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Re: Warum kann sich der Vatikanstaat zur EU äussern?
Die Sache ist schon etwas komplizierter. Da gibt es die Vatikanstadt, die aufgrund ihres souveränen Territoriums für sich Völkerrecht beansprucht, wie jedes andere Land auch.
Aber es gibt auch noch den Heiligen Stuhl, irgendwie synonym mit dem Papst als Oberhaupt. Da ist die Kirche dann ein Völkerrechtssubjekt, ohne das aus einem Territorium abzuleiten. Das Rote Kreuz und der Malteser Ritterorden haben auch diesen Status. Die beanspruchen für sich Völkerrecht, ohne ein Gebiet zu haben. Für Deutschland in diesem Zusammenhang vielleicht noch ganz interessant ist das sogenannte "Reichskonkordat". Das ist ein Staatskirchenvertrag, geschlossen zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl im Jahre 1933, als erste Amtshandlung Hitlers als Reichskanzler. Dieses Reichskonkordat wurde nie aufgelöst, sondern ist auch bei uns in der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger immer noch gültig. Ein ganzes Paket an Rechten der Kirche hat sich ab da ergeben, unter anderem wurde seitdem die Kirchensteuer vom Staat eingezogen, der Religionsunterricht an staatlichen Schulen geregelt, die Militärseelsorge komplett über das Verteidigungsministerium finanziert. Das ist alles staatsrechtlich ein heißes Eisen, dass die Politik bisher nicht anfasst, obwohl schon die Weimarer Verfassung einen Artikel 138 hatte, der die Auflösung irgendwelcher Kirchenprivilegien vorgibt, und dieser Artikel hat heute auch eigentlich noch uneingeschränkt Gültigkeit. Konkordat heißt das dann als Staatskirchenvertrag mit dem Heiligen Stuhl und verschiedenen deutschen Staaten, denn auch nach dem Zweiten Weltkrieg kamen noch Konkordate zustande - auch in den neuen Bundesländern nach der Wende. Zusammen mit den alten, weiterhin gültigen müssten das dann auch rund 16 Verträge sein. Verträge mit den Evangelischen Kirchen sind einfach nur "Staatskirchenverträge", die nicht mit einem Völkerrechtssubjekt geschlossen werden. Die sind aufgrund der Kirchenstruktur noch ein Vielfaches von den katholischen Verträgen mehr. In dem Sinne kann der Papst mit dem Heiligen Stuhl in etwa einen Status für sich behaupten, der dem Staatsoberhaupt anderer Länder völkerrechtlich gleich kommt. Letztendlich ist der Papst auch so etwas wie der letzte absolute Herrscher in Europa, dessen Unterschied zu den absolutistischen Königen in der europäischen Geschichte eigentlich meistens nur darin besteht, dass es kein Erbadel ist. Verbindungen zur EU gibt es meines Wissens über die Währungsunion, hier wohl als Vatikanstadt, also Territorium, wobei der Papst als Staatsoberhaupt dann auch die Münzen ziert. Von der Unterzeichnung der Charta der Grund- und Menschenrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention hält man beim Heiligen Stuhl und im Vatikan dann auch nicht so wahnsinnig viel und befindet sich damit in Europa dann in bester Gesellschaft mit Weißrussland. "Gott weiß", warum man das weiterhin so durchzieht, aber man muss wohl kein Prophet sein, um die Gründe zu erkennen. Wie dem auch sei, der Papst ist eben auch Staatsoberhaupt, und es gibt immer wieder Treffen und internationale Diplomatie auf dieser Basis, wie auch päpstliche Audienzen auf rein religiöser Basis. Ob das immer sauber getrennt wird, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Interessant in dem Zusammenhang noch: Annette Schavan, die damals wie Guttenberg über ihre gefakten Studienabschlüsse gestolpert ist und von Merkel abgesägt wurde, half wohl danach die Vernetzung mit der Katholischen Kirche, denn sie ist seit ein paar Jahren deutsche Botschafterin am Heiligen Stuhl. Es gibt es also ganz normale Diplomatie zwischen der Bundesrepublik und dem Heiligen Stuhl, und die Diplomatie wird durch Personen bestimmt, die mit der katholischen Lobby verwoben sind. Falls sich jemand wundert - Schavan ist nicht der/die einzige Politiker/in auf Landes- und Bundesebene mit lukrativen Posten in Aufsichtsräten im kirchlichen Umfeld und auch Prestigeposten in Laienorganisationen. Vor ein paar Jahren kursierte ein Netzdiagramm durch das Netz, für das eine Spinne schon lange hätte stricken müssen. Das zieht sich auch so ziemlich durch alle Parteien, wenn auch die Aktivitäten in der Linken und der noch vergleichsweise jungen AfD nicht so stark sind, was wohl an den internen Strukturen liegen mag. Der grüne Kretschmann fällt mir gerade noch ein, der in der Beziehung recht umtriebig ist. Verwundern kann es nicht. Das ist übrigens alles kein verschwörungstheoretischer Kram für Aluhutträger, sondern jederzeit für jeden Internetuser einsehbar, so er denn gezielt danach sucht, mit Artikeln in der Presse, Wikipediaartikeln, selbst Büchern zum Thema. Wenn von Lobbyismus die Rede ist, werden die Kirchen ignoriert, aber auch sie betreiben Lobbyarbeit in der Politik, und weil sie als Lobbyisten nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen und vieles auch als Glaubensdienst verkaufen können, sind die gerade im Bundestag und den Landesparlamenten auch recht geschäftig. Parteiübergreifend wird dann auch unter den Politikern der jeweiligen Konfession "genetzwerkt". In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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