Es sind die schlimmsten Sünden des aktuellen Radios ja bereits zur Genüge genannt worden. Diesem geklonten Einheitsbrei kann ich auch schon lange nichts mehr abgewinnen. Ich finde es wirklich traurig, daß man fast nur noch diese austauschbaren und weichgespülten Moderatoren ohne jede spürbare Persönlichkeit hinter den Mikrofonen labern hört. Vermeintlich vor guter Laune sprühend, mit albernen Spielchen, musikalisch auf die Top 3 Titel der letzten 40 Jahre beschränkt und sinnfreier Sülzerei, daß einem die Galle aus den Ohren quillt.
Nun muß ich zwar einräumen, daß ich mit deutschem Radio noch nie wirklich viel anfangen konnte und deshalb nicht nur meine Jugend mit BFBS, AFN sowie mit dem englischen Service von Radio Luxembourg verbrachte. Und bei den englischsprachigen Sendern war ja ohnehin die Personality der DJs das Zugpferd und somit auch Programm. Der Name der Sendung (falls nicht ohnehin nach dem Namen des DJ benannt, also etwa die Tony Blackburn-Show) war sowieso nebensächlich, man hörte eben Peter McDonagh, Stuart Henry, Casey Kasem oder welchen bekannten Namen auch immer. Und jeder dieser Profis verfügte über ein Höchstmaß an persönlichem Stil und Charisma.
So brachten die DJs auf BFBS noch bis in die 90er Jahre ihre ganz persönliche Note selbst in jene Sendungen ein, die im Wechsel mit zahlreichen anderen Kollegen moderiert wurden. Etwa in "Late from London" (Mitternacht bis 2:00 Uhr), wo der DJ Simon Guettier ein besonders skurriles Highlight namens "What a way to go" einbrachte. Darin berichtete Guettier über Jahre hinweg von den durchgeknalltesten Selbstmorden und Morden aus der britischen und internationalen Geschichte; nicht wenige davon reichten bis ins Mittelalter zurück. Als Zuhörer wußte man aber nie, wann genau in der Sendung dieser Moment nun kommen würde, und so fieberte man gespannt den Klängen des "Hill Street Blues" entgegen, der als Erkennungsmelodie und gleichzeitig auch als Overtalk für dieses schräge Vergnügen diente.
Ist natürlich nur eines von unzähligen Beispielen, denn jeder DJ hatte seine persönlichen Vorlieben und Marotten. So wußte man als geneigter Zuhörer, daß man sich etwa bei Charles Foster stets auf viele Oldies freuen durfte, bei DJ-Legende Johnny Walker auf viele "Pirate Memories", die von der Radio Caroline Ära aus Mitte der 60er Jahre erzählten. Und dieser individuelle Stil fehlt (mir) heutzutage im Radio, da laufen überall wirklich nur noch geklonte Formate, die austauschbar sind wie ein Kissenbezug...
Gruß
Stahlnetz
Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann