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Re: Wann endlich erlösen uns ZDF/ARD vom Schnulzenkram?
geschrieben von: BrandungsFelsen, 01.03.06 23:38
Im Gegensatz zu den Anderen, kann ich Dein Text ganz und gar nicht loben und das nichts damit zu tun, daß Du Heimatfilme magst.

Während ich gute Text-Links geposted habe, die auf Deine Vorwürfe eingehen und man dort wirklich nicht viel lesen muß, wiederholst Du lediglich Deine Vorwürfe.

Und es ist auch totaler Unsinn, daß Filme von heutigen Filmzeitschrift-Kritikern zerissen werden, nur weil sie alt sind. Ebenso bekommen auch aktuelle schlechte Filme ihr Fett weg.


Jetzt werde ich die Texte mal hier reinkopieren, weil diese das viel besser beschreiben, als ich es könnte:

Anders in der Trümmerphase der unmittelbaren Nachkriegszeit standen im Deutschland der fünfziger Jahre wieder ausreichend Geldmittel, Filmstudios und Filmmaterialien zur Verfügung, mit der der deutsche Film wieder an die überzeugende technische Qualität der UFA-Zeit der dreißiger Jahre anknüpfen konnte. Nicht völlig grundlos galt der Film der Fünfziger als der Film der Adenauer-Ära und des CDU-Staates [Kreimeier, Westdeutscher Film S. 285]. Der restaurative Charakter dieses Zeitabschnitts trat im Film besonders stark zutage. Neue, kritische Strömungen waren bis in die sechziger Jahre gering, anders als bei Theater, Literatur (Gruppe 47),

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bildender Kunst und Musik. Das schnelle Wachstum der deutschen Filmindustrie war nur mit massiver finanzieller Unterstützung des Staates möglich geworden. Es war vor allem die Kontinuität von Regisseuren des ehemaligen NS-Filmimperiums, die dem deutschen Film in der Wirtschaftswunderzeit zu jener technischen Perfektion zurück verhalf, wie es der Zuschauer aus Ufa-Zeiten gewohnt war. War die personelle Kontinuität beim Film schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit bezeichnend, so galt dies in besonderem Maße für die Jahre nach Gründung der Bundesrepublik [vgl. Kochenrath, Kontinuität S. 286ff.]. Regisseure verbotener Propagandafilme, wie Veit Harlan und Alfred Braun, die für Jud Süß (1940) und Kolberg (1945) verantwortlich waren, wurden rehabilitiert und als nicht verantwortliche Werkzeuge des Hitler-Regimes bezeichnet. Auch im Themenbereich kehrte man wieder zu Altbewährtem zurück. Fast ein Viertel der deutschen Spielfilmproduktion machte das neue Genre des Heimatfilms aus. Der Heimatfilm war eine Mischung aus traditionellem Lustspiel, Musikfilm und Melodram. Der schon erwähnte Publikumsrenner Schwarzwaldmädel (1950) war der Auftakt zu einer Reihe von ähnlichen Landschaftsfilmen. Bei diesem Genre dienten unberührte Landschaften quer durch die Bundesrepublik und Österreich als Hintergrund (Oberbayern, Schwarzwald, Lüneburger Heide, Salzkammergut und Wachau) von Liebe und Leid der Trivialfilme. In dieser vorgegaukelten Traumwelt befand sich unterschwellig ein politisches und soziales Weltbild, das patriarchalische, hierarchische, agrarromantische und antiurbane Vorstellungen beinhaltete. Doch auch tagespolitische Probleme kamen nicht zu kurz: Der Film Grün ist die Heide thematisierte die Eingliederung der Heimatvertriebenen und rehabilitierte dabei kurzerhand den ostelbischen Landadel.

