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Re: Deutschland ist überall.. nicht ganz
Münster hat einfach nicht die strukturellen Probleme, die insbesondere in den Nachbarstädten und -regionen zur Wahl der AfD geführt haben. Das muss man einfach feststellen.
Es ist weniger die "edle" Gesinnung der Münsteraner, als ein gewisser Konservativismus, gepaart mit einer Saturiertheit im Alltagsleben, die zur einem städtischen Vibe führen, in dem selbst die Linken der Stadt "Spießer" sein können, weil es mehr zu einem Kokettieren führt, dass man mit den "Schmuddelkindern" spielt. Das fällt mir zu Münster ein, ist vielleicht auch ganz niedlich, aber auch an der Lebensrealität der neuen AfD-Hochburgen vorbei. Die höchsten AFD-Zustimmungswerte hat die AfD wenige Kilometer weiter überall dort, wo sich die Leute wirtschaftlich und kulturell abgehängt wähnen, sich von der "etablierten" Politik nicht mehr verstanden fühlen und aufgrund ihrer wirtschaftlichen Schwäche die negativen Auswirkungen und Probleme der Einwanderung geballt vor der Nase haben. Bei vorherigen Wahlen der vergangenen Jahre hatten diese Leute aus Protest auf deutlich niedrigerem Niveau, im einstelligen Prozentbereich, aus Protest sowohl die Linke, als auch rechtsextreme Parteien gewählt. Diese Klientel ist in Münster so gut wie nicht existent. Zu feiern oder sich auf die Schulter klopfen gibt es deshalb in Münster nichts - aber es kann sehr wohl mindestens in NRW helfen zu ergründen, warum die AfD an mancher Stelle gewählt wurde. Das schmutzige Geheimnis sollte eigentlich sein, dass das in der Basis mancher Partei längst bekannt sein sollte, aber weiterhin ignoriert wird, weil einige heilige Kühe geschlachtet werden und manche Köpfe rollen müssten, die den Weg für neues Personal bestimmt nicht freiwillig räumen. Speziell die SPD hat immer noch die Einführung von Hartz IV aufzuarbeiten, die CDU muss sich mit ihrer Linkswanderung, entgegen ihrer Stammwähler auseinandersetzen. Beide Parteien können, wollen und sollen nicht auf den Rechtsruck und die Hetze gegen Flüchtlinge eingehen, müssen aber sehr wohl die Gerechtigkeitsfrage erneut aufwerfen und auf das Aufkeimen eines Hartz-Präkariats Antworten haben, weil sich diese Leute tatsächlich gegen Einwanderer ausgespielt sehen. Richtig schlimm wiegt aber der um sich greifende Zukunftspessimismus, dass die eigene Zukunft politisch begründet "verkackt" und verstellt ist. Zu viele Leute haben nicht nur das Gefühl abgehängt zu sein, sondern sehen in den Parteien keine Wahlmöglichkeit, mit der sich Mühe und Anstrengung in eine bessere Zukunft übersetzt. Es fehlt im Prinzip genau das, was Vorgängergenerationen noch im Hamsterrad hielt - strenge dich an, und du wirst mit einer guten Zukunftsperspektive entlohnt. Dieses Vertrauen in die Politik, eine solche Zukunft zu bewirken, indem die richtigen Weichenstellungen gesetzt werden, fehlt zu vielen Leuten, weit über die Grenzen der tatsächlich wirtschaftlich und sozial Abgehängten hinweg. Dieser Pessimismus und diese Zukunftsängste befallen mittlerweise Kreise bis in die Mittelschicht hinein. Die AfD hat darauf nicht einmal hinreichende Antworten, aber für die Protestwahl reicht es, wenn man die Leute richtig "triggert", um Wählerstimmen zu erhaschen. Dieser "Trigger" verpufft in Münster weitestgehend wirkungslos, weil es kaum eine nennenswerte Klientel gibt, die man dort "antriggern" kann. In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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