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TV-Erinnerungen an gute, alte Fernsehzeiten
"Callan" - Eine kleine Perle des britischen TV-Krimis
geschrieben von: Pete Morgan, 01.01.12 14:41
In jener Zeit entstanden, als in England Serien noch auf Video gedreht wurden statt auf Film (siehe "Mit Schirm, Charme und Melone") und die Pilotfilme künftiger Serien noch als eigenständige Filme im so genannten "Armchair Theatre" präsentiert wurden; in einer Zeit, als im Kino James Bond für Furore sorgte und das Fernsehen den Farbproduktionen noch nicht allzu viel abgewinnen konnte; und in einer Zeit, als das Fernsehen für Schauspieler noch eine Herausforderung war, die sich viele Darsteller mit Bühnenrollen teilten, weil Serien nicht am Fließband produziert wurden - jener seligen und glorreichen Zeit entsprang eine britische Krimiserie, die aus dem Gros der Fernsehkrimis damaliger Zeit herausragt: "Callan".

Weil mir der britische Darsteller Edward Woodward schon als "Equalizer - Der Schutzengel von New York" viele schöne Stunden beschert hatte, musste ich auf jeden Fall die Spionageserie mit dem einfachen wie zündenden Titel "Callan" antesten, die vor nicht allzu langer Zeit in England auf DVD erschien. Und so flimmerte also vor einigen Wochen das erste Abenteuer des für mich ungewöhnlichsten Spions Ihrer Majestät über den Bildschirm. "A Magnum for Schneider" hieß der Film des "Armchair Theatre", der aufgrund des schlechten Ausgangsmaterials in nur mäßiger Qualität auf der Silberscheibe vorhanden ist. Vorgestellt wird David Callan, Mitarbeiter des britischen Secret Service S.I.S., der in der Tarnung eines kleinen unbedeutenden Buchhalters sein Dasein fristet. Diese Tarnung ist nicht etwa Absicht, sondern auch eine Art Strafe, ist Callan doch nicht nur der Mann fürs Grobe, den man für die schmutzigsten Jobs heranzieht - er ist auch der einzige Agent, der seinen Job und seine Vorgesetzten und sämtliche Direktiven, an die sich ein Agent des britischen Geheimdienstes zu halten hat, hasst wie Pest und Cholera zusammen. Und weil dem so ist, hat man Callan auf die Buchhalterstelle abgeschoben, kommt allerdings nicht umhin, ihn immer wieder in den aktiven Dienst zurückzubeordern, wenn es heikle Aufgaben zu erledigen gibt. Denn Callan ist nicht nur der unbequemste Agent der Königin, er ist auch der Allerbeste...
Gleich in der ersten Folge muss Callan, der sich bisweilen auch "David Tucker" nennt, den Inhaber einer Import-Export-Firma aus dem Weg schaffen. Callan sträubt sich mit aller Kraft, bis er herausfindet, dass "Schneider" nicht nur ein ehemaliger Naziverbrecher, sondern auch einer der skrupellosesten Waffenhändler der Nachkriegszeit ist. Damit kommt Callan nicht mehr umhin, seinen schmutzigen Job zu erledigen...

Mit "Callan" bekommt der Zuschauer eine Geschichte vorgesetzt, die zwar subtil daherkommt, aber inhaltlich und schauspielerisch wie ein Keulenschlag wirkt. Weit entfernt von einer von skurrilen Einfällen gespickten Spionageserie wie "Mit Schirm, Charme und Melone", bewegt sich "Callan" eher in den Sphären von Serien wie "Special Branch" oder "Ghost Squad". Die nationale Sicherheit und der ewige Zwist zwischen West und Ost, vor und hinter dem eisernen Vorhang und mitten im kalten krieg, stehen im Mittelpunkt dieser Agentenserie. Und weil sie sich auch noch mit Vergangenheitsbewältigung aus dem Zweiten Weltkrieg befasst, fand diese Serie wohl auch nie den Weg ins deutsche Fernsehen.

Ungleich anderer Serien jener Zeit ist "Callan" düster, knochentrocken und hart. Die Geschichten sind subtil, doch Callan scheut sich nicht, zur Waffe zu greifen oder sich zu prügeln. Ein sehr junger Edward Woodward zieht alle Register seines Könnens - er ist aufsässig, brutal, knallhart, unorthodox, hundsgemein und wenn man ihn zum Freund hat, ist man nicht viel besser dran als seine Feinde. Callan hat überdies eine Eigenschaft, die ihn äußerst unbequem macht - er hinterfragt jeden (Mord)-Auftrag (denn meist läuft es darauf hinaus, dass er einen feindlichen Agenten aus dem Verkehr ziehen soll) und ist selten mit dem Auftrag, den er ausführen soll, einverstanden. Er hasst das Töten, aber er ist nun mal in einer Maschinerie, die ihn nicht so ohne Weiteres frei gibt, ein gefangener in einem mörderischen System, in dem man sehr schnell selbst auf der Abschussliste der eigenen Leute landen kann... deshalb befindet sich Callans Dossier auch in einer "roten Akte", in der nur hochgefährliche Menschen untergebracht sind - solche, die zum Abschuss freigegeben sind oder werden.
Wie jeder Engländer hat Callan auch einen Spleen - er sammelt historische ´Militärfiguren und spielt historische Schlachten auf gebastelten Schlachtfeldern nach. Genial wurde dieser Spleen der "taktischen" Kriegsführung in die Geschichten eingearbeitet, und in mehreren Folgen teilen selbst Callans Gegner die Leidenschaft des Agenten und man lernt sich auf Sammlerbörsen kennen, um dann im gemeinsamen Spiel zum strategischen wie verbalen Schlagabtausch zusammenzukommen, der schließlich im dramatischen und gewalttätigen Showdown gipfelt...