Auch die klassischen Filmsparten der Vorkriegszeit waren beim Film der Nachkriegszeit vertreten. Lustspiele, billige Verwechslungskomödien und Musikfilme waren in der Nachkriegszeit wieder gleichermaßen bei Produzenten und Kinobesuchern beliebt. Melodramen und Problemfilme stellten soziale Konflikte dar, die der Nachkriegsgesellschaft kaum gerecht wurden. Eheprobleme, unvollständige Familien, Generationenprobleme und Waisenschicksale gab es nur bei Grafen, bei Chefärzten (Dr. Holl, 1951; Dr. Sauerbruch, 1954] oder bei Kirchenfürsten (Die Nachtwache, 1951) und reichen Geschäftsleuten. Auch den Großen der Geschichte widmete sich dieses Genre: Königin Louise (1956), Ludwig II. (1954) oder Sissi (1955) von Österreich, sogar Gustav Stresemann (1956) mußten als autoritäre Helden herhalten. Stets wurden die Halbgötter in Weiß oder die Staatslenker mystisch verklärt. Sie waren allen Problemen gewachsen und opferten sich in einsamer Melancholie für die Allgemeinheit. Staatslenkerfilme, Arztfilme huldigten einem obrigkeitsbetonten, monarchistischen, wie auch patriarchalischen Personenkult und Pathos, die als Wegweiser in einer Zeit der Orientierungsprobleme dienten [Zur Problematik des Films in der frühen Bundesrepublik vgl. Kahlenberg, Film S. 472ff.; Glaser, Kulturgeschichte S. 257ff.; Kleßmann, Zwei Staaten S. 45ff.; Kreimeier, Westdeutscher Film S. 290ff.; Seeßlen, Verräter S. 122ff.; Wilharm, Spuren S. 11ff.].

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Zwischen 1949 und 1964 machten Heimat-/Touristenfilme und Lustspiele fast die Hälfte der deutschen Spielfilmproduktion aus [Osterland, Gesellschaftsbilder S. 72]. Dies bestätigen auch die lokalen Untersuchungen zum deutschen und österreichischen Spielfilmangebot in Speyer und Kaiserslautern: Lustspiele, Musikfilme und Melodramen waren die am meisten aufgeführten Genreklassen. In Speyer spielten zudem Krimis eine wichtige Rolle [vgl. Hoffmann, Speyer S. 29ff.; Kratz, Kaiserslautern, S. 88f.].

Mit dem Aufkommen zeitloser Trivialfilme verschwand der zeitnahe Trümmerfilm völlig aus den Spielplänen. Dies hing natürlich auch mit der Währungsreform und den Marktbedingungen der Filmbranche zusammen. Schließlich war Film eine käufliche Ware. Welcher Kinobesucher wollte schon mit seinem eigenen Elend, mit den Trümmern und Erschwernissen des Alltags konfrontiert werden? Wer wollte sich nach dem kläglichen Scheitern der Entnazifizierung durch die Alliierten mit der deutschen Vergangenheit und einer eventuell verbrecherischen Verstrickung beschäftigen? Der Werbeslogan der Fuffziger lautete deshalb nicht überraschend: Mach Dir ein paar schöne Stunden, geh ins Kino! [Kleßmann, Zwei Staaten S. 47]. Es dominierten zeitlose Trivialfilme, wie sie auch in den Dreißiger Jahren hätten Triumphe feiern können. Schöne Landschaft, idyllische Bürgerlichkeit und geordnete patriarchalische Verhältnisse waren Gegebenheiten, die durch den Krieg zerstört worden waren. In einer Zeit, in der sich in Frankreich die Nouvelle Vague entwickelte und Filme wie Resnais KZ-Film Nacht und Nebel (1955) entstanden, den die westdeutsche Diplomatie bei den Festspielen in Cannes verhinderte, baute der deutsche Nachkriegsfilm eine Gegenwelt zur Wirklichkeit auf. Er war unpolitisch und restaurierte zugleich konservative Werte der bürgerlichen Gesellschaft. Gewiß hat man auf einige Nuancen aus der Zeit des Nationalsozialismus verzichtet, wie beispielsweise antisemitische Tendenzen und antiwestliche Einstellung. Aber die Grundmuster der Unterhaltung aus der Zeit des Nationalsozialismus waren gleichgeblieben: Heimatfilme, Melodramen, Antikommunismus, Verehrung autoritärer Systeme und Personen, Verehrung der deutschen Wehrmacht, Betonung des deutschen Gemütes, Verwechslungs- und Bauernschwänke und das Arztmilieu. Einige Grundmuster leben bis heute in den deutschen Fernsehserien - als Nachfolger der Trivialfilme - weiter, wie zum Beispiel: Arzt-, Pfarrer- und Heimatgenre. Das Medium Film war nicht nur eine gut verkäufliche Ware, sondern auch ein Politikum. Es erreichte mit seinem Trivialcharakter breite Konsumentenmassen und sagt somit viel über den Zustand der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft aus, die Vergangenheit verdrängte und unpolitischem Biedermeier frönen wollte.
Quelle:
[www.uni-oldenburg.de]


