Die Entstehung des Beat-Clubs
geschrieben von:
Kaschi, 10.05.23 18:20 |
Ein Internet-Fund zu den Anfängen des Beat-Clubs:
Siegfried Schmidt-Joos: "Mit Beat in die heiligen Hallen Die Bremen-Connection" aus Michael Rauhut, Reinhard Lorenz (Hrsg.): "Ich hab den Blues schon etwas länger – Spuren einer Musik in Deutschland.", Berlin 2008
Siegfried Schmidt-Joos im RIAS-Studio, 1979 ...
"Borneman war gebeten worden, als Programmdirektor eines "Freien" (staatlichen) Fernsehens eine Alternative zum ARD-Programm zu entwickeln. Das ZDF gab es noch nicht. Er zog mit Sack und Pack aus London nach Frankfurt am Main um. Doch dann lehnte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das sogenannte Adenauer-Fernsehen als verfassungswidrig ab und die Vorbereitungen wurden eingestellt. Wir saßen in Bornemans frisch bezogenem Frankfurter EBO-Haus nahe dem Hessischen Rundfunk und fragten uns: Was nun?
Eine der möglichen Lösungen war, seine englischen TV-Modelle für Deutschland - sprich die ARD - umzusetzen. So legte ich Hans Abich in Bremen sein Konzept einer Jugendmusiksendung für den Nachmittag auf den Tisch: eine Studio-Party mit möglichst bekannten Bands, bei der Jugendliche zu Beatmusik tanzen. Das Projekt war im Hause heftig umstritten, setzte sich aber durch. Michael 'Mike' Leckebusch, ein Dixieland-Amateurtrompeter, der es vom Regieassistenten in Hamburg soeben zum RB-Unterhaltungsredakteur geschafft hatte, bekam den Auftrag, es zu realisieren. Er holte sich Hilfe bei Gerhard Augustin, der nach einem zweijährigen Amerika-Aufenthalt in der Bremer Diskothek Twen-Club Platten auflegte.
Gerhard Augustin: 'Eine sogenannte konstituierende Sitzung wurde im Parkhotel einberufen und das von mir vorgeschlagene Konzept wurde ohne Abstriche voll übernommen. Der spätere Sex-Professor aus Frankfurt, Ernest Borneman [...], Mike Leckebusch, Rainer Janz, der Manager der Yankees, und ich waren die Teilnehmer dieser ersten entscheidenden Sitzung. Mit dem Beginn des 'Beat-Clubs' wuchs Mike Leckebuschs Informationshunger ins Unermessliche, und es dauerte nicht lange, da galt er in Deutschland als der Experte in Sachen Beat. Ich hatte in der davor liegenden Zeit in Amerika die neue Musik eingeimpft und all mein Wissen an Leckebusch weitergegeben. Da ihm internationale Kontakte fehlten, traten in den ersten Sendungen lokale Bands wie die Yankees und Mushroams aus Bremen auf, und die Bands, die Leckebusch aus seiner Hamburger Zeit im Star-Club kennengelernt hatte, nämlich die von Sigi E. Loch betreuten Acts wie die Liverbirds, Ian & the Zodiacs, John O' Hara's Playboys, Remo Four sowie Bands, die Chris Barber ihm aus London untergejubelt hatte. Chris Barber hatte neben seiner eigenen Jazzband eine Künstleragentur in London, das Marquee Management.' ...
Ernest Borneman erhielt noch lange Abfindungen für das Konzept. Gerhard Augustin ging in die Plattenindustrie, betreute in München unter anderem Popol Vuh, Amon Düül II, Can und wirkte als Personal Manager von Ike & Tina Turner in Los Angeles.
Bald lief der Beat Club mit Unterstützung der Musikwirtschaft so geschmiert, dass sich Mike Leckebusch aus der Festanstellung verabschieden konnte. Oder wurde es ihm nahegelegt? Vor seinem Haus in Bremen-Hemeling parkten schnell zwei englische Jaguars. Das eigene Studio, das er später in Garlstedt bei Bremen eröffnete, wurde nach Angabe von Augustin am internationalen Immobilienmarkt auf zwei Millionen DM geschätzt. ...
Ich für meinen Teil nahm da lieber ein Angebot des WDR-Fernsehens an und offerierte im ARD-Nachmittagsprogramm - als Alternative zum Beat Club, aber bei weitem nicht so erfolgreich - in der Serie Swing-in unter anderem Aretha Franklin, B. B. King, das American Folk Blues-Festival sowie Diskussionen über Jazz und Pop. Für eine dieser Sendungen holte ich 1967 zum ersten Mal den englischen, deutschsprachigen Blues-Pionier Alexis Korner ins Land ..."
Ich habe den Eindruck, dass die Erzählungen zum Beat-Club bei den Beteiligten nicht ganz frei sind von Eitelkeiten, aber dennoch werden die Hintergründe so etwas deutlicher, denke ich.
Ernest Borneman war als "Sex-Professor" in den 70ern/80ern öfters im Fernsehen zu sehen, von Siegfried Schmidt-Joos (und Barry Graves) stammt das mehrfach aufgelegte und überarbeitete "Rock-Lexikon", welches als Standardwerk gilt, Gerhard Augustin ist in den allerersten Beat-Club-Folgen als zwar sachkundiger, aber sehr steifer Moderator neben Uschi Nerke zu sehen gewesen und Hans Abich war ab 1962 stellvertretender Intendant, ab 1968 Intendant bei Radio Bremen, ab 1973 ARD-Programmdirektor. Mike Leckebusch war in diesem Thread schon des öfteren Thema.
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 10.05.23 18:22.