Callans Vorgesetzter ist "Hunter", am Telefon mit Codenamen "Charlie" bedacht, die Einsatzzentrale ein fiktiver Schrotthandel. Hunter untersteht direkt dem Innenministerium, und nicht selten stößt den Beamten Callans aufbrausende und undisziplinierte Art sauer auf. Deutlich wird in der Serie gezeigt, welch ein schmutziges, menschenverachtendes Geschäft die Spionage ist. Selbst "Hunter" kann zum Ziel von Callan werden, und Menschen werden wie Figuren auf einem Schachbrett hin und her geschoben, Bauernopfer sind an der Tagesordnung und jegliche Menschlichkeit ist den meisten Agenten fremd. Ausgenommen natürlich Callan, der seinen schmutzigen Job hasst.
Callan eckt mit seiner ruppigen Art auch bei seinen direkten Kollegen an, allen voran Toby Meres, ein aalglatter, skrupelloser Killer, der scharf darauf ist, Callans Position als "bester Mann" zu übernehmen. Meres, brillant gespielt von Anthony Valentine, ist so aalglatt, arrogant, schleimig und skrupellos, dass man eine Gänsehaut bekommt. Die Figur ist wie eine Viper kurz vor dem tödlichen Biss, und solch eine Darbietung hab ich selten zu sehen bekommen.

Genauso schmutzig wie sein Job ist Callans unbezahlbarer Kontakt zur Unterwelt, sein einziger Freund und Schützling, ein kleiner Ganove namens "Lonely". Lonely ist ein vorbestrafter Einbrecher, Safeknacker, Ladendieb, Autodieb, Spitzel, Ganove - es gibt kein Schloss, das Lonely nicht knacken kann. Lonely verfügt über Kontakte, die Callan nützlich werden können. Er ist ein völlig unscheinbarer Mensch, der selbst den besten Agenten nicht auffällt, wenn er sie in Callans Auftrag beschattet und sogar in der Lage ist, unbemerkt in ein Schlafzimmer einzudringen, in dem jemand schlummert. Lonely hat aber auch seine Schwachstellen - wenn er nervös ist, perspiriert er und seine Körperausdünstungen werden zum Running Gag der Serie (seinen Namen verdankt Lonely seinem penetranten Körpergeruch), außerdem ist er ein Feigling und verabscheut rohe Gewalt. Nichts kann Lonely mehr zur Verzweiflung bringen als Callans Job, für den er immer wieder Lonelys Hilfe braucht. Callan behandelt Lonely wie einen Fußabstreifer, gleichzeitig aber auch wie einen geliebten Freund - der Zuschauer ist sich nie ganz schlüssig, ob Lonely nur ein Werkzeug für Callan ist oder ob Callan trotz seiner ruppigen Artt den kleinen Gauner eigentlich mag. Oft hat man Mitleid mit dem armen Kerl Lonely, der von Russell Hunter hervorragend verkörpert wird und dem "Gollum" aus "Herr der Ringe" zum Vorbild genommen wurde. Das Zusammenspiel zwischen Edward Woodward und Russell Hunter ist schlichtweg brillant, zudem sorgt Lonely auch für den typisch britischen Humor, der für die todernsten geschichten unbedingt notwendig ist.

Viele Zuschauer heute werden wohl vor der für damalige Produktioenn typischen "Studioatmosphäre" zurückschrecken, die wir auch aus Serien wie "Van der Valk" oder "Onedin Line" und "Haus am Eaton Place" kennen, aber den Geschichten selbst tut sie keinen Abbruch. Selten hab ich neben "Mit Schirm, Charme und Melone" eine britische Klassikserie gesehen, die solch brillante Dialoge und solche großartigen schauspielerischen Leistungen aufbot wie "Callan". Die Drehbücher sind absolut edel, und sehr oft findet man Szenen, in denen die Darsteller ihre Dialoge minutenlang darbieten, ohne Zwischenschnitte, und keine simplen One-Liner runternudeln wie heute, sondern "richtig schauspielern". Woodward, Hunter und ihre Kollegen zeigen dabei ein Können, wie wir es uns heute wünschen und nur noch selten zu sehen bekommen. Manchmal hat man das Gefühl, das Ganze könnte auch auf einer Bühne stattfinden... man bekommt ein Spionage-Kammerspiekl erster Güte präsentiert.

Leider sind einige alte Episoden der ersten Staffelö verloren gegangen, somit fehlt etwa eine Hand voll Episoden. In den Siebziger Jahren findet die Serie mit einem grandiosen Dreiteiler ihren Abschluss, um einige Zeit später einen sichtlich gealterten David Callan erneut für eine Folge in Spielfilmlänge ("The Wet Job") zu reaktivieren. Es gab auch eine spätere Kinoversion der ersten Folge, die allerdings die Intensität der Serie vermissen lässt.

Für alle Freunde anspruchsvoller, brilliant gespielter Krimispannung, die sich weit von amerikanischer Dutzendware abhebt, kann man "Callan" getrost empfehlen. Nachdem ich die Serie gesehen habe, bin ich persönlich sehr dankbar, dass ich diesem mir bis dahin unbekannten Kleinod eine Chance gab. Ich habe jede Minute dieser spannenden Serie genossen.

Der Lonewolf Pete

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  "Callan" - Eine kleine Perle des britischen TV-Krimis
Pete Morgan 01.01.12 14:41 839 
  Re: "Callan" - Eine kleine Perle des britischen TV-Krimis
Stahlnetz 01.01.12 15:58 453 


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