und der nächste Text:
1 Das Kino der 50er Jahre
Als gleich mit Beginn des Wirtschaftswunders enorme Gewinne in die Kassen der
westdeutschen Kinobesitzer zu fließen begannen, sahen diese die Zeit gekommen,
ihre alten Lichtspielpaläste, die den Krieg überstanden hatten, zu entstauben und mit
gefälligerem Interieur zu versehen. Auch bei den neu errichteten Kinos achtete man
von Anfang an darauf, dem an Nierentischen und Gummibäumen geschulten ästhetischen
Bewusstsein des zahlenden Publikums gerecht zu werden. Bei Auskleidungen
und Bemalungen der Foyers und Vorführräume bevorzugte man daher abstrakte geometrische
Formen oder aber Rasterflächen, die nicht selten in unversöhnlichem
Kontrast zueinander standen. Doch schräg war nun einmal modern, und wo es nicht
ganz zur entsprechenden inneren Haltung reichte, sollte doch wenigstens das äußere
Erscheinungsbild redliches Bemühen erkennen lassen. Bedauerlicherweise konnte
das an den Sehnsüchten von König Kunde / Zuschauer ausgerichtete Programm
nicht immer ganz der progressiven Architektur gerecht werden. 68% des Publikums
bevorzugte nun einmal deutsche Produktionen und die entsprachen nach Machart
und Aussage eher der gerade erst entfernten Eichenholz- und Plüscheinrichtung. Die
Abneigung dieser Kinogänger gegenüber ausländischen Filmen war so groß, dass
sie, Umfragen zu Folge, lieber irgendeinen deutschen Film, selbst wenn sie gar
nichts über ihn wussten, angeschaut hätten als einen noch so hoch gepriesenen Import.
Von den verbleibenden 32% des Publikums bevorzugten 17% amerikanische,
8% britische, 5% französische und 2% italienische Filme. Alter und Bildungsgrad
spielten bei diesen Präferenzen eine nicht unerhebliche Rolle. Um so jünger und um
so gebildeter die Befragten, um so geringer war ihr Interesse am deutschen Film.
Damit korrespondierte, dass schon die zeitgenössische ambitionierte Kritik Heimat-,
Arzt- und Urlaubsfilme mit Hohn überschüttete, jedoch kaum etwas gegen deren überragende
Erfolge vermochte. Auch die äußerst engagierte Tätigkeit zahlreicher
Filmclubs erreichte nur einen begrenzten Kreis von Cineasten, blieb aber von der
Mehrheit der Kinogänger unbeachtet. Erst der Siegeszug des Fernsehens zu Anfang
der 60er Jahre beendete vorläufig die Erfolgsstory einheimischer Seicht- und Biederware.
Wer jedoch TV-Programm und Einschaltquoten der 90er kennt, der weiß,
dass sich die Oberförster, Ärzte, Lehrer und Fernreisenden längst via Bildschirm ihr
dankbares Publikum zurückerobern konnten, und dass sie schon lange nicht mehr
nur abendfüllend, sondern nunmehr als Protagonisten endloser Serien stille Tage im
Klischee verleben dürfen.


