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Re: Ein Thread mit der Bitte, ihn nicht misszuverstehen
Ich wohne in Berlin, da gibt es Obdachlosigkeit, Bettler, Schnorrer und Verwahrlosung in extremsten Formen. Ab und zu gebe ich etwas Geld, Lebensmittel oder Pfandflaschen. Dies ist davon abhängig was ich selber gerade auf Tasche habe, wie sympathisch/mitleiderregend der Bedürftige ist und, zugegeben, wie gut meine Laune gerade ist. Kleingeld habe ich immer lose in der Tasche, weil ich in einer solchen Situation nicht mein Portemonnaie zücken möchte. Manchmal höre ich auch einfach zu und wechsele ein paar Worte. Das längste Gespräch entstand einmal spontan, mitten in der Nacht auf einer Brücke. Dieser Mann (Typ "Huckleberry Finn") hatte eine sehr interessante Persönlichkeit, war Wort gewandt und eben ziemlich verrückt. Dass ich zu diesem Zeitpunkt leider kein Geld dabei hatte, war auch kein Problem. Diese Begegnung ist mir sehr eindrücklich im Gedächtnis geblieben. Bedroht habe ich mich in über 20 Jahren hier noch nie gefühlt. Allerdings habe ich, männlich und nicht gerade unsportlich, da auch gut reden. Bedrohliche Situation gab es glücklicherweise nur zwei, beide Male war es jeweils ein vollkommen verwahrloster Mann, der sich einer Frau mit Kinderwagen näherte, offensichtlich um das Kind anzufassen. Mit ein paar Drohungen und etwas Geschrei konnte ich die Männer jeweils verscheuchen, eine wirkliche Gefahr bestand nicht, die Frauen waren aber sehr verängstigt, verständlicherweise. Damit war dieses Problem zwar nur temporär gelöst, ich glaube aber auch nicht, dass man es jemals lösen kann.
Ein schockierendes Erlebnis hatte ich einmal mit einem sehr bekannten Obdachlosen. Es gibt leider unter den vielen schlimmen Fällen noch jene, die daraus hervorstechen und damit stadtbekannt werden. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber meistens riecht man ihn, bevor man ihn sieht. Das ist keine Übertreibung. Vor ein paar Jahren arbeitete ich in der Gastronomie und dieser Mann stand eines Abends bei den Mülltonnen und suchte nach Essen. Ich habe ihm aus der Küche einen Teller mit übrig gebliebenen Broten gebracht, da stand er auf einmal stocksteif da, zitterte und knurrte mich an, gefolgt von weiteren "Tierlauten". Die Brote blieben liegen, dieser Mensch wollte, oder konnte sich wohl nur noch aus Mülltonnen ernähren. Ebenfalls schockiert war ich, als ich Kleiderspenden für die Obdachlosenhilfe in ein Kloster brachte und in die dortige Kleiderkammer spickelde. Ich hätte so eine Kleiderkammer in einem Drittweltland verortet, wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich mich in Deutschland befinde. Seither gab es für mich ein paar Mal die Gelegenheit, ein paar Kisten mit vergleichsweise hochwertigen Altkleidern aus dem goldenen Süden nach Berlin zu fahren. Dennoch ist es ein Tropfen auf dem heißen Stein. In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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