Ich habe bisher vier Folgen gesehen und finde die Serie sehr gelungen, vor allem die Schauplätze sind absolut authenisch. Das stylishe Schwarzweiß gibt dieser Verfilmung einen tollen neo-noir Look. Super in Szene gesetzt!

Ich würde nicht unbedingt, wie du, Chrissie, auf eine Eins-zu-eins-Entsprechung der Romanvorlage achten (so halte ich es für nebensächlich, ob sich der Mord auf einem Segel- oder Motorboot abspielt). Was mich jedoch etwas gestört hat: Die Schauspieler (Andrew Scott und Johnny Flynn) sind eindeutig zu alt! Flynn ist über 40, Andrew Scott sogar fast 50, und da finde ich es nur wenig glaubwürdig, dass Ripley von Dickies Daddy nach Italien geschickt wird, um den Sohn zur Rückkehr in die Staaten zu bewegen. Der ist in dieser Serie alt genug, um sein eigenes Leben zu führen. Im Roman sind die entsprechenden Charaktere in ihren 20ern, was wesentlich überzeugender ist. Da erscheint es plausibel, dass Mr Greenleaf Sr. seinem Erziehungsauftrag nachkommen möchte.

Die Minghella-Verfilmung liegt inzwischen 25 Jahre zurück, aber bisher finde ich sie besser als die aktuelle Netflix-Serie, weil Ripleys Motivationen für seine Taten viel besser nachzuvollziehen sind. Er ist besessen von Dickies Lebensstil, möchte wie er sein und hat sich darüber hinaus in ihn verguckt. Die Zurückweisung durch Dickie bewegt ihn dann zum Mord an seinem Freund.

Andrew Scotts Ripley bleibt dagegen unergründlich, auf mich macht er den Eindruck eines Psychopathen, der seine Taten eiskalt und emotionslos durchzieht. Diese Interpretation ist zwar nicht konträr zur Romanvorlage, aber als ich die Minghella-Verfilmung sah, ertappte ich mich dabei, wie ich die ganze Zeit hoffte, Ripley/Matt Damon würde unentdeckt davonkommen. Das ist mir bisher in der Netflix-Serie nicht passiert. Hier bleibe ich lediglich der interessierte Beobachter, der emotional kaum beteiligt ist, sich aber an der optischen Gestaltung des Ganzen erfreut.

Mal sehen, ob dieser Eindruck bleibt. Ich habe ja noch vier Episoden vor mir. :-)