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ARD-Vorsitzender: "Ich bin auch keiner mehr, der noch linear Fernsehen guckt"
geschrieben von: TV Wunschliste, 07.04.25 19:58
Im Zuge der Jubiläumsfeierlichkeiten zu "75 Jahre ARD" gaben sich auch die Verantwortlichen in Sondersendungen die Ehre. In der Call-in-Sendung "Blue Moon" des rbb-Radiosenders Fritz war vergangene Woche der ARD-Vorsitzende Florian Hager zu Gast. Er stand der Moderatorin Clara Ehrmann sowie den anrufenden Hörern Rede und Antwort - und tätigte dabei durchaus bemerkenswerte Aussagen.

Ich bin auch keiner mehr, der noch linear Fernsehen guckt, teilt der 48-jährige ARD-Vorsitzende Florian Hager, der gleichzeitig auch Intendant des Hessischen Rundfunks ist, unverblümt mit: Ich habe vier Kinder, die den Fernseher zwar nutzen, aber da läuft kein lineares Fernsehen. Er findet es nicht falsch, dass jemand wie er in einer zentralen Funktion ist, der Medien nicht mehr klassisch konsumiert. Ich kriege natürlich total viele Inhalte mit, aber ich nutze sie nicht linear. Radiomoderatorin Clara Ehrmann gesteht daraufhin, selbst gar keinen Fernseher mehr zu besitzen.

"Bei jungen Menschen reden wir in der ARD von Unter-60-Jährigen"



In die Zukunft gerichtet, müsse die ARD für alle ein Angebot machen. Wir haben für bestimmte Zielgruppen nicht genügend Inhalte - allen voran für jüngere Menschen, die nicht mehr klassisch linear fernsehen und die man bisher vernachlässigt habe, während man für ältere Menschen derzeit wahrscheinlich ein Überangebot habe. Bei jungen Menschen reden wir in der ARD von Unter-60-Jährigen, so Hager. Es müsse da eine Umverteilung der Ressourcen geben, um auch die Lebenswirklichkeit und die Themen jüngerer Menschen stärker abzubilden, um nicht die Relevanz zu verlieren.

Völlig den Anschluss zur Jugend habe man aber nicht verloren, betont Florian Hager. Die 'Tagesschau' ist das erfolgreichste Informationsformat auf TikTok und Instagram. Das muss man ja auch erst mal hinkriegen. Und weiter: Wenn man sich Mediatheken von ARD und ZDF zusammendenkt, dann haben wir mehr Reichweite als Netflix in Deutschland.

Linear vs. Mediathek: "Da ist einfach ein völlig anderes Publikum unterwegs"



Ein Anrufer in der Sendung würde sich wünschen, dass die "coolen" und jüngeren Produktionen nicht nur in der ARD Mediathek veröffentlicht werden, sondern auch prominent im Hauptprogramm des Ersten ausgestrahlt werden. Darauf entgegnet Florian Hager allerdings: Da würde das dann aber nicht nicht sein Publikum finden. Weil die Menschen, die das gucken, gucken zum Großteil einfach kein Fernsehen mehr. Deshalb halte ich es für eine Riesenchance, dass wir verschiedene Zielgruppen auf verschiedenen Ausspielwegen erreichen können.

Der ARD-Vorsitzende erläutert: Wenn du dir anschaust, wer an einem normalen Wochentag um 20.15 Uhr Fernsehen guckt, dann sind das einfach nicht die Menschen, die da jetzt irgendeine junge Serie sehen wollen. Das würde da nicht funktionieren. Das ist eine Aussage, die ziemlich tief blicken lässt. Denn durch die Blume sagt Florian Hager damit, dass die ARD inzwischen klar trennt zwischen Inhalten für die (vorwiegend älteren) Leute, die noch linear fernsehen, und Inhalten, die speziell für die Mediathek produziert werden, wo man es auf die junge Zielgruppe abgesehen hat. Da ist einfach ein völlig anderes Publikum unterwegs. Ich halte nichts davon, das auch im linearen Fernsehen zu senden, meint Hager und berücksichtigt offenbar nicht, dass es nicht wenige ältere Leute gibt, die ebenfalls Mediatheken und Streamingdienste nutzen.

Daraus kann auch abgeleitet werden, dass man es offenbar für unvorstellbar hält, dass die etwas experimentelleren und moderner erzählten Inhalte auch beim älteren Publikum auf Zuspruch stoßen könnten, weshalb man sie ihm lieber gar nicht erst zumuten möchte. Die ARD Mediathek fungiert sozusagen als Anlaufstelle für die mutigen und ungewöhnlichen Inhalte, während man das übrig gebliebene, ältere lineare Stammpublikum im Ersten ganz gezielt mit Krimi-Einheitsbrei, Telenovelas und seichten Freitagskomödien einlullt. Die Annahme, dass junge Leute kein Interesse mehr am linearen Fernsehen haben, stimmt natürlich auch nur bedingt. Fast täglich ist die 20-Uhr-Ausgabe der "Tagesschau" schließlich beim jungen Publikum die meistgesehene Sendung. Zudem punktet Das Erste linear in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen regelmäßig mit den Samstagabendshows, dem "Tatort" und natürlich Live-Sport.

"Wer hat nachmittags Zeit, Fernsehen zu gucken?"



Ein anderer User bemängelt, dass auf den vielen Sendern der ARD gerade nachmittags in hohem Maße die gleichen Sendungen und Wiederholungen gezeigt werden [allen voran Quizshows, Vorabendserien und Telenovelas], anstatt aus dem reichhaltigen Archiv aus 75 Jahren ARD zu schöpfen und unterschiedliche Sendungen auszustrahlen. Darauf antwortet der ARD-Vorsitzende ausweichend:

Wir gucken natürlich schon, wo wir mit welchen Inhalten welche Zielgruppen erreichen und wir mit dem Beitrag, den wir haben, möglichst viele Inhalte generieren könnten. Wir wissen ziemlich genau, wann wer vor dem Fernseher sitzt, und wie man dann die Inhalte strukturiert, damit man möglichst viele Menschen erreicht. Nachmittags ist es total sinnvoll, an manchen Stellen auch Wiederholungen zu senden. Denn wer hat nachmittags Zeit, Fernsehen zu gucken? [...] Ich glaube, relativ viele Menschen nutzen das lineare Fernsehen dann eben nicht mehr, gerade jüngere Menschen. Und dann ist es eben sinnvoller, etwas in der ARD Mediathek anzubieten. Da spielt ja auch die Uhrzeit keine Rolle. Man wolle vor allem ins Digitale investieren. Und weil wir ja nicht mehr Geld kriegen für das Digitale, können wir an anderer Stelle weniger investieren. Dann ist das eben so, dass wir in den linearen Programmen öfter Wiederholungen zeigen.

"Wir machen die Inhalte, weil wir sie für inhaltlich notwendig halten"



Auch die Wichtigkeit der Öffentlich-Rechtlichen für die Gesellschaft in Bezug auf Information betont Hager: Dass die 'Tagesschau' da ist, selbst wenn du sie nicht nutzt, führt dazu, dass bei RTL oder anderen eben nicht kompletter Quatsch erzählt werden kann, weil du theoretisch die Möglichkeit hast, es zu verifizieren. Im Gegensatz zu privaten Anbietern sei man nicht abhängig von der Werbung. Wir haben die Möglichkeit, einfach völlig unabhängig von irgendwelchen Playern die Inhalte zu machen, die sinnvoll sind. Wir müssen nicht darauf gucken, dass sich der Werbeslot vor oder nach dem Programm gut verkauft, oder dass die Inhalte so sind, dass der Werbepartner nicht geschädigt ist. Wir machen die Inhalte, weil wir sie für inhaltlich notwendig halten.

Die komplette "Blue Moon"-Sendung vom 2. April zum Thema "Eure Fragen zur ARD" ist in der ARD Audiothek nachträglich als Podcast verfügbar.

07.04.2025 - Glenn Riedmeier/TV Wunschliste
Bild: HR/Tim Thie


[www.wunschliste.de]

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  ARD-Vorsitzender: "Ich bin auch keiner mehr, der noch linear Fernsehen guckt"
TV Wunschliste 07.04.25 19:58 214 


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