiten und Formen von
> Andersartigkeit sicher auch. Aber ich habe
> zunehmend Zweifel, ob wir heute "in unseren
> Köpfen" im Vergleich zu früher wirklich eine
> tolerantere und respektvollere Gesellschaft
> geworden sind oder ob diese Toleranz nicht doch
> eher oberflächlicher Natur ist.