|
Re: Beat Club und Musikladen
Tolle Erinnerungen, Kaschi!
Deine Beitraege lese ich immer besonders gern. Bei mir hat es sich etwas anders abgespielt. 1965 war ich 10 Jahre alt und ging noch zur Volksschule, ehe ich aufs Gymnasium wechselte. In meiner Volksschulklasse schwaermten alle fuer Roy Black, Ricky Shayne und Drafi Deutscher. Mein Vater, ein grosser Musikliebhaber vieler Stilrichtungen (vor allem Jazz und Klassik), konnte die ewigen Schnulzen wie "Marmor, Stein und Eisen bricht" oder "Ganz in Weiss" nicht mehr ertragen. Er kam eines Tages in mein Kinderzimmer und drehte den Sender auf BFBS (wir lebten in Braunschweig), wo die Top Twenty lief mit den Beatles und den Stones. Vermutlich war es ein Sonntag. "Das ist Musik!" sagte er voller Nachdruck und verliess mein Zimmer. Von da an gab ich Ricky Shayne & Konsorten auf (Dieter Thomas Heck's Hitparade hat mir eh nie gefallen) und hoerte ich mir stattdessen nur noch britische Popmusik und Rock'n Roll an, ganz besonders liebte ich Deep Purple und Led Zeppelin, aber auch die Beach Boys (Barbara Ann). Elvis mochte ich auch gern und Bob Dylan. Die Jazz- und Klassikleidenschaft meines Vaters hat mich mit Anfang 20 angesteckt, Swing mochte ich schon als Kind, nachdem ich "Die Glenn Miller Story" mit James Stewart und June Allyson gesehen hatte. Ist einer unserer Lieblingsfilme an Weihnachten - mein Mann liebt den Film auch. Den "Beat Club" mit Uschi Nerke habe ich von der ersten Sendung an verfolgt, hoechstens mal im Urlaub in den Sommerferien verpasst. "Wild Thing" von den Troggs mochte ich besonders gern, "Nights in White Satin" und "A Whiter Shade of Pale" auch. "Stairway to Heaven" und "Kashmir" von Led Zeppelin liebe ich heute noch. Mit "Hey Tonight" von CCR verbinden sich bei mir romantische Gefuehle an meine erste grosse Liebe, das war in der DDR. Mein Mann liebt ebenfalls Swing und alten Jazz, und wir haben den Satellitensender Sirius XN, wo auf Forties Junction 24 Stunden am Tag Titel aus den 40er Jahren gespielt werden. Gruss, Chrissie Kaschi schrieb: ------------------------------------------------------- > Leider existiert die Website tv-nostalgie nicht > mehr. > > Deshalb hier ein Artikel daraus über die beiden > berühmten Musiksendungen von Radio Bremen: > > Am 25. September 1965 kündigte der spätere > Tagesschausprecher Wilhelm Wieben den ersten "Beat > Club" an mit den Worten: "Guten Tag, liebe > Beat-Freunde! Nun ist es endlich soweit. In > wenigen Sekunden beginnt die erste Show im > Deutschen Fernsehen, die nur für Euch gemacht > ist. Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie > Beatmusik nicht mögen, bitten wir um Ihr > Verständnis: Es ist eine Live-Sendung mit jungen > Leuten für junge Leute!". Er ahnte sicher nicht, > dass diese Ansage noch nach über 40 Jahren immer > wieder hervorgekramt werden würde. > > Noch viel ahnungsloser als Wilhelm Wieben war ich > zum damaligen Zeitpunkt. 1965 schwärmte ich als > Siebenjähriger für Kater Mikesch, Lassie und > Huckleberry Hound. Ich kannte ein paar > Kinderlieder, etwas später Schlagersänger à la > Heintje, Heino oder Ricky Shayne. Langhaarige > Musiker waren alles ganz furchtbare "Bietels". > "Ich werde nie lange Haare haben, niemals!" tönte > ich mit etwa 9, 10 Jahren im Brustton der > Überzeugung. Meine Eltern glaubten mir nicht … > und sollten recht behalten! > > Um 1970 herum, mit 12 Jahren, änderte sich für > mich alles. Schlagermusik wie in der "Hitparade" > wurde für mich Sinnbild des Unerträglichen! > Hatte ich noch ein Jahr zuvor Rex Gildo mit > "Dondolo" die Daumen gedrückt, lehnte ich diese > "Fuzzis" jetzt rundherum alle ab – "Verlogen!" > Davon wollte ich nichts mehr wissen! Die Haare > wurden lang und länger, in der Schule wurde aus > dem Musterschüler ein Flegel, der den Lehrer > anbrüllte. Das Spielzeug wurde aus dem Zimmer > verbannt und weggeschmissen, der > Schallplattenbestand komplett ausgewechselt. > Creedence Clearwater Revival war die erste > Rockband, von der ich mir Singles kaufte. Die > erste LP hieß "Fireball" von Deep Purple. Damit > wurde ich "marktfähig" in der Schule beim > gegenseitigen Plattenausleihen zum Aufnehmen auf > Kassettenrecorder oder Tonband (Telefunken in > meinem Fall). Schnell lernte ich Led Zeppelin, > Black Sabbath, Uriah Heep, Golden Earring, Birth > Control, UFO, Pink Floyd, Jethro Tull, Beatles und > Stones kennen. Auch die Oldies aus den 50ern kamen > gut: Bill Haley, Chuck Berry, Little Richard und > natürlich Elvis. > > Im Radio gab es bei uns auf NDR 2 "Die > Internationale Hitparade" und den "Club". Oft habe > ich mit dem Mikrofon vorm Radiogerät gehockt, > ständig zitternd, dass keiner beim neuesten > Supersong gerade ins Zimmer reinstolpert. Von > dieser Musik wollten die Erwachsenen nichts wissen > – und das war gut so! Die 68er Revolte hallte > Anfang der 70er noch kräftig nach, und die Musik > war wie die langen Haare das Bindemittel, das > Erkennungszeichen! > > In der Glotze lief an Musikalischem immer noch die > "Hitparade" mit dem unsäglichen Heck, dann viel > an Oper und Operette ("Anneliese Rothenberger gibt > sich die Ehre"), dazu der langweilige "Blaue Bock" > ("Ich begrüße aufs Herzlichste Herrn > Kammersänger …"). In den Abendshows wie "Drei > mal Neun" mit Wim Thoelke auch das übliche > Schlager-Einerlei, wenn auch internationaler > zugeschnitten – alles nicht mehr meine Welt! > > Wenn samstags mal nicht die "Hitparade" nervte, > kam dafür "disco" mit Ilja Richter. Hier traten > neben den Tralala-Sängern auch mal Bands auf, die > mich interessierten: Alice Cooper, T.Rex, Sweet, > Slade, Deep Purple, später auch Bob Dylan und Cat > Stevens. Aber die alberne Moderation verdarb > vieles. Hinter dieser Musik stand eine > Protesthaltung – davon war in "disco" dank Ilja > Richter aber nichts zu spüren. > > Doch irgendwann entdeckte ich Sonnabend > nachmittags den "Beat Club"! Mit einer Moderatorin > Uschi Nerke, die hinter dieser Rockmusik stand, > die sie präsentierte. Dass die Sendung von Radio > Bremen schon seit ein paar Jahren lief, merkte ich > erst später. Hier kam der rebellische Charakter > rüber, hier gab es keine Albernheiten, keine > Schlagerfuzzis mit Herzschmerztralalaliedern. > Ansonsten fand Rockmusik in Reinkultur damals im > Fernsehen praktisch nicht statt! Der "Beat Club" > war einmalig! > > Dumm war nur, dass, kaum hatte ich den "Beat Club" > entdeckt, er gerade auslief. 1972 war Schluss: ein > Special über die Osmonds ("Crazy Horses" war > klasse!) markierte das Ende. - Allerdings wurden > die Folgen aus den 60ern recht schnell wiederholt. > An Video-Recorder war noch nicht zu denken, > weshalb ich auch den schlechten Fernsehton mit > Mikrofon auf meine arg strapazierten Tonbänder > bannen musste. Nicht gerade Hifi - aber besser als > nichts war es allemal! So lernte ich mit ein paar > Jahren Verspätung die Anfänge des Beat kennen > (Gerry & The Pacemakers, Rattles, Lords, Hollies, > Animals, Troggs, Equals, Sonny & Cher, Dave Dee, > Dozy, Beaky, Mick and Tich sowie die bremische > Band The Mushroams mit dem späteren > Fußballnationalspieler Dieter Zembski). Ebenso > die Hippie-Zeit und ihre Musik: Kinks, Who, Beach > Boys, Donovan, Bee Gees, Procol Harum, Moody > Blues, Yardbirds, Manfred Mann, Scott McKenzie, > Mamas and Papas, Simon and Garfunkel, Canned Heat, > Janis Joplin, Joan Baez, Jimi Hendrix, die > Festivals von Monterey und Woodstock, den Kultfilm > (hier passt der Begriff mal wirklich!) "Easy > Rider" usw. Zusätzlich zu Uschi Nerke machte der > englische Co-Moderator Dave Lee Travis seine > Faxen. > > Aus heutiger Sicht ist es schon faszinierend, noch > mal nacherleben zu können, wie sich die Sendung > von Jahr zu Jahr weiterentwickelt hat. Dem > entsprach eine