Thinkerbelle schrieb:
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> Ich denke, die meisten wussten auch nichts davon.
> Meine Mutter hat damals geweint, als sie die Serie
> gesehen hat. Und wenn man die Filmaufnahmen sieht,
> wie kurz nach dem Krieg die Deutschen durch die
> KZs getrieben wurden, damit sie sehen, was da
> passiert ist, da sieht man auch ziemlich viele
> entsetzte Blicke und Leute, die sich die Tränen
> abwischen.
Ich glaube, viele wussten oder ahnten genug, um sicher zu sein, dass sie nicht noch mehr wissen wollten. Das ist auch irgendwie verständlich - die einfachen Leute hatten im Krieg zunächst mal andere Sorgen.
Man sollte aber nicht glauben, dass die KZs für die normale Bevölkerung weit weg waren. Es gab jede Menge Außenlager, die zum Teil mitten in den Großstädten lagen. Ich habe neulich ein Buch aus den 80er Jahren über ein Außenlager des KZ Sachsenhausen in Düsseldorf gelesen, das 1942/43 ein halbes Jahr lang bestand. Zeitzeugen erinnerten sich an ein mit Stacheldraht umzäuntes Gelände mit Baracken und Wachtürmen, das nachts taghell erleuchtet war. Manchmal fielen Schüsse. Draußen standen Warnschilder: Stehen bleiben und fotografieren verboten.
Die rund 500 Häftlinge (keine Juden, vorwiegend Osteuropäer, teilweise auch Deutsche: politische Häftlinge, Zeugen Jehovas, Kriminelle) mussten nach Bombenangriffen Trümmer beseitigen; sie liefen wohl meistens zu Fuß zu ihren Einsatzorten. Die Arbeit war natürlich gefährlich, da viele Häuser einsturzgefährdet waren. Augenzeugen waren entsetzt, wie ausgemergelt die Häftlinge aussahen. Manche Düsseldorfer steckten ihnen Lebensmittel zu. Einige deutsche Häftlinge konnten sogar heimlich kurze Begegnungen mit ihren Verwandten arrangieren.
[
www.kz-aussenlager-duesseldorf.de]
[
de.wikipedia.org]
Das hat nicht direkt etwas mit dem Völkermord an den Juden zu tun, aber es zeigt, dass es im Alltag der Bevölkerung durchaus Dinge gab, die Fragen aufwerfen mussten: Was waren das für Häftlinge? Wo kamen sie plötzlich her? Warum waren sie in so schlechter Verfassung? Wo wurden sie hingebracht, als das Lager wieder aufgelöst wurde? [Die Häftlinge aus Düsseldorf wurden auf die Kanalinsel Alderney verlegt.]
Wenn es sogar mitten in deutschen Großstädten solche Lager gab, konnte man sich eigentlich (wenn man das wollte) an den Fingern einer Hand abzählen, dass es in den besetzten Gebieten noch viel schlimmer zugehen musste.