3 Der deutsche Film
Während der ersten Nachkriegsjahre entstanden in den westlichen Besatzungszonen
eine Reihe sogenannter Trümmerfilme, die die Ruinen der ausgebombten Großstädte
als Kulisse wählten. IN JENEN TAGEN (1947) von Helmut Käutner, ZWISCHEN
GESTERN UND MORGEN (1947) von Harald Braun, UND ÜBER UNS DER HIMMEL
(1947) von Josef von Baky, FILM OHNE TITEL (1947) von Rudolf Jugert sowie
BERLINER BALLADE (1948) von R. A. Stemmle sind die bekanntesten Arbeiten dieses
alles in allem nicht sonderlich erfolgreichen Genres. Darsteller, die schon zu NSZeiten
Publikumslieblinge waren, treten hier entweder als Verfolgte, Emigranten, Juden,
Widerständler auf, oder aber als der 'kleine Mann', Apotheose der politisch Passiven
und des selbstmitleidigen, zu Unrecht gedemütigten Verlierers eines Krieges,
den er selbstverständlich ebenso wenig gewollt hat wie die Machthaber, die diesen
vom Zaun gebrochen haben. Während derselben Zeit entstanden in der östlichen
Besatzungszone bei der 1946 gegründeten DEFA eine Reihe von Filmen, die sich
kritisch mit der jüngsten Vergangenheit auseinander setzten, allerdings bereits von
der Ideologie des heraufziehenden neuen Unrechtsregimes geprägt waren. Hervorzuhebende
Ausnahmen bildeten hier die Wolfgang Staudte Arbeiten DIE MÖRDER
SIND UNTER UNS (1946) und ROTATION (1949), die frei von kommunistischer
Propaganda um eine ehrliche Aufarbeitung des Unfassbaren bemüht waren. Staudtes
unzweifelhaftes Meisterwerk entstand zwei Jahre später, also bereits zu
DDR-Zeiten. Die Verfilmung des Heinrich Mann Romans DER UNTERTAN (1951) ist
die bis heute treffendste Satire über Obrigkeitswahn, Doppelmoral und Spießertum
preußischer Couleur. Wie viel von all dem offensichtlich auch noch in der Bundesrepublik
der 50er Jahre lebendig war, zeigte sich daran, dass der international ausgezeichnete
Film hier sechs Jahre verboten war, und anschließend, nachdem er in
stark gekürzter Version in die Kinos kam, dennoch auf polemischste Weise diffamiert
wurde. Staudte, mittlerweile selber in den Westen übergesiedelt, drehte hier, von solchen
Anfeindungen ungerührt, eine der meist gelobten inländischen Nachkriegsproduktionen,
ROSEN FÜR DEN STAATSANWALT (1959). Auch hierin geht es um die
Auseinandersetzung mit dem deutschen Erbe, genauer gesagt um einen Juristen,
der noch kurz vor Kriegsende einen Soldaten zu Tode verurteilt, weil dieser des
Diebstahls an einer Tafel Schokolade beschuldigt wird. Nichtsdestotrotz gelingt es
dem einstigen Kriegsgerichtsrat, in der neuen Republik zum Staatsanwalt aufzusteigen.
Dann aber begegnet er dem von ihm Verurteilten und sieht sich schließlich zum
Rücktritt gezwungen. Der Film wurde vielfach preisgekrönt und erwies sich auch an
der Kinokasse als äußerst erfolgreich. Bei einem großen Teil des Publikums bestand
also Ende der 50er Jahre durchaus die Bereitschaft, sich kritisch mit der eigenen
Vergangenheit und Gegenwart auseinander zusetzen. Ob diese Bereitschaft auch
schon zehn Jahre zuvor vorhanden war, lässt sich im nachhinein nicht beantworten,
da die Filmschaffenden zu jener Zeit nicht das Wagnis eingingen, entsprechende
Stoffe umzusetzen. Die frühen 50er Jahre standen vielmehr ganz und gar im Zeichen
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belangloser Unterhaltungsproduktionen und das bedeutete in erster Linie: der Heimatfilme.
1950 kam mit SCHWARZWALDMÄDEL der erste Farbfilm der Nachkriegszeit
ins Programm und brach völlig unerwartet sämtliche Rekorde. Sage und schreibe
16 Millionen Zuschauer strömten in die Kinos, um sich von diesem Remake eines
Operettenfilms der 30er Jahre verzücken zu lassen. Sie veranlassten so die Produzenten
immer neue bzw. immer gleiche Stoffe nach demselben Strickmuster vom
Band laufen zu lassen. Fast das ganze Jahrzehnt hindurch hielt der Trend und brachte
Sentimentalitäten hervor mit Titeln wie: GRÜN IST DIE HEIDE (1951), HEIMAT,