rasante Entwicklung von Teilen der > Jugend insgesamt und zwar just zur selben Zeit. > Von Teilen wohlgemerkt - diese Flower-Power-Zeit > sollte nicht romantisiert oder gar mystifiziert > werden. Nicht alle revoltierten. - Manches von der > Aufbruchstimmung spiegelt sich in den > Beat-Club-Sendungen wider: die heute vollkommen > brav und artig wirkenden Anfänge 1965/66, dann > die Hochzeit der Hippies ("Summer of love") und > die ersten nicht mehr ganz so smarten Typen ca. > 1967/68, dazu eine immer wilder werdende Bildregie > (rasante Schnitte, fast schon orgiastische > Überblendungen und Collagen), vermehrte > Blues-Einflüsse und stärkere Politisierung > (Vietnamkrieg u.a.) ca. 1969/70 und schließlich > die "Akademisierung" durch diverse Supergroups wie > Emerson, Lake + Palmer, in denen bereits das Ende > dieser Hochphase der Rockmusik angelegt war. > > Heutige Betrachter werden sicherlich kaum noch > Anstößiges in den Sendungen finden - das sah > aber seinerzeit ganz anders aus! In einer Folge > etwa von 1966 verlas Uschi Nerke Briefe von jungen > Zuschauern, deren Namen auf keinen Fall genannt > werden sollten, weil sie ansonsten Ärger zu > Hause, an der Schule oder bei der Arbeit > befürchteten! > > Ein Briefeschreiber aus Nürnberg dachte "an > unseren Führer, der so etwas nicht zugelassen > hätte" und empfahl "die Deportation des ganzen > Gesindels nach Vietnam". (Quelle: "Spiegel" > 35/1968). > > "Das Gejaule glich einer wilden unterentwickelten > Horde von Wilden, die vor dem Marterpfahl einen > Kriegstanz absolvierten." * > > "Dieser Scheißdreck, den Sie uns in dieser > Sendung gebracht haben, ist eine sog. Schande, > 'Entartete Kunst'! Denken Sie, dass Ihre ganze > Hörerschaft nur aus idiotischen Halbstarken > besteht?" * > > "Meinen Kindern würde ich eher den Hosenboden > versohlen, bevor sie sich noch einmal so einen > Blödsinn ansehen- und hören müssen." * > > " … was diese langhaarigen flegel die lords sich > im augenblick in preussischen uniformen leisten, > ist der gipfel der geschmacklosigkeit. entweder > besteht die leitung ihres senders aus kommunisten > oder gesinnungslumpen." * > > "Diese Sendung war ein Skandal. Als Schulerzieher, > Vorsitzender eines Stadt- und Kreisjugendrings und > Mitarbeiter in anderen Gremien der Jugendarbeit > gestatten Sie mir daher, Sie an Ihre pädagogische > Verantwortung zu erinnern. … Die widerlich > schamlose Mini-Tänzerin im ersten Teil der > Sendung war wohl in ihrer widerlichen > Obszönität unübertrefflich …" * > > "Dieses 'Geheule', das war ja was für gehirnlose > Grasaffen. … Wenn das mit dem Beat-Club so > weitergehen soll, dann kann ich nur hoffen, dass > das Studio von Radio Bremen … bis auf die > Grundmauern nieder brennt."* > > So war's vielerorts - auch noch ein paar Jahre > später, als meine Haare ebenfalls länger wurden. > Aber die Begeisterung der Jugendlichen war nicht > zu bremsen! Im Gegenteil: das massive Geifern > machte "ihre" Sendung vermutlich noch > spannender! > > Dank des "Beat-Clubs" und des frühen > "Musikladens" hatten auch hierzulande die > rockbegeisterten Jugendlichen die Chance, ihre > Idole mal in Aktion zu sehen. Ohne diese Sendungen > wären etwa Beatles, Stones, Who, Kinks, Eric > Clapton, Santana, Deep Purple, Ike+Tina Turner, > John Mayall, Rory Gallagher, Eric Burdon, Roxy > Music usw., usw. im TV der 60er bis Mitte 70er so > gut wie nicht vorhanden gewesen! > > Ende 1972 startete der Beat-Club-Nachfolger, der > "Musikladen". Regisseur Mike Leckebusch wollte ein > breiteres Publikum ansprechen: " … bin soweit > vorgeprescht, dass ich zum Schluss nur noch > Hasch-Raucher am Apparat hatte." (TV Guide, 1993) > > Wieder bei Radio Bremen. Und wieder mit Uschi > Nerke, jetzt gemeinsam mit Manfred Sexauer. Die > beiden Moderatoren führten mit lockerem Stil In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.
|