Spoonman, woran ich mich noch gut erinnere: wann immer wir meine Grosseltern in der Ex-DDR anrufen wollten, mussten wir das Gespaech erst umstaendlich anmelden, und dann ein bis zwei Stunden auf eine Verbindung mit ihnen warten.
Es blieb einem nichts anderes uebrig, als sich vorher brieflich absprechen, wann man versuchen wuerde, anzuruefen, damit sie an dem Tag zu Hause blieben.
Man musste in der Ex-DDR auch jahrelang auf einen Wagen warten, den man bestellt hatte. Gebrauchtwagenhaendler habe ich dort nie gesehen, vermutlich wurden die Autos bis zum geht nicht mehr gefahren und dann verschrottet?
Gruss,
Chrissie
Spoonman schrieb:
> Dass in der DDR nur ein geringer Prozentsatz der
> Privathaushalte ein Telefon hatte, während es in
> der BRD die große Mehrheit war, ist aber kein
> Klischee, sondern Tatsache. Man musste in der
> Bundesrepublik nicht jahrelang auf die Zuteilung
> eines Anschlusses warten.
>
> Ich bin auch Wessi, Jahrgang '71, und ich kann
> nicht behaupten, dass ich als Kind/Jugendlicher
> einen repräsentativen Einblick in die DDR
> bekommen habe. Aber ich habe durch Briefe,
> Telefonate, Besuche (leider nur Tagesfahrten) und
> durch das DDR-Fernsehen diverse Eindrücke
> gewonnen.
>
> Wir haben regelmäßig eine Schulfreundin meiner
> Mutter in Magdeburg besucht, die verwitwet war und
> in einer 3-Zimmer-Plattenbauwohnung lebte. In
> dieser Wohnung (ca. 70 qm) hatte sie mindestens
> drei Kinder großgezogen. Wenn wir zu Besuch
> kamen, haben wir einen Sohn (oder Schwiegersohn?)
> nie angetroffen, weil er keine Westkontakte haben
> durfte. Es hieß, dass er sonst seinen
> Studienplatz riskiert hätte.
>
> Als Kind sind mir bei der Fahrt über die Grenze
> natürlich zuerst die ganz profanen Gegensätze
> aufgefallen. Die DDR roch anders, die Autobahn war
> holprig, entlang der Strecke gab es Wachtürme,
> und die vorherrschenden Farben waren überall Grau
> und Braun. Das habe ich damals noch krasser
> empfunden, als es heute in den meisten Serien oder
> Filmen dargestellt wird. Die Familie, die wir
> besucht haben, hat auch sehr offen von den
> alltäglichen Auswirkungen der Planwirtschaft
> berichtet. Als Fernsehfreak fand ich es z.B. schon
> ungewöhnlich, dass es in der DDR nur eine einzige
> Programmzeitschrift gab (FF dabei), aber noch viel
> schlimmer kam es mir vor, dass man diese
> Zeitschrift nicht so ohne weiteres kaufen konnte.
> Am Kiosk war sie sehr schnell ausverkauft, und
> für Abonnements gab es Wartelisten. Dass die
> Westprogramme nicht abgedruckt wurden, versteht
> sich von selbst.
>
> Aber um mal auf den Artikel von Thilo Mischke zu
> kommen: Ich finde seine Kritik an den heutigen
> Serien ziemlich diffus, und ich weiß nicht so
> recht, was genau er sich wünscht. Kein einzelner
> Film und keine Serie kann natürlich ein
> repräsentatives DDR-Bild vermitteln. Es sind
> immer nur Ausschnitte, und was ich da in den
> letzten Jahren gesehen habe, fand ich meistens
> durchaus realistisch - mit Ausnahme der
> Agentenserie "Deutschland '83", die sehr
> oberflächlich und effektheischend rüberkommt.
>
> Ein Problem ist natürlich, dass kaum eine heutige
> Serie nur vom alltäglichen "Innenleben" der DDR
> handelt. Ost und West werden immer
> gegenübergestellt, oder es geht um
> Stasi/Stasiopfer/Bürgerrechtler. Aber diie
> Staatsführung der DDR befand sich ja selbst auch
> in einem ständigen, fast schizophrenen
> Konkurrenzkampf mit der BRD. Einerseits wollte man
> die Überlegenheit des Sozialismus demonstrieren,
> andererseits hat man mit dem Westen auf allen
> Ebenen zweifelhafte Deals abgeschlossen, um
> dringend notwendige Devisen reinzuholen und die
> Staatspleite zu verhindern. Bloß wurde dieses
> zwiespältige Verhältnis natürlich in den
> Massenmedien (bis auf wenige Ausnahmen) nicht
> thematisiert, jedenfalls nicht in den 80ern. Und
> die Stasi kam logischerweise auch nicht vor.
>
> Vielleicht wäre es wirklich mal interessant,
> einen Film oder eine Serie über das Alltagsleben
> in der DDR zu drehen, ohne großartig auf Stasi,
> Fluchtgedanken, Bürgerrechtler, Mauerbau und
> Mauerfall einzugehen. Wirklich repräsentativ
> wäre das aber natürlich auch wieder nicht ;)
>
> Ansonsten bin ich übrigens auch ein Fan der hier
> schon erwähnten DDR-Polizeiruf-Folgen. Da gibt es
> ein paar interessante Themen, die immer wieder
> vorkommen:
> - offener und versteckter Alkoholismus
> - hohe Bedeutung von Sachwerten (Eigenheim,
> Antiquitäten, etc.)
> - Autos als Statussymbole: Wer einen Trabi hatte,
> wollte einen Wartburg. Wer einen Wartburg hatte,
> wollte einen Lada. Und wer einen Lada hatte,
> wollte vielleicht einen Mazda.
> Die teilweise beengten Wohnverhältnisse wurden
> ziemlich offen dargestellt. Die Mangelwirtschaft
> kommt ab und zu in Nebensätzen vor, z.B. wenn die
> Polizisten erwähnen, dass Blumen nur schwer zu
> bekommen sind, oder dass es an der Tankstelle
> gerade so schön leer ist...
>
> Empfehlen kann ich auch "Geschichten übern
> Gartenzaun" und "Kiezgeschichten".