DEINE STERNE (1951), WENN DIE ABENDGLOCKEN LÄUTEN (1951), DIE MÜHLE
IM SCHWARZWÄLDERTAL (1953 ), DER FÖRSTER VOM SILBERWALD
(1954), DAS SCHWEIGEN IM WALDE (1956), DIE CHRISTEL VON DER POST
(1956), DIE FISCHERIN VOM BODENSEE (1956), WO DER WILDBACHRAUSCHT
(1956), DIE MÄDCHEN VOM MOORHOF (1958), DIE SINGENDEN ENGEL VON
TIROL (195 8) und unüberbietbar: ROSEN BLÜHEN AUF DEM HEIDEGRAB (1952).
Von 1951 bis 1958 kamen 236 solcher Heimatfilme in die deutschen Kinos, fast ein
Drittel des Gesamtangebots an neuen Filmen! Der ungeheure Erfolg dieses Genres,
neben dem expressionistischen Stummfilm übrigens Deutschlands einziger eigenständiger
Beitrag zur Filmgeschichte, hat sehr vielmehr Soziologen als Cineasten zu
kritischen Würdigungen veranlasst. Ob aber wirklich, wie so oft vermutet, die besondere
Situation der Nachkriegszeit mit ihren Entbehrungen, Demütigungen und verheimlichten
Schamgefühlen alleine ausreicht, den Erfolg des Heimatfilms zu erklären
bleibt fraglich. Viererlei spricht dagegen: 1.) Zwar waren es Millionen Menschen, die
diese Filme konsumierten, doch stellten sie innerhalb der Gesamtbevölkerung eine
Minderheit dar. 2.) In Italien und anderen Ländern, in denen die Nachkriegssituation
ähnlich schwierig war wie in Deutschland, entwickelten sich keine dem Heimatfilm
entsprechenden Genres. 3.) Während der Zeit des Dritten Reichs hingegen, wie auch
schon während der letzten Jahre der Weimarer Republik, gab es thematisch und stilistisch
sehr ähnliche Produktionen. 4.) In den 80er und 90er Jahren fanden und finden
dem Heimatfilm vergleichbare Fernsehserien ein ebenso großes Publikum wie
dieser in den 50er Jahren. Es scheint sich also bei der Vorliebe vieler Deutscher für
Unterhaltungsprodukte vom Schlage des SCHWARZWALDMÄDEL um ein Kulturphänomen
zu handeln, das ähnlich der englischen Vorliebe für blutrotes Fleisch mit
Pfefferminzsauce kaum erklärbar, noch weniger nachvollziehbar, sondern bestenfalls
beschreibbar ist. Unternimmt man es nun, sich dem Heimatfilm auf diese deskriptive
Weise zu nähern, so fällt zunächst auf, dass die dort besungene deutsche Heimat
geographisch nicht ganz deckungsgleich mit der tatsächlichen war. Vergeblich sucht
man etwa nach Titeln wie DER MOND VON WANNE-EICKEL oder ZONENRANDGEBIET
WIE BIST DU SCHÖN. Heimat, das bedeutete im gleichnamigen Filmgenre:
die Lüneburger Heide, der Schwarzwald und die Alpen - wobei die österreichischen
Regionen, der Macht der Gewohnheit folgend, gleich mitvereinnahmt wurden. Auch
jungen Männer begegnete man in den einschlägigen Panoramaverfilmungen nur selten.
Meistens war die Rolle, die eigentlich einem jugendlichen Helden hätte zukommen
müssten, dem archetypischen Beispiel Rudolf Pracks entsprechend, mit einem
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milde lächelnden, gänzlich unvirilen Mitfünfziger besetzt. Junge Männer kamen in
diesen Filmen, wie in fast allen deutschen Produktionen dieser Zeit, bestenfalls als
Deppen vor. Ihnen wurde von den Alten, die es schließlich geschafft hatten, zwei
Weltkriege zu erleben, gezeigt, wo es lang ging. Die jungen Frauen kamen deutlich
besser weg, weitaus besser übrigens auch als in der Werbung dieses Jahrzehnts.
Sie standen im Mittelpunkt der Handlung, hatten stets den Überblick, waren häufig
berufstätig und erstaunlich emanzipiert. Es blieb ihnen allerdings nicht erspart, ansonsten
den BDM-orientierten Idealtyp des deutschen Mädels verkörpern zu müssen.
Konflikte, die im Film nun einmal zwecks Handlung benötigt werden, beruhten im
Heimatfilm fast ausschließlich auf leicht auflösbaren Missverständnissen. Nachdem
genügend Wildbäche und Gipfelketten abgelichtet und auch die unverzichtbaren
Volkslieder und Schlager zum besten gegeben worden waren, kam es zu guter Letzt
stets zum mühelos vorhersehbaren Happy End. Dieses ereignete sich dann für gewöhnlich
im Rahmen eines Volksfestes, dessen aufgesetzte Idylle selbst Karl Moik
