Re: ARD-Themenwoche "Glaube"
Um Gottgläubigkeit allein geht es nicht. Die Vordenker der Aufklärung, die damit auch die Vordenker der politischen und gesellschaftlichen Ordnung sind, waren auch in verschiedenen Formen gottgläubig. Das waren in den allermeisten Fällen Deisten und Pantheisten, in geringer Anzahl auch Christen, soweit das rekonstruierbar ist. Am Gottglauben alleine hängt es also nicht.
Es hängt aber nach meiner Auffassung sehr wohl am Gottglauben, der über die Freiheiten der Menschenrechte und säkulare Grundprinzipien gestellt wird und zudem noch mit missionarischem Eifer in die Welt getragen werden soll.
Dagegen gehe ich kontra - nicht, weil ich die immanente Gefahr darin bemängele, sondern eine indirekte, weil man mit dieser Grundhaltung den Extremismus der Religion überhaupt erst ermöglicht.
Glauben bleibt letztendlich irrational, wenn er sich auf den Glauben an Offenbarungen stützt, deren Beweisbarkeit äußerst fragwürdig ist.
All das muss noch nicht zwingend in den Extremismus führen, aber es ist sowohl die Grundlage für die gemäßigte Religion, wie auch den Extremismus. Religiöse Führungsfiguren sind schnell dabei, es in der Öffentlichkeit den "Missbrauch" der Religion zu nennen. Ich bin der Auffassung, dass es "Gebrauch" ist, und kein Missbrauch, weil die Unterstellung einer "richtigen" oder "falschen" Interpretation einfach nicht haltbar ist, wenn die Grundlagen im Glauben liegen und dabei schwammiger nicht sein können.
Letztendlich stehen für mich dann aber nicht nur Religiöse in der Kritik, sondern auch die Anhänger doktrinärer Weltanschauungen und politischen Doktrinen.
Faschismus und Nationalsozialismus stehen hier für mich noch nicht einmal zur Disposition. Kommunisten und Sozialisten müssen sich den Moment der Indoktrination aber auch nicht erst seit der Wende und dem Zerfall der Sowjetunion zurecht gefallen lassen, selbst wenn Sozialisten es heute seltener als unumstößliches Dogma betrachten, was Marx und Engels formulieren, sondern in ihrer gemäßigten Form als ein Paradigma unter mehreren.
Jede in sich geschlossene, nicht revidierbare und nicht revisionierbare Weltanschauung steht hier in der Kritik, nicht nur die Religion. Die Religion ist nur die offensichtlich plakativste Erscheinung, weil sich hier eben prozentual in der Gesellschaft besonders viele Menschen tummeln, die ansonsten rational handeln und denken, bei denen es aber ausgerechnet in der Frage der Gottesexistenz ausklingt und die wüstesten Dinge nicht als Glauben oder "unelegante Hypothese", sondern sogar als Wissen propagiert werden.
Was du gerade in Bezug auf Homosexuelle beschreibst, ist schon mehr als Toleranz, im Sinne von "Duldung", sondern "Akzeptanz", die darüber hinaus geht. Tatsächlich sehe ich hier in Bezu auf die atheistisch-säkulare Szene Parallelen zu den Emanzipationsbewegungen der Minderheiten. Der Unterschied dürfte nur eher in der Anzahl sein, die steigt stetig, während die Anzahl an Homosexuellen wohl nie eine gewisse Ratio überschreiten wird.
Hier geht es dann mehr um Macht, und wer sie für sich zu nutzen weiß, und da sind die Verhältnisse in unserem Land recht klar, und deshalb bleibt es weiterhin ein Emanzipationsprozess und eine Reaktion auf ein vorherrschendes Machtgefüge, und keine "Aktion".