In einer Stellungnahme an die Rundfunkkommission der Länder haben ARD und ZDF die geplante "Grundverschlüsslung" durch den Satellitelbetreiber SES-Astra als "Etikettenschwindel" bezeichnet und sich dagegen ausgesprochen.
In dem Positionspapier der öffentlich rechtlichen Sender werden die Pläne der SES-Astra, das TV-Angebot der RTL- und der ProsSiebenSat.1-Gruppe ab 2007 nur noch "grundverschlüsselt" digital per Satellit auszustrahlen, als Einstieg in weit reichende Pay-TV-Geschäftsmodelle bezeichnet. Der gewünschten Digitalisierung des Fernsehens in Deutschland werde dadurch ein schlechter Dienst erwiesen, sagten ARD-Vorsitzender Thomas Gruber und ZDF-Intendant Markus Schächter.
Eine "Grundverschlüsselung" bedeute eine potentielle digitale Spaltung der Bevölkerung und verändere das deutsche Mediensystem mit dessen bislang vielfältigem Free-TV-Angebot.
Weitere Argumente von ARD und ZDF:
- Die "Grundverschlüsselung" sei nicht zum Schutz vor Piraterie erforderlich. Urheberrechtliche Vorschriften eröffnetenn gerade die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Verbreitung von Rundfunk.
Gebietsabschottungen widersprächen grundlegenden europäischen Prinzipien. - Die "Grundverschlüsselung" bürde jedem Zuschauer die Kosten einer für die Nutzung von pay-tv-Angeboten notwendigen Infrastruktur zwangsweise auf.
- Die Adressierbarkeit der Endgeräte werfe erhebliche, u. a. datenschutzrechtliche Risiken auf (Steuerung des Verbrauchers und Überwachung seines Verhaltens).
- Die Freischaltung von Free-TV-Angeboten beweise, dass eine "Grundverschlüsselung" nicht notwendig sei. Schon heute könnten digitale Entgeltangebote individuell adressiert und abgerechnet werden.
- Auch in Nachbarstaaten gäbe es keineswegs eine "Grundverschlüsselung" von Free-TV gegen gesondertes monatliches Entgelt. Dessen ungeachtet sei die Situation in anderen europäischen Staaten nicht mit der deutschen vergleichbar.
- Dem Jugendschutz komme bei der "Grundverschlüsselung" nur eine Alibi-Funktion zu: Alles, was technisch und programmlich möglich ist, soll nutzbar werden, ohne dass zuverlässig verhindert werden könnte, dass Minderjährige Zugang zu sie gefährdenden Inhalten haben.
- Die "Grundverschlüsselung" hemme Ausbau und Nutzung aller digitalen Verbreitungswege. Die Einführung einer Verschlüsselung begünstige nicht die Einführung neuer Entwicklungen, sondern neuer Geschäftsmodelle.
- Die "Grundverschlüsselung" sei auch unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten bedenklich: Es sollen technische Standards durchgesetzt werden, ohne dass die Spezifikation nachvollziehbar ist. Decoderhersteller würden behindert, kleinere Sender diskriminiert.
- Die "Grundverschlüsselung" ziele auf eine Marktabschottung und schaffe Abhängigkeiten sowohl der Endgerätehersteller als auch nicht beteiligter Programmanbieter.
- Die "Grundverschlüsselung" sei nicht erforderlich, um Investitionen zu finanzieren.
- Der Verweis auf Entgeltmodelle im Bereich der Kabelweiterverbreitung sowie über DSL verfange nicht.
- Die "Grundverschlüsselung" würde der Medienkonzentration aufgrund der zunehmenden vertikalen Integration der Beteiligten weiter Vorschub leisten.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse für jeden frei, ohne zusätzlichen wirtschaftlichen oder technischen Aufwand empfangbar sein. Er könne daher weder auf eine verschlüsselte Verbreitung noch auf verbleibende Verbreitungswege verwiesen werden.
20.06.2006 - Jutta Zniva/Quelle: presseportal.de