die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte.
Neben dem Heimatfilm unbedingt erwähnenswert ist auch das Genre der Arztfilme,
hier allen voran SAUERBRUCH - DAS WAR MEIN LEBEN (1954). 1951 verstorben,
konnte der verdienstvolle Mediziner sich nicht mehr gegen eine Darstellung seiner
Person wehren, die ihn wie einen preußischen Offizier kollernd durchs Krankenhaus
toben ließ. Weniger um Heilungen, als vielmehr um billige Triumphe über irrende Kollegen,
ging es dem weitgehend fiktiven Filmarzt, dem die Schulmedizin rein gar
nichts gegenüber der eigenen unfehlbaren Intuition zu gelten schien. Derartige allwissende
und alles könnende Übermenschen, die still doch tapfer an der Uneinsichtigkeit
ihrer Umwelt litten, waren häufig anzutreffende und äußerst beliebte Protagonisten
des deutschen Films jener Tage. Als ihr unverzichtbarer Claqueur agierte jener
Typ Alltagsmensch, der bei Wiederaufbau und Wirtschaftswunder mit anpackte,
über das Vergangene hinweg optimistisch nach vorn schaute und der Alexander Mitscherlich
zu seiner Diagnose vom Ausdruck einer nazistischen Kränkung durch Führerverlust
Anlass gegeben haben mag.
Außer in den Heimat- und Arztfilmen wurden die dort erprobten dramaturgischen
Schablonen und klischeehaften Typen noch in einer Reihe weiterer, eigentlich höchst
unterschiedlicher Genres wie dem Kriegs-, Jugend-, Musik- oder Urlaubsfilm publikumswirksam
eingesetzt. Aus diesem Einheitsbrei wirklichkeitsferner, unkünstlerischer
und einen üblen Nachgeschmack hinterlassender Produktionen heben sich nur
einige wenige Filme lichtblickartig hervor. Neben den Staudte-Werken sind hier vor
allem Helmut Käutners DER HAUPTMANN VON KÖPENICK (1956) sowie Bernhard
Wickis DIE BRÜCKE (1960) zu nennen. Bei dem Käutner Film handelt es sich um
den Sonderfall einer deutschen Komödie, die sowohl beim Publikum als auch bei der
Kritik auf größten Beifall gestoßen ist. 10 Millionen Zuschauer sahen den Film allein
in der Bundesrepublik bevor er in 53 Länder exportiert wurde und sogar von der
maßgeblichsten Zeitung Hollywoods, ' Variety', in hohen Tönen gelobt wurde. „Ein
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heftiger Angriff gegen den preußischen Militarismus", hieß es da. „Der Film zieht die
Macht der Uniform derart klug und unwiderstehlich ins Lächerliche, dass sogar die
Beschränktesten im uniformbegeisterten Bürgertum überzeugt sein sollten." Den
größten Anteil am Erfolg des Filmes kam dem Darsteller des Titelhelden, Heinz
Rühmann, zu. Wie er den Schuster Voigt in leiser und eindrücklicher Form zu einer
der wenigen lebensechten und ergreifenden Charaktere des deutschen Films gestaltetet,
gelang es ihm bemerkenswerter Weise auch in fast all seinen anderen Engagements
zu demonstrieren, wie sehr unprätentiöses, präzises Spiel zu begeistern
vermag. So wie DER HAUPTMANN VON KÖPENICK als die gelungenste, vielleicht
sogar die einzige gelungene deutsche Tonfilmkomödie hervorgehoben zu werden
verdient, so DIE BRÜCKE als der wirkungsvollste deutsche Antikriegsfilm. Die Verherrlichung
des Krieges wird hier als Blendwerk verantwortungsloser Möchtegern-
Helden enttarnt. Das übrigens zu einer Zeit, in der noch ein Drittel aller in der Bundesrepublik
gedrehten Filme von Regisseuren stammte, die ihren Beruf bereits im
Dritten Reich erfolgreich ausgeübt hatten.
Mit den 60er Jahren war aber nun ein Jahrzehnt angebrochen, in dessen Verlauf die
letzten Reste von Ufa-Schwulst und Geschichtsklitterung aus dem deutschen Film
verbannt werden sollte. Noch einmal versuchten zwar die erfolgsgewohnten Produzenten
des Wirtschaftswunderjahrzehnts mit Filmserien wie den Edgar-Wallace, den
Karl-May- und zuletzt den Schulmädchen-Report- und anderen Sexfilmen, verlorenes
Terrain zurückzuerobern, doch mussten die meisten von ihnen schließlich einsehen,
dass ihre Zeit abgelaufen war.

Quelle:
[www.medienzentrale-koeln.de]

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