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Re: Weihnachtserinnerungen
Bei uns kam das Christkind. Alles fing mit dem Backen der Plätzchen an - Mama und meine kleine Schwester standen schon In der zweiten Hälfte des November in der Küche und haben eifrig gebacken, Teig geknetet, ausgestochen, verziert, mit Schokolade bemalt usw. Ich hab meistens Weihnachtsgeschichten dabei gelesen - mal leise, mal laut, oder wir haben Adventsmusik gehört, und die Plätzchen, die nix wurden, haben wir dann vor dem Fest verspeist oder auch mit Tee abends, wenn der Schnee fiel - ja, damals fiel Ende November noch Schnee!
Heiligabend war dann "Wir warten aufs Christkind" mit Hilde, Teddy, Puppi, Kater Mikesch und so weiter angesagt, dabei wurde der Baum geschmückt, und wir alle hatten viel Spaß. Danach begaben meine Schwester und ich uns in die Küche vors Radio, denn da gab es von 16 bis 18 Uhr eine tolle Weihnachtssendung mit Geschichten und Liedern zum Mitsingen und wir haben den Adventskranz angezündet und es genossen. Danach gabs Essen, meist was Besonderes, was es übers Jahr nicht oder nur selten gab. Niemals aber gab es nur Würstchen mit Kartoffelsalat... Und danach gabs dann Bescherung und Muttern holte die Plätzchen aus ihren Verstecken (wo wir sie trotzdem gefunden hatten aber nie genascht hatten - uns ging es nur um's finden), und es war richtig Klasse. In der Fünften Klasse sang ich erstmals "Stille Nacht" auf Englisch - war auch mal was anderes. Ja, Bescherung wie in der guten, alten Zeit mit Silberglöckchen. Erst wenn das ertönte, war das Christkind da gewesen. In der Vorweihnachtszeit gabs vier verkaufsoffene lange Samstage, da fuhren wir mit Muttern mit der Bahn in irgendeine Großstadt zwischen Stuttgart, Heidelberg, Mannheim, oder Würzburg, und erfreuten uns am Weihnachtstrubel, an den tollen Schaufenstern, an den Spielzeugabteilungen und (ich) an den Buchabteilungen. Wir wussten, das Zeug, das da ausgestellt war, würden wir nie bekommen, aber es war interessant, das alles zu betsaunen und die Menschen beim Einkaufen zu beobachten. Und wenn es dabei noch geschneit hatte und wir mit der Bahn durch den Schnee fuhren, vorbei an schneebedeckten Feldern und Wäldern, in denen wir das eine oder andere Reh sahen, war die Welt in Ordnung. Gestritten wurde in meiner Familie nie in der Weihnachtszeit - soweit ich zurückdenken kann, war in der Advents- und Weihnachtszeit NUR Harmonie, alle hatten sich lieb, es gab nie ein böses Wort. Und es gab irgendwie trotz Hektik keine Hektik und keinen Stress. Wir schauten dann am Sonntag Augsburger Puppenkiste und die Adventsvierteiler an, und das Adventssingen aus irgendeiner Kirche. Es fehlt mir heute auch noch. Später, als ich größer war, blieb ich meist noch, wenn alle anderen schon schliefen, unter dem hell erleuchteten Baume sitzen, ein Buch auf dem Schoß, genoss den Frieden, die Stille, die Wärme und das Licht der Christbaumbeleuchtung, und hing noch lange den Eindrücken vom Weihnachtsabend nach. Im Zimmer roch es immer noch nach Plätchen, und nach Kerzen und nach Wunderkerzen und es war einfach nur paradiesisch schön. Einmal, ein einziges Mal aber, als ich schon bald erwachsen war, zog es mich nach draußen, und irgendwann nach Mitternacht stiefelte ich durch den leise fallenden Schnee durch die Fußgängerzone in der alten Fachwerkstadt, die meine Hematstadt war. Über mir die riesigen, rieselnden Flocken, die sich mit leisem Knistern zu den anderen auf dem Boden gesellten. Unter mir der frische Schnee, dessen leises Knirschen jeden meiner Schritte begleitete. Und ringsum nur Straßen- und Weihnachtsbeleuchtung (ja, damals wurde da nicht gespart, sie war die ganze Nacht an), und Stille. Alles schlief, und die Stadt und die heilige Nacht gehörte MIR. Das war die STILLE Nacht, von der ich geträumt hatte und die ich mir heute noch ersehne. Nie war ich dem Himmel näher als in jener heiligen Nacht vor so vielen Jahren. Euch allen ein wundervolles und besinnliches und vor allem friedvolles Weihnachtsfest. Der Lonewolf Pete 1-mal bearbeitet. Zuletzt am 18.12.16 17:25. In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
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