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Re: SV Werder Bremen
Wenn man sich die Geschichte von Werder Bremen nach dem Zweiten Weltkrieg anguckt, so fällt auf, dass es immer Einzelpersonen waren, die für die erfolgreichen Phasen standen: Georg Knöpfle, Otto Rehhagel, Thomas Schaaf. Was heißt das?
In der Nachkriegszeit war der westdeutsche Spitzenfußball in 5 Oberligen gegliedert. Die Oberliga Nord begann 1947. Werder Bremen gehörte zwar meistens zum oberen Drittel der Liga, konnte sich aber bis 1958 nie als Erster oder Zweiter platzieren, was die Teilnahme an der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft bedeutet hätte. Zwei dritte Plätze waren das höchste der Gefühle. Überregionale Bedeutung hatten die Grün-Weißen damals eher weniger, Titel schon gar nicht. Zur Saison 1958/59 übernahm ein "Schleifer" im wörtlichen Sinne das Kommando im Weserstadion am Bremer Osterdeich: Georg "Schorsch" Knöpfle. Er sorgte für Disziplin und hatte damit Erfolg: 5mal hintereinander die Vizemeisterschaft im Norden (1959 - 1963), damit Teilnahmen an den DM-Endrunden, dazu der DFB-Pokalsieg 1961, damit erstmalige Teilnahme am Europapokal, 1963 souveräne Qualifikation für die neue Bundesliga. Nur am HSV war vorerst noch kein Vorbeikommen. Die Hamburger befanden sich ebenfalls in einer Glanzzeit ihrer Vereinsgeschichte. Knöpfle ging zum Bundesligastart zum damals modernsten Verein, der sich als erster konsequent auf den Profifußball umgestellt hatte, zum 1. FC Köln - und wurde dort gleich erster Deutscher Meister in der neuen Liga. - In Bremen übernahm eine merkwürdige Persönlichkeit das Training: Willy Multhaup. Im ersten Jahr schaffte er mit Werder Bremen einen soliden Mittelfeldplatz, was schon als Erfolg galt. Im zweiten Jahr (1964/65) wurde Multhaups Mannschaft sensationell Deutscher Meister! Multhaup hatte taktische Modernisierungen eingeführt, die in der Bundesliga noch weitgehend unbekannt waren: stürmende Außenverteidiger und den Libero (anstelle des Ausputzers), damit also eine viel dynamischere Verknüpfung von Verteidigung und Abwehr. - Als der Titel gewonnen war - ging Multhaup! Und wurde im nächsten Jahr mit Borussia Dortmund nicht nur Vizemeister, sondern auch noch erster deutscher Europapokalsieger (1966) - und ging ... Zum 1. FC Köln, mit dem er 1968 Pokalsieger wurde - und dann aufhörte. In Bremen waren die zweite Hälfte der 60er Jahre nach Multhaup ein Auf und Ab: nach Platz 4 beinahe der Abstieg 1967, dann 1968 Vizemeister unter Trainer Fritz Langner, mit dem es aber dann wieder bergab ging. Ab der Saison 1969/70 begannen die regelmäßigen Abstiegskämpfe, mit wenigen Ausnahmen, wo zumindest Mittelfeldplätze in der Liga heraussprangen. Der Verein litt unter chronischer Geldnot. 1980 dann der Abstieg in die 2. Liga Nord (s. o.). Ab 1981 begann in Bremen die Ära Otto Rehhagel, die bis 1995 währte: direkter Wiederaufstieg, sofortige UEFA-Cup-Qualifikation, zwei Deutsche Meisterschaften (1988, 1993), zwei DFB-Pokalsiege (1991, 1994), viermal Vizemeister (1983, 1985, 1986, 1995) und als Höhepunkt der Europapokalsieg im Pokalsieger-Cup 1992. Nach Rehhagels Wechsel 1995 zu Bayern München ging es mit Werder Bremen wieder bergab. 1999 geriet der Verein sogar erstmals nach langer Zeit wieder in Abstiegsgefahr. Nothelfer war ein langjähriger Bremer Profi und späterer Nachwuchstrainer: Thomas Schaaf. Er blieb bis 2013. Kein Bundesligaverein kann gleich zwei solch lange Trainerzeiten vorweisen wie Werder Bremen mit Rehhagel und Schaaf. Thomas Schaaf erreichte gleich zu Beginn nicht nur den Klassenerhalt, sondern auch noch den DFB-Pokalsieg! Diesen Titel sollte er insgesamt dreimal gewinnen: 1999, 2004, 2009. Dazu noch mit dem Meistertitel 2004 erstmalig für die Bremer das Double! Ferner zwei Vizemeisterschaften (2006, 2008) sowie regelmäßige Teilnahmen an der Champions League sowie einmal Finalist im UEFA-Pokal. Werder Bremen hatte sich zu einer Größe im europäischen Fußball gemausert, unterstrichen auch durch zahlreiche A-Nationalspieler. Doch schon in der Endphase der Ära Schaaf ging es wieder bergab (ab 2010). Die ihm folgenden Trainer Dutt, Skripnik und Nouri konnten nicht an die Erfolge anknüpfen. Werder Bremen versank wieder in der Mittelmäßigkeit, ja, das Abstiegsgespenst ließ sich wieder ab und zu in Bremen blicken. Dann wurde nach Skripnik und Nouri zum drittenmal hintereinander ein Nachwuchstrainer aus dem Verein Chef der Bundesligamannschaft: Florian Kohfeldt. Zunächst sah es so aus, als könnte er eine neue Phase Bremer Erfolge einleiten: zunächst Konsolidierung des Teams (2017/18), dann Schnuppern an der Euro League sowie großartige Spiele im DFB-Pokal gegen die Elite der Liga. Doch 2019/20 ging es keinesfalls weiter aufwärts - im Gegenteil: der Verein konnte sich nur äußerst knapp über die Relegation in der Liga halten, was in der gerade abgelaufenen Saison nach katastrophaler Rückrunde nicht gelang. Jetzt soll in der 2. Bundesliga unter Markus Anfang ein neuer ... Nomen est omen. Waren die Erfolge also nur Zufallstreffer, abhängig von Einzelpersonen, die zufällig zur richtigen Zeit in Bremen am Ruder waren? Nein. Richtig ist wohl, dass der Verein angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen, der wirtschaftlichen Situation der Stadt Bremen eigentlich nicht zur Spitze des deutschen Fußballs gehören müsste. Normal sollte deshalb sein, dass Werder Bremen im unteren Bereich der 1. Liga herumdümpelt, stets in Sorge um den Klassenerhalt, wie etwa in den letzten 10 Jahren, wie zwischen Rehhagel und Schaaf, wie in den 70ern, wie teilweise in den späten 60ern, wie - unter anderen Vorzeichen - lange Zeit in der Oberliga Nord. Aber: Namen wie Knöpfle, mit Abstrichen Multhaup, Rehhagel und Schaaf stehen zwar für die Erfolgsphasen, aber sie sind in dieser Weise nur in Bremen möglich gewesen! Der Verein hat schon vor der Bundesliga und dann bis heute stets versucht, mit Kontinuität zu punkten: der Ex-Präsident Franz Böhmert hat sinngemäß mal gesagt: "Wenn Otto Rehhagel gerade mal von den Medien angeschossen wird, haben wir seinen Vertrag verlängert!" In den 60ern hat der damalige Geschäftsführer Fritz Wolff mal etwas übertrieben gesagt: "In Bremen geht keiner weg!" Der Verein hat dafür gesorgt, dass Trainer, Spieler, Manager, wenn es gut lief, eine langfristige Perspektive in Bremen hatten! Das gilt übrigens auch für viele Profis, die nach ihrem Karriereende im Verein verblieben sind, in unterschiedlichen Funktionen. Viele, auch ich, hatten die Hoffnung, dass mit Florian Kohfeldt dieses Erfolgsrezept weiterleben könnte und nochmal funktionieren würde. Dem war nicht so. Meine Sorge ist, dass der moderne Fußball soweit entrückt ist, dass derartige "Soft Skills" keine nennenswerte Bedeutung mehr haben. 1983 ist es Werder Bremen gelungen, den damals schon von Italien umworbenen neuen Star Rudi Völler noch 4 Jahre zu halten, eben mit diesen "soften" Argumenten. Das ist wohl ein für allemal vorbei! Als langjähriger, "eiserner" Fan von Werder Bremen hat mich der Abstieg natürlich sehr geschmerzt. Aber ich fürchte, dass er symptomatisch ist für die Entwicklung des Fußballs. Ein Kollege von mir hat vor kurzem auf einer Fete gesagt, er hätte sich vom Fußball verabschiedet, nicht aber von Werder Bremen. So ähnlich geht es mir auch, auch wenn es sich paradox anhören mag. Ich hoffe trotzdem auf einen neuen, äh, Anfang